Schlecht für Wassersportler: Der Edersee leidet unter Niedrigwasser.

Die einen haben zu viel Wasser, die anderen zu wenig - und allen ist es zu heiß. Was erwartet Hessens Sportvereine, wenn ein Sommer wie 2018 zur Regel wird?

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Reitverein Kriftel kämpft mit extremen Wetter

Reitverein Kriftel
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Sie wünscht sich eine gute Fee. Andere Möglichkeiten sieht Gabriele Bentscheck gerade nicht, um die Probleme des Reit-und Fahrvereins Kriftel (Main-Taunus) zu lösen. Was dem 430 Mitglieder starken Verein zu schaffen macht, steht außerhalb ihres Einflussbereichs als erste Vorsitzende: das Wetter, das Klima.

Das Problem: Die Kosten für den Reitverein steigen. Zum Dauerthema sei inzwischen der sogenannte Niedrigwasserzuschlag geworden, sagt Bentscheck. Denn die Kriftler lassen Hafer und Pellets für die Pferde per Schiff importieren. Für den Transport müssen sie besagten Zuschlag bezahlen, da durch die Dürreperiode im vergangenen Jahr der Wasserpegel der Gewässer gesunken ist.

Heupreise steigen wegen Trockenheit

Noch kostspieliger als der Niedrigwasserzuschlag ist laut Bentscheck das Heu, Hauptbestandteil des Pferdefutters. Die Preise sind gestiegen, weil die Ernte der lokalen Bauern wegen der Trockenheit in den vergangenen Jahren enorm schlecht ausgefallen war. "Um die neuen Kosten zu deckeln, müssen wir die Mitgliedsbeiträge erhöhen", sagt die Vereinsvorsitzende. Ab dem 1. Januar kommenden Jahres werden die Beiträge im Verein um ein Drittel angehoben: für Jugendliche von 40 auf 60 Euro im Monat, für Erwachsene von 60 auf 90 Euro.

Auch Hochwasser wurde in Kriftel in den vergangenen zwei bis drei Jahren zum Problem. Mehrfach wurden die Ställe bei extremem Starkregen im Sommer überschwemmt, die Feuerwehr musste anrücken.

Überschwemmungen auf der Reitanlage in Kriftel im Sommer 2018

Gerade die Hitze beunruhigt auch Heidrun Weitz vom Hessischen Reitsportverband: "Der Reitsport in unserer Region muss sich aufgrund des Klimas an die Gegebenheiten anpassen, wie sie derzeit bereits in südeuropäischen Ländern vorherrschen." Dazu gehöre zum Beispiel die Verlegung der Trainings- und Stallzeiten in die frühen Morgenstunden. Das wiederum hält Gabriele Bentscheck vom Reitverein Kriftel für unrealistisch. Einige Erwachsene hätten gegen Training im Morgengrauen vielleicht nichts einzuwenden, der große Teil der Mitglieder aber seien Kinder und Jugendliche, für die gegen acht Uhr die Schule beginnt. Hinzu kommt: Durch die früheren Fütterungszeiten müssten die angestellten Pferdepfleger länger arbeiten.

Allergien, Sonnenbrände, Hitzschläge

Nicht nur Trockenheit und Hitze stellen für Sportvereine ein Problem dar. Das hat das vom Bundesumweltministerium geförderte Projekt "KlimASport" aus Frankfurt in Befragungen herausgefunden. Auch allergische Reaktionen, Sonnenbrände und Hitzschläge haben laut der befragten Sportler und Sportvereine zugenommen. Das Projekt untersucht, wie mit den Auswirkungen des Klimawandels umgegangen werden kann. Auch der Reitverein Kriftel wurde dazu befragt.

Nicht genügend Wasser für Segler

Manchen Sportverbänden in Hessen sind auf Anfrage noch keine Beeinträchtigungen bekannt. Andere, wie die hessischen Segler, berichten, dass es ihnen deutlich zu heiß und zu trocken ist. So klagt der Edertaler Segelverein ‘86 über niedrige Pegelstände im Edersee. Die Segler können ihren Sport nicht mehr wie gewohnt ausüben, teilweise verkürzt sich die Saison deutlich und ist für die Segelvereine schwierig zu planen.

