Martin Hinteregger muss sich Diskussionen stellen.

In der Debatte um Verbindungen ins rechte Lager fehlt Martin Hinteregger an vielen Stellen die Einsicht. Ausgerechnet die Identifikationsfigur der Eintracht muss an die Werte des Klubs erinnert werden - aber ist für ihn nicht erreichbar.

Videobeitrag

Video

Debatte um Hinteregger - Blindenfußballer fährt zur EM | hessenschau Sport vom 09.06.2022

hs_090622
Ende des Videobeitrags

Martin Hinteregger ging nicht ans Telefon. Am gesamten Donnerstag debattierte die Fußballwelt über die Verbindungen des Eintracht-Verteidigers zum früheren FPÖ-Politiker und mutmaßlichen Unterstützer der Identitären Bewegung Heinrich Sickl. Ein Eklat. Natürlich musste der Verein dazu eine Stellungnahme abgeben, im Normalfall mit einem Zitat des Spielers. Doch die Frankfurter Verantwortlichen - so erklärten sie es selbst - haben Hinteregger den ganzen Tag lang nicht erreicht. Ein Unding.

Eintracht Frankfurt blieb "aktuell lediglich der Verweis auf die Stellungnahme des Spielers via Instagram". Das Wort "lediglich" ist dabei entscheidend, denn die Eintracht sieht, dass die Vorgänge "eine klare Distanzierung" verlangen. Man könnte auch daraus lesen: Hintereggers Instagram-Post war dies eben nicht.

Hinteregger streitet ab - naiv oder unwahr?

Der 29-Jährige schrieb darin, er habe keine Kenntnisse über vergangene oder zukünftige Aktivitäten der Familie Sickl. Keine Kenntnisse? Entweder war der Verteidiger unglaublich naiv und blauäugig - oder aber er sagt nicht die Wahrheit. Und man fragt sich, was schlimmer wäre. Hinteregger und Sickl stammen beide aus einem Dorf mit gerade einmal 277 Einwohnern, Sickls Mutter war FPÖ-Bundesministerin, ihr Sohn Heinrich aufgrund seiner Nähe zu rechten Organisationen bundesweit in den Schlagzeilen. Sickl selbst sagte dem Magazin 11Freunde: "Mit seinem Vater habe ich Fußball gespielt, Martin habe ich heranwachsen sehen."

Hinteregger schrieb im gleichen Post am Donnerstag, dass die Sickls im Ort verwurzelt seien. Und selbst wenn er in all den Jahren nie mitbekommen haben sollte, was die "Berühmtheiten" des Dörfchens alles von sich gaben, eine einfache Google-Suche vor der Firmengründung hätte ihm genügt, um allerhand über die Verstrickungen Sickls zu erfahren. Der Journalist Michael Bonvalot, der die Geschichte enthüllte, schreibt: "Es ist eher unwahrscheinlich, dass Hinteregger nicht mindestens eine Ahnung davon hat, mit wem er da zusammenarbeitet."

Unvereinbar mit den Werten der Eintracht

Wahrscheinlich wollte Hinteregger tatsächlich einfach nur ein Fußball-Freizeitturnier organisieren, mit reichlich Gaudi und vielen Freunden, aus der Heimat, aus Frankfurt. Das entspricht seinem Naturell. Wahrscheinlich hat er auch weder Zeit noch Muße gehabt, allen Missetaten seines Partners Sickl nachzuspüren. Und wahrscheinlich hat auch die hohe Akzeptanz von Sickls Rechtsausleger-Partei FPÖ in Hintereggers Heimat eine Rolle gespielt, dass niemand so genau hingeschaut hat, auch er nicht. Und ziemlich sicher pflegt Hinteregger selbst kein rechtes Gedankengut.

Doch er hätte am Mittwoch und am Donnerstag Zeit genug gehabt, Artikel über seinen Partner zu lesen: Artikel über Sickls Kontakte zu Neonazis, über die antisemtischen Texte in seiner Zeitung "Aula", über die Unterstützung der Identitären Bewegung und ihre völkische Agitation, über die Kontakte der FPÖ zur AfD. Und dann hätte er sich klar machen können, für welchen Verein er spielt (mit dem er sich eigentlich voll und ganz identifiziert): "Wir waren die Juddebube", heißt ein Buch von Matthias Thoma über die Eintracht; "United Colours of Bembeltown" lautet der prägnante Slogan für die Vielfalt im Klub; der Klub macht sich seit Jahrzehnten gegen Rassismus und Diskriminierung stark. Sickls Wirken auf der einen, Eintrachts Werte auf der anderen Seite - mit den Worten von Präsident Peter Fischer gesprochen: "Prüft euch ehrlich, beides geht nicht zusammen!"

Es gibt keine Trennung zwischen Fußball und Politik

Ja, auch Hinteregger betonte, dass er gegen Diskriminierung einstehe. Und er wies Anschuldigungen zurück, dass er rechts orientiert sei - Anschuldigungen, die nirgendwo erhoben wurden. Er verteidigte das Schloss seiner Partner als Veranstaltungsort, weil da schon immer gefeiert worden sei. Er kündigte zwar die Geschäftsbeziehungen, doch er verlor kein Wort über Sickls Gesinnung oder Äußerungen. Kein Eingeständnis eines Fehlers, keine Reue.

"Ich möchte lediglich ein Fußballturnier stattfinden lassen, und mehr nicht", schrieb Hinteregger. Und auch Sickl bemühte die alte Losung "Fußball ist Fußball, Politik ist Politik", die aber meist von denen genutzt wird, die den Fußball selbst instrumentalisieren. Ein Fußballturnier mit einem prominenten Gastgeber - es ist genau der Deckmantel für rechte Gruppen, (oder wie der Journalist Andrej Reisin schreibt) "ein rechtes Netzwerk, das gezielt politischen Einfluss nehmen will - zur Not auch mit ein bisschen Heimatliebe, Fußball, Party, Blasmusik und DJ Ötzi". Die Eintracht schreibt richtig: In einer solchen Konstellation gibt es keine Kompromisse. Vielleicht sagt jemand vom Verein genau das Hinteregger auch am Telefon - wenn er denn noch abhebt.