Daichi Kamada

Nichts ist so anstrengend wie das Ende der Transferphase, auch bei Eintracht Frankfurt geht es drunter und drüber. Dabei sollte das Transferfenster eigentlich mit Pflichtspielbeginn geschlossen sein. Zeit für eine Wutrede.

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Highlights: Bremen - Frankfurt

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Letztens wurde ich aus dem Bett geklingelt, schreckte aus einem wunderschönen Traum hoch, eilte zur Tür, stieß mir den kleinen Zeh, wimmelte langwierig die Zeugen Jehovas ab, lehnte mich dabei mit meinem Lieblingsshirt an die frisch gestrichene Wand, wobei mir das Handy aus der Tasche und in den Farbeimer fiel, in der Küche platzte der Schlauch der Waschmaschine, und während ich auf der Briefablage die Erinnerung an die Steuererklärung sah, fiel mir ein, dass ich am Nachmittag einen Zahnarzttermin zur Wurzelbehandlung hatte, ein Gedanke, den der Baulärm der Baustelle direkt vor dem Schlafzimmer verdrängte, der ketterauchende Bauarbeiter präsentierte mir eine schriftliche Erlaubnis vom Amt, auch nachts arbeiten zu dürfen und fragte mich, ob er mal mein Klo benutzen dürfe, was er dann tat, auf seinem Weg durch den Flur sah ich, dass er in einen Hundehaufen getreten war. Und das alles war nicht halb so nervig wie die verdammte Transferphase.

Klar, nichts davon ist wirklich passiert. Aber es hilft mir zu illustrieren, wie unendlich ätzend mittlerweile das Sommertransferfenster geworden ist. Gerade gestern erst wieder: Da schält man sich zufrieden aus dem Bett, um entspannt aufs Sofa umzuziehen und irgendwann das Spiel der Eintracht gegen Bremen zu gucken, da brüllt einen die erste Transfer-Hiobsbotschaft des Tages an: KAMADA EINIG MIT BENFICA. +++ EIL ++++ BREAKING!!! DONE DEAL.

Baumgart mit Live-Magengeschwür

Es nervt. Erst der Hickhack um Kostic, dann der um Trapp, jetzt Kamada. Was ist das für eine absolut bodenlos schwachsinnige Idee, das Transferfenster offen zu lassen, obwohl die Liga schon längst läuft. Erst letztens wurde dem 1.FC Köln Stunden vor deren Spiel der beste Stürmer weggekauft, wer FC-Trainer Steffen Baumgart danach im TV-Interview sah, konnte ihm live dabei zusehen, wie er ein Magengeschwür entwickelte. Ähnlich hätte wohl Eintracht-Coach Glasner geguckt, wäre Kamada tatsächlich vor dem Werder-Spiel noch nach Lissabon gewechselt. Und ich auch. Und mein Magengeschwür auch.

Wie die Welt ohne Transferstress wäre: Verdiente Fußballmanager haben ihre Hausaufgaben frühzeitig erledigt. Sie lockern ihre Krawatten, pusten einmal durch, sie sind ja auch nur Menschen, jemand holt eine Gitarre hervor, die ganze Bande singt Kumbaya, jemand verteilt diese Seifenblasenpustedinger, alle lachen, einer klopft einem anderen liebevoll und freundschaftlich auf die Schulter, die Sonne strahlt, ein paar Fans kommen vorbei, setzen sich auf eine saftige Wiese, sprechen über Gott und die Welt und den Fußball, diesen tollen Sport, ein Schmetterling setzt sich auf die Nasenspitze von Daichi Kamada, er lächelt, alle lächeln, ein Samtfilter liegt über den Dingen, Grillen zirpen, jemand sagt: Wollen wir ein Eis essen gehen? Die Welt ist gut und harmonisch und wunderbar.

1:379 gegen Leipzig

Aber nein: Stress. Hektik. Breaking News und Dementi. Frust und Enttäuschung. Magengeschwüre. Und ja auch nicht zu Unrecht . Denn wer sagt mir, dass nicht irgendein ekelhaft überfinanzierter englischer Scheichklub bis zum Deadline Day in drei Tagen Eintracht Frankfurt zu einer leicht besseren Version der SG Oberniederirgendwashausen runterfleddert, in der der kurzatmige Torwart aus der zwoten Altherren einspringen muss, weil sonst niemand mehr da ist, und die Mannschaft, eine Truppe von Maurern, Lehrern und Studenten, nach dem 1:379 gegen Leipzig bei einem Kasten Bier in einer gekachelten Kabine schweigend beieinandersitzt, mit banger Miene schon ans Auftaktspiel der Champions League denkend.

Wer? Mh, wer?! Niemand. Es nervt. Macht den Laden dicht, sobald das erste Spiel angepfiffen wird. Abgesehen davon, dass man Spieler wie Kamada, Kostic oder Trapp halt ohnehin in Frankfurt anbinden sollte. Aber das hätte auch etwas Heilsames für die eh aufgeregten Umfelder der Traditionsklubs, wo es dank Social Media mittlerweile wie auf der letzten Wirtshausschlägerei zugeht. Eine Vorhölle wie aus den schlimmsten feuchten Träumen Fabrizio Romanos geschaffen, in der sich jedes Halb-bis-Dreiviertelgerücht zur unumstößlichen Gewissheit verselbstständigt, weil der Friseur des Mannes der Cousine des ehemaligen Grundschullehrers der Tante des Nachbarn der Oma des Schwippschwagers des Klavierlehrers der Kinder des Onkels von Daichi Kamada letztens portugiesisch essen war und ihn irgendjemand dabei gesehen hat.

Neuer Rekord

Na ja. Vielleicht reg ich mich auch zu sehr auf, aber wäre es nicht schön, würde der ganze Zirkus einfach mit dem ersten Ligaspiel enden? Wahrscheinlich wären die letzten Tage der Transferphase dann auch nicht groß anders, aber man wüsste eben, was man hat, wenn der Ball rollt. Kamada übrigens wird bleiben, Glasner bestätigte das nach dem Spiel. Da waren knapp sechs Stunden vergangen von "Ist sich mit Benfica einig" zu "Er hat sich zu uns bekannt". Das dürfte neuer Rekord sein, von dem ich fürchte, dass er demnächst schon gebrochen wird. Das Transferfenster ist ja noch drei Tag auf, warum auch immer.