Die Ursache für das Niedrigwasser: Der Edersee wurde zur Unterstützung der Weser angelegt. Sinkt der Weser-Pegel, wird zum Ausgleich am Edersee die Abflussmenge erhöht. Als im Hitzesommer 2018 zusätzlich der Regen ausblieb, sank der Wasserstand am See um 20 bis 30 Meter.

Grafik Wasser Edersee

"In solchen Fällen kann man höchstens noch mit dem Paddelboot aufs Wasser", beklagt Ulrich Neudecker, erster Vorsitzender des ESV ‘86. Viele Besitzer verlagerten ihre Boote im Laufe der Saison lieber an die Nord- oder Ostsee, manch einer bleibe dem Edersee mit seinem Boot auch ganz fern.

Mittlerweile hat auch die Politik reagiert: In den nächsten fünf Jahren soll testweise weniger Wasser an die Oberweser abgegeben werden, teilte das Regierungspräsidium Kassel mit.

Fußballplätze bei Hitze schwer bespielbar

Im Fußball ist die Lage derzeit weniger kritisch, da die Sportler wie gewohnt trainieren können. Allerdings: Vermehrte Trinkpausen und Spielverlegungen in die Abendstunden waren in der vergangenen Saison keine Seltenheit, berichtet Sascha Timmas vom Hessischen Fußballverband.

Das größte Problem sei die Pflege des Fußballplatzes. "Es gibt Vereine, die ausschließlich Naturrasen für ihre Plätze verwenden. Die Bewässerung wird bei extremer Trockenheit und Hitze schwierig. Teilweise sind die Plätze dann nicht mehr bespielbar", so Timmas weiter.

Sonnenschutz und Klimaanlagen für Turnhallen

Das Projektteam von "KlimASport" will zeigen, wie sich der Klimawandel schon jetzt auf Deutschlands Sportvereine und deren Mitglieder auswirkt. Allein in Hessen sind das mehr als zwei Millionen Menschen.

Dazu kommt noch der Schulsport: Jens Prüller vom Landessportbund Hessen geht davon aus, dass in spätestens 40 Jahren alle hessischen Schulturnhallen mit Sonnenschutz oder Klimaanlagen ausgestattet werden müssen. Allerdings führt er nicht alle Probleme der Sportvereine zwingend auf den Klimawandel zurück. Von dessen Folgen möchte er erst dann sprechen, wenn sich der "alarmierende" Sommer 2018 mehrfach wiederhole. Er warnt vor verfrühter Panikmache.

Damit, wie sich die Temperaturen in Hessen zukünftig entwickeln, beschäftigt sich auch das Umweltministerium in seiner aktuellen "Strategie zur Anpassung an den Klimawandel in Hessen". Die Experten gehen davon aus, dass die Jahresmitteltemperatur von 2031 bis 2060 um 1,9 Grad Celsius steigen wird. Gleichzeitig erwarten sie im Sommer etwa zehn bis 30 Prozent weniger Niederschlag, während es im Winter ein Plus von etwa 15 bis 22 Prozent geben soll.

Die Wissenschaftler geben aber zu bedenken: Je kleiner die Region, für die ein mögliches Klimaszenario errechnet werden soll, desto schwieriger ist zu ermitteln, ob die Daten tatsächlich zutreffend sind.

Klimaanpassung kann Chancen bieten

Diese Klimaprognosen verheißen zwar wenig Gutes für den Freiluftsport. Die Untersuchungen des Frankfurter Projekts "KlimASport" zeigen aber auch Möglichkeiten für Sportvereine auf: Die Vereine können von diversen finanziellen Förderungen profitieren, wenn sie Klima-Anpassungsmaßnahmen ergreifen. Ein hessisches Landesförderprogramm unterstützt zum Beispiel die Begrünung und Beschattung an den Vereinsheimen.

Dem Reitverein Kriftel kommt noch ein anderer Aspekt zu Gute: Die Anlage bekommt überdurchschnittlich viel Sonne ab, ein Investor möchte daher eine Photovoltaik-Anlage auf den Reithallen sowie dem Stall installieren. Quasi als Gegenleistung wird er dafür die asbestbelasteten Dächer der Anlage sanieren. Immerhin eine gute Nachricht für Gabriele Bentscheck – wenn auch keine gute Fee.

Die Autor*innen studieren am Journalistischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Hier finden Sie Infos über das Projekt der Uni Mainz in Kooperation mit hessenschau.de.