Möglicher Millionenschaden 1.900 Verdachtsfälle auf Betrug mit Corona-Hilfen in Hessen
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Behörden überprüfen Betrugsversuche mit Corona-Hilfen

Corona-Soforthilfen wurden während der Pandemie unbürokratisch gewährt. Inzwischen haben die Behörden jedoch haufenweise Anhaltspunkte für Betrugsversuche entdeckt.
Die finanzielle Not in der Hochphase der Corona-Pandemie war vielerorts groß - der Staat versprach schnelle, unbürokratische Hilfe. Das Land und der Bund unterstützten die Wirtschaft in Hessen nach eigenen Angaben seit dem Frühjahr 2020 mit rund 14,7 Milliarden Euro. Doch die Verdachtsfälle häufen sich, dass es massenhaft Betrügereien mit staatlichen Corona-Hilfen gegeben haben könnte.
In Hessen gibt es mehr als 1.600 Fälle, denen Polizei und Staatsanwaltschaften nachgehen, wie hessenschau.de bei den drei Regierungspräsidien (RP) in Kassel, Gießen und Darmstadt erfuhr. Die Zahl der Verdachtsfälle liege mit mehr als 1.900 sogar noch höher. Der Schaden für die Steuerzahler droht demnach in eine zweistellige Millionen-Höhe zu gehen.
Fülle an Verdachtsfällen in Kassel
Mit Abstand am meisten Fälle liegen beim RP Kassel vor. Anhaltspunkte für einen Verdacht gibt es dort derzeit in 1.800 Fällen. Rund 1.600 seien bislang an die Ermittler weitergereicht worden. Die Fälle häufen sich besonders in Kassel, weil das RP dort schon seit Beginn des Corona-Krisenmanagements im Frühjahr 2020 damit befasst ist. Zudem hat es in Hessen die Federführung für die Soforthilfen inne, die am häufigsten beantragt worden sind.
Mit Corona-Soforthilfen sollten Kleinunternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten, Selbstständige und Freiberufler unterstützt werden. Damit sollten Einschränkungen und der Wegfall von Einnahmen während der Lockdowns kompensiert werden.
In Kassel wurden zum Hilfsprogramm rund 134.600 Anträge eingereicht. Davon wurden 106.200 Anträge bewilligt, 24.700 abgelehnt und 3.700 durch Antragsteller zurückgenommen.
Prüfungen laufen weiter
"Aufgrund der damaligen Dringlichkeit der monetären Unterstützungsleistungen konnte nicht jeder Fall in gewohnter Genauigkeit geprüft werden", sagte ein RP-Sprecher. Deswegen fänden fortwährend nachgelagerte Prüfungen statt, ob und in welcher Höhe bewilligte Soforthilfen zurückzufordern sind. Bisher sei in rund 2.600 Fällen eine Rückforderung erfolgt.
Das Gesamtvolumen der ausgezahlten Mittel (ohne Berücksichtigung der Rückforderungen) beläuft sich in Kassel auf rund 951,4 Millionen Euro. Bei der Soforthilfe betrage die Summe der möglichen Schäden (ohne Berücksichtigung möglicher Rückzahlungen) rund 12,5 Millionen Euro. Das entspricht etwa 1,3 Prozent des ausgezahlten Geldes, wie das RP darlegte.
110 Verdachtsfälle in Gießen, einer in Darmstadt
In Gießen sind die Fallzahlen geringer, weil dort etwas weniger gefragte Hilfsprogramme behandelt werden, zum Beispiel Überbrückungs- und Neustarthilfen. Dort liegen 110 Betrugsverdachtsfälle vor. Neun Fälle wurden an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet. "Im Rahmen der Corona-Überbrückungshilfen beträgt die Summe der möglichen Schäden rund 2,5 Millionen Euro", teilte ein RP-Sprecher mit.
Beim RP Darmstadt wurde bislang ein Betrugsversuch aktenkundig, wie eine Behördensprecherin mitteilte. Jemand hatte 12.000 Euro beantragt, berichtete sie: "Da der Versuch jedoch aufgefallen ist, erfolgte keine Auszahlung, sondern ein Ablehnungsbescheid, so dass dem Land Hessen kein Schaden entstanden ist."
Bei vorsätzlich oder leichtfertig falschen oder unvollständigen Angaben müssen die Antragstellerinnen und Antragsteller unter anderem mit Strafverfolgung wegen Subventionsbetrugs rechnen.
Flirt-Coach in Frankfurt verurteilt
Es gab auch schon erste Gerichtsverfahren in der Sache. Am Frankfurter Amtsgericht wurde beispielsweise ein Anbieter von Flirt-Seminaren zu einer Geldstrafe von 450 Euro verurteilt. Laut Urteil hatte der geständige, 30 Jahre alte Mann 10.000 Euro Soforthilfe beantragt. Die muss er nun zurückzahlen.