Vor einer Sparkassen-Filiale mit zerstörtem Interieur stehen zwei Personen arbeitend in der Dunkelheit.

Die Zahl der Geldautomaten-Sprengungen in Hessen ist im vergangenen Jahr explodiert. Banken steuern nun dagegen. Das hat aber Folgen für die Kundschaft: Es gibt hier und da keine Kohle mehr in Randzeiten. Die Banken sehen darin das kleinere Übel.

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Kein Zugang zu Geldautomaten: Sparkasse Fulda schließt nachts die Foyers

Vom Geldautomaten ist nur noch die Hülle übrig geblieben.
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Bankkunden in Hessen müssen zunehmend damit rechnen, nachts an Automaten kein Geld mehr zu bekommen. Denn aus Angst vor Automaten-Sprengungen sperren vermehrt Geldinstitute den Zugang zu Automaten in den Vorräumen der Filialen. Geräte, die freizugänglich an Gebäude-Fassaden angebracht sind, sogenannte Outdoor-Automaten, sind davon nicht betroffen.

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Die Sparkasse Fulda etwa kündigte Anfang der Woche an, nun auch die Zugänge in den Nachtstunden zu schließen. Die Selbstbedienungsfoyers werden künftig von 23 Uhr abends bis 6 Uhr morgens dicht gemacht. Auch mit Kunden- oder Kreditkarten werde der Zugang nachts nicht mehr möglich sein, hieß es in einer Mitteilung.

Nicht mal zwei Prozent der Transaktionen nachts

Der eingeschränkte Service ist laut Sparkasse Fulda zumutbar. Denn rein statistisch fänden nicht einmal zwei Prozent der Abhebungen in den Nachtstunden statt. Vor diesem Hintergrund gehe man davon aus, dass die Kundschaft Verständnis zeige, sagt der Vorstandsvorsitzende Uwe Marohn. Die Maßnahme sei mit dem Hessischen Landeskriminalamt (LKA) in Wiesbaden abgestimmt.

Wie sich andere Sparkassen in Hessen verhalten - dazu hat der Sprecher der Finanzgruppe Hessen-Thüringen, Matthias Haupt, in Frankfurt keinen Überblick. Jede der 33 regionalen Sparkassen können als selbstständig wirtschaftendes Unternehmen eigenständig entscheiden, welche Sicherungsmaßnahmen sie für sinnvoll erachte.

Angesichts der hohen Gefahr durch Automaten-Sprengungen seien derzeit viele Geldinstitute dabei, ihre Sicherheitskonzepte zu hinterfragen und anzupassen. "Dieser Prozess hat Fahrt aufgenommen. Das Thema steht bei vielen auf der Tagesordnung ganz oben, um der organisierten Kriminalität etwas entgegenzusetzen", sagte Haupt.

Fallzahlen in 2021 um 90 Prozent gestiegen

Automatensprenger sind in jüngster Zeit wieder verstärkt auf Beutetour. Im Vorjahr wurden laut dem Hessischen Innenministerium 56 Automaten im Bundesland beschädigt oder teilweise vollständig in die Luft gejagt. Dies sei ein Anstieg der Fallzahlen im Vergleich zum Jahr 2020 um rund 90 Prozent.

Die hochprofessionell und arbeitsteilig agierenden Tätergruppen stammen den Angaben zufolge vermehrt aus dem Ausland, speziell aus den Niederlanden. Am stärksten betroffen in Deutschland ist das dort angrenzende Nordrein-Westfalen. Viele Fälle wurden zwar bislang nicht aufgeklärt. Aber den Ermittlern gelingen auch immer wieder Erfolge. So sitzen derzeit 30 Tatverdächtige und Verurteilte in Haft, wie das LKA berichtete.

Millionen-Schäden entstanden

Im laufenden Jahr seien bereits 17 Fälle in Hessen registriert worden, mit einer Beutesumme von 270.000 Euro, so das Ministerium. Zusätzlich sei dabei etwa das Zehnfache der Summe an Sachschäden angefallen. Die meisten Taten ereigneten sich in den Bereichen der Polizeipräsidien Nordhessen (5 Fälle) und Mittelhessen (4 Fälle). Bei den 17 Fällen betrugen Beute und Sachschäden zusammengenommen mehr als drei Millionen Euro. Im Vorjahr seien es mehr als fünf Millionen Euro gewesen, bilanzierte das LKA.

Innenminister Peter Beuth (CDU) erklärte dazu: "Die skrupellosen Täter setzen mittlerweile überwiegend hochgefährliche Festsprengstoffe ein, die ganze Filialen verwüsten und dabei rücksichtslos die Leben von unbeteiligten Dritten, wie Anwohnern und Bankkunden, gefährden."

