"Schulden haben viele eh schon genug" 2G im Einzelhandel: Branche bangt ums Weihnachtsgeschäft

Ab Montag dürfen in vielen Geschäften nur noch Geimpfte und Genesene einkaufen. Einzelhändler rechnen mit großen Einbußen in der wichtigen Vorweihnachtszeit.
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Sorge ums Weihnachtsgeschäft

Der Gießener Lederwarenhändler Frank Leibold wirkt resigniert. Er hält die neuen Corona-Vorgaben für nicht gerechtfertigt. "Wir machen alles mit, was die Regierung möchte - aber ob wir das vernünftig finden, ist was anderes."
Leibold geht davon aus, dass er durch die 2G-Regel in der sonst verkaufsstärksten Zeit des Jahres ein Drittel weniger Umsatz haben wird. Für die Geschäfte sei das existenzbedrohend, sagt er. "Das finde ich Selbstmord für Deutschland."
"Warum schon wieder der Einzelhandel?"
Einige Händler machten in dieser Zeit sogar die Hälfte ihres Umsatzes, weiß Sven Rohde, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Hessen. Die Branche sei durch die Entscheidung der Politik, 2G auch im Einzelhandel verpflichtend einzuführen, in Aufruhr. "Wir fragen uns, warum schon wieder der Einzelhandel", sagt er.
Dort sei bisher kein verstärktes Infektionsgeschehen festgestellt worden. Rohde vermutet: "Weil es ein gewisses Versagen bei der Impfkampagne gegeben hat, wollen Berlin und Wiesbaden Ungeimpfte erziehen - auf dem Rücken der Wirtschaft."
Einige seien dabei stärker getroffen als andere, bemängelt er. Die Liste mit Geschäften, die von der 2G-Regel ausgenommen sind, sei so groß. "Damit trifft es genau die Innenstadt-relevanten und Inhaber-geführten Läden."
Sorge vor bürokratischem Aufwand
Rohde hätte sich gewünscht, erst einmal den Erfolg einer Maßnahme - 3G am Arbeitsplatz - abzuwarten, bevor weitere Verschärfungen vorgenommen werden. Der Verband unterstütze zwar bei der Kommunikation mit der Kundschaft. Die Kontrolle obliegt aber den Händlern selbst. "Und die fragen sich gerade, wie das gehen soll."
Gilt für Einzelhändler und ihre Mitarbeiter auch 2G?
Gemäß der Arbeitsschutzverordnung gilt für Mitarbeitende im Einzelhandel die 3G-Regelung: Wer nicht geimpft oder genesen ist, muss täglich einen negativen Schnelltest vorweisen können.
Ende der weiteren InformationenWährend kleine Läden häufig nur eine oder zwei Eingangstüren haben, ist das Einrichten von Kontrollen bei großen Geschäften schon komplizierter und aufwendiger.
Robert Balser vom Gießener Arbeitskreis Handel berichtet, dass bei einigen Kollegen die konkrete Ausgestaltung ab Montag noch offen sei. Es gebe derzeit außerdem die Befürchtung vor einem "riesigen bürokratischen Aufwand", wenn das Einhalten der 2G-Regel auch dokumentiert werden müsste. Balser, der selbst Juwelier ist, sagt: "Ich wünsche mir da einen vereinfachten bürokratischen Weg."
Handelsverband kritisiert unterschiedliche Regeln der Länder
Zumindest in dieser Hinsicht gibt der Handelsverband Entwarnung: Es bestehe keine Dokumentationspflicht für die Händler. Auch in der Verordnung der Landesregierung ist davon nichts zu lesen.
An einer anderen Stelle kann Handelsverband-Chef Rohde ebenfalls beruhigen: Die zusätzliche Kontrolle der Lichtbildausweise sei kein Muss, habe das Wirtschaftsministerium auf Nachfrage mitgeteilt.
Trotzdem kritisiert er: "In anderen Bundesländern wie Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein wird der Einzelhandel stichprobenartig kontrolliert. Das wäre auch für uns eine Möglichkeit, Druck von den Mitarbeitenden zu nehmen."
Neue Wirtschaftshilfen gefordert
Als "Bundesland in der Mitte", wie Rohde es formuliert, hätten es hessische Einzelhändler - und Kundinnen und Kunden - ohnehin schwer. "Wenn in Nachbarländern andere Regeln gelten, kann man das irgendwann nicht mehr vermitteln", meint er. "Da würde ich gerne mal die Verantwortlichen einen Tag bei uns ans Telefon setzen und Fragen beantworten lassen."
Um die Einzelhändler zu unterstützen, brauche es neue Wirtschaftshilfen. "Und das bedeutet nicht Kredite. Denn Schulden haben viele eh schon genug."
Die neuen Einzelhandels-Regeln
Ab 5. Dezember gilt 2G im hessischen Einzelhandel. Bei Verstößen müssen Händler und Kunden mit Bußgeldern rechnen. Für Kinder unter sechs Jahren gilt die Regel nicht. Schülerinnen und Schüler müssen ihr Testheft vorlegen. Ausgenommen sind zudem Geschäfte, die der Grundversorgung dienen. Dazu gehören:
- der Lebensmittelhandel einschließlich Direktvermarktung, Wochen- und Spezialmärkte, Getränkemärkte und Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörakustiker, Buchhandlungen, Stellen des Zeitungsverkaufs, Blumenfachgeschäfte, Tierbedarfsmärkte, Futtermittelmärkte, Bau- und Gartenmärkte, Großhandel, Poststellen, Banken, Sparkassen, Tankstellen und Wäschereien