Oliver Glasner

Eintracht Frankfurt gewinnt gegen Marseille und Stuttgart. Und beweist dabei: Nichts ist heilsamer als der gute, alte Anschiss.

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Highlights: Frankfurt - Stuttgart

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Ich bin ja großer Fan der Geschichte von R. Lee Ermey. Ermey ist jener Schauspieler, der in Stanley Kubricks Antikriegsfilm "Full Metal Jacket" die legendäre Rolle des Drill Instructors Gunnery Sergeant Hartman spielte. Nur dass Ermey gar nicht als Schauspieler am Set war, sondern ob seiner Army-Vergangenheit als Berater. Die Rolle des Gunnery Sergeant Hartman schien ihm aber so auf den Leib geschneidert, dass Ermey ein Video von sich drehte, in dem er 15 Minuten lang imaginäre Armeeauszubildende in einer nicht enden wollenden Schimpfwortkanonade zusammenschreit, während er dabei mit Orangen und Tennisbällen beworfen wird. Der Legende nach wiederholte er sich nicht ein einziges Mal.

Eigentlich war die Rolle bereits vergeben, aber Kubrick war so beeindruckt von dem Video, dass er Ermey die Rolle gab. Der wiederum für seine Darstellung des Gunnery Sergeant Hartman eine Golden-Globe-Nominierung abstaubte, ein klein wenig Filmgeschichte schrieb und eine veritable Schauspielkarriere startete. Er ist also der beste Beweis einer alten Weisheit, die ja gerade im Fußball sowieso gilt: Dass sich ein zünftiger Anschiss durchaus lohnen kann.

"Ich werde morgen sehr klare Worte finden müssen"

Nun weiß ich nicht, ob Eintracht-Trainer Oliver Glasner leidenschaftlicher Cineast ist oder in letzter Zeit mal "Full Metal Jacket" gesehen hat. Wahrscheinlich nicht, vielleicht aber doch, denn sein angekündigter Anschiss nach der Nicht-Leistung seiner Mannschaft beim 0:1 gegen Wolfsburg hat ganz offensichtlich Früchte getragen. "Das ist sehr frustrierend. Ich bin heute auch sehr enttäuscht über unsere Leistung. Ich werde morgen sehr klare Worte finden müssen. Es gibt ein paar Themen, die besprochen werden müssen und das werden die Jungs auch hören", sagte Glasner vor einer Woche.

Das klingt spektakulär unterkühlt, nach einem mit kurzen, knappen Worten angekündigten Anschiss, der dann umso länger und heißblütiger ausfällt. Ob die Eintracht-Spieler in der Kabine strammstehen mussten? Ob Glasner einen Hut aufhatte? Ob ihn ein Co-Trainer vielleicht mit Orangen und Tennisbällen bewarf, während Glasner eine Viertelstunde lang Beschimpfungen improvisierte, die selbst dem erfahrensten Droschkenkutscher die Schamesröte ins Gesicht treiben würden? Und die verschüchterten Spieler, mit kahlgeschorenen Köpfen und angsterfüllten Augen auf jede noch so blumige Beschimpfung brüllend "Sir, ja, Sir" antworteten?

Sergeant Gunnery Hartman lächelt milde

Nun, wahrscheinlich nicht. Bzw. Sir, nein, Sir. Ziemlich sicher fiel der Anschiss von Gunnery Sergeant Hartman ein wenig sachlicher aus, wahrscheinlich wurde auch nicht, wie dann später in "Full Metal Jacket", ein einzelner Spieler von den anderen mit in Handtücher gewickelten Seifenstücken verprügelt, weil wegen ihm alle immer ständig Liegestütze machen müssen. Aber gebracht hat es auf jeden Fall etwas, die Leistungen der Eintracht beim 1:0 gegen Marseille und beim 3:1 in Stuttgart waren aller Ehren wert. Vielleicht hätten sie sogar Gunnery Sergeant Hartman milde lächeln lassen. Wobei, wohl eher nicht.

Nun steht die Länderspielpause an, danach geht es für die Eintracht gegen Union Berlin, und ich bin gespannt, ob der Anschiss nachhaltig genug war, um auch noch gegen den Überraschungstabellenführer zu tragen. Denn bei einer erneuten Niederlage einfach einen weiteren Anschiss auspacken, ist auch nicht so einfach. Mit Anschissen ist es wie mit allem Schönen im Leben: Man darf es nicht überstrapazieren.

Der Werner Lorant des Films

Der 2018 verstorbene Ermey beispielsweise war dann zwar für den Golden Globe nominiert, nach seiner Performance in "Full Metal Jacket" aber auch auf die Rolle des strengen Armee-Knochens abonniert, er spielte Generäle, Sheriffs, Colonels, diverse weitere Drill Instructor, einmal sogar einen "Ghost Drill Instructor", was auch immer das meint. Er wurde so etwas wie der Werner Lorant des Films. Auch wenn ich ihm das natürlich niemals ins Gesicht gesagt hätte.