Allianz gegen Automatensprenger setzt auf Prävention

Um den Kriminellen Paroli zu bieten, gründeten vor kurzem mehr als ein Dutzend Kreditinstitute und das Innenministerium in Wiesbaden eine Allianz. Damit soll die Zahl von Automaten-Sprengungen gesenkt werden, um insbesondere die Gefahr für Menschen weiter zu minimieren, erklärte Minister Beuth.

An Standorten, die als besonders gefährdet gelten, soll die Prävention erhöht werden. Zu den vorbeugenden Maßnahmen zählt eine verbesserte Videoüberwachung. Geldscheine können nach einer Detonation verfärbt oder verklebt werden, um sie unbrauchbar zu machen. Es gebe eine ganze Liste an Vorsichtsmaßnahmen, die man je nach Objekt anwenden kann. Welche Methoden die Banken nutzen, wollen sie nicht verraten.

Eine ganz banale Option ist: Die Vorräume mit den Automaten absperren. Dazu ist in Fuldaer Nachbarschaft auch die Sparkasse Oberhessen übergegangen. Seit Jahresbeginn werden dort zwischen Mitternacht und 5 Uhr die Foyers verriegelt, wie Eric Zimdars von der Sparkasse Oberhessen sagte.

Frankfurter Sparkasse hat Mehrzahl von Foyers mit Automaten geschlossen

Genauso verfährt auch die größte Sparkasse in Hessen, die Frankfurter Sparkasse. Von den 56 Filialen werden in 49 die Foyers zwischen 0 und 5 Uhr geschlossen. Die sieben größten bleiben offen, weil sie an derart stark belebten Orten sind, dass sie für eine Sprengung nicht in Frage kommen, wie Sprecher Bernd Jenne dem hr sagte. Mit den Schließung habe man sukzessive bereits vor Monaten begonnen. Große Proteste der Kundschaft seien ausgeblieben. "Viele nehmen das gar nicht wahr", sagte Jenne.

Geschlossene Glastür zu einer Sparkassenfiliale mit vielen Aushängen und Schildern an der Tür. Im Glas spiegeln sich die fotografierende Person, eine weitere und das Umfeld.

"Der Nachtverschluss ist schnell realisierbar und hat eine gute Wirkung. Ich glaube, dass das vielerorts in Erwägung gezogen wird", sagte der Sprecher der Sparkasse Hessen-Thüringen. Die Sparkasse hat in Hessen 663 Filialen und betreibt 1.763 Geldautomaten.

Das LKA betonte, man werde es den Banden so kompliziert wie möglich machen, an Beute zu gelangen. Der Nachtverschluss sei eine von vielen Hürden, die den Kriminellen den Weg zum Ziel erschwere. "Denn je länger die Tat dauert, desto höher ist das Entdeckungsrisiko", erklärte eine LKA-Sprecherin.

Auch Privatbanken wie die Commerzbank reagieren. "Wir haben bundesweit zusätzliche Sicherungsmaßnahmen in unseren Filialen durchgeführt, um Angreifer abzuschrecken", sagte eine Sprecherin, ohne Details zu nennen. Zudem haben man die Sicherheitskonzepte in den Selbstbedienungszonen (SB-Zonen) erweitert. "An einigen Standorten sind die SB-Zonen nachts geschlossen, die Zeiten sind standortabhängig." Ähnlich geht auch die Deutsche Bank vor. Eine Sprecherin sagte in Frankfurt, mögliche Schließungen würden von Filiale zu Filiale individuell entschieden.

LKA identifiziert mögliche Ziele per Computer

Denn Geldautomat ist nicht gleich Geldautomat - zumindest nicht aus der Sicht der Kriminellen und aus Sicht der Ermittler. Je nach Lage gibt es eine höhere oder niedrigere Wahrscheinlichkeit, dass sie gesprengt und geplündert werden könnten. Abgelegene, aber über Schnellstraßen und Autobahnen gut erreichbare Automaten stehen besonders im Fokus. Auf der Flucht rasen die Täter dann in hochmotorisierten Fahrzeugen mit bis zu 300 km/h davon, wie das LKA beobachtet.

Die Experten beim LKA haben zur Tat-Prävention unter anderem ein Risikoanalysetool entwickelt. Damit wollen sie für einzelne Automaten prognostizieren können, wie groß die Wahrscheinlichkeit einer Sprengung ist. Dafür haben die Banken wichtige Daten zu den Standorten und der Sicherheitstechnik geliefert. Diese Prognosesoftware haben Ermittler bereits im Kampf gegen Einbrüche angewendet und sehr gute Erfahrungen damit gemacht, wie es aus Wiesbaden heißt.

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