Kontokündigungen, zahlreiche Beschwerden, viel Bürokratie: Ein Urteil des Bundesgerichtshofs hat für Banken und ihre Kunden weitreichende Folgen. Verbraucherschützer bemängeln zu wenig Transparenz bei den Finanzinstituten.

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Zwei Jahre nach dem BGH-Urteil zu Kontogebühren

Die Frankfurter Skyline mit der Ignatz-Bubis-Brücke davor, von der Flößerbrücke aus gesehen
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Vor genau zwei Jahren sorgte der Bundesgerichtshof (BGH) in der Bankenbranche für ein Beben. Die Richter urteilten am 27. April 2021, Geldhäuser könnten Gebühren nur dann einführen, wenn Kunden diesen ausdrücklich zugestimmt hätten. Deren Nichtstun oder Schweigen könnten Banken dagegen nicht, wie es jahrelang gängige Praxis war, als Zustimmung deuten. Wenn sie Gebühren derart und somit unrechtmäßig eingeführt hätten, müssten sie diese an ihre Kunden zurückzahlen.

Zwei Jahre nach dem Urteil sieht zumindest der Bundesverband deutscher Banken kein Problem mehr. Kürzlich beteuerte dessen Präsident, der Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing, die Banken leisteten den höchstrichterlichen Vorgaben selbstverständlich Folge. "Wenn die Kunden Ansprüche geltend machen, müssen die Banken zwar erst mal prüfen, ob diese gerechtfertigt sind", sagte Sewing. Aber natürlich hätten sie schon Geld zurückgezahlt.  

Banken ließen sich Zeit

Wie viel, geben allerdings die wenigsten Finanzinstitute preis. Die Nassauische Sparkasse aus Wiesbaden teilt immerhin mit, sie habe an die Kunden bisher insgesamt 154.000 Euro an Gebühren ausgezahlt.

Die Commerzbank informiert lediglich, sie habe für dieses Thema rund 40 Millionen Euro zur Seite gelegt. Bei der Deutschen Bank sind es demnach sechs Millionen Euro. Wie viel Geld konkret an die Kunden zurückgeflossen ist, verraten die beiden größten deutschen Privatbanken auf mehrmalige Nachfrage nicht.

Meist bekommen Kunden Gebühren nur dann erstattet, wenn sie von sich aus auf die Banken zugehen. Diese hätten sich teilweise mehrere Monate Zeit gelassen, bis sie auf entsprechende Schreiben reagiert hätten, kritisiert die Frankfurter Verbraucherschützerin Katharina Lawrence. Am Ende sei oft auch nicht viel für die Kunden herausgesprungen. 

Viele Beschwerden bei Finanzaufsicht

"Etliche Verbraucher haben von ihren Banken ein Vergleichsangebot bekommen und sich meist mit kleinen Abfindungssummen zufrieden gegeben", berichtet Lawrence. Im Extremfall habe es für langjährige Bankkunden nur 20 oder 30 Euro gegeben, obwohl ihnen aus Sicht der Verbraucherschützerin viel mehr zugestanden hätte.

Andere Verbraucher wiederum waren gar nicht zufrieden damit, wie ihre Banken das Urteil umsetzten, und haben sich deshalb an die Finanzaufsicht Bafin gewendet. "In den vergangenen zwei Jahren sind bei uns allein zu diesem Thema rund 2.300 Beschwerden eingegangen", sagt Bafin-Sprecherin Anja Schuchhardt. Vor allem 2021 und 2022 hätten sich viele Verbraucher gemeldet, dieses Jahr seien es bisher weniger. 

Bafin ermahnte Banken ungewöhnlich deutlich

Die Finanzaufsicht verpasste den Geldhäusern zwischendurch sogar einen verbalen Tritt vors Schienbein. Im Oktober 2021, ein halbes Jahr nach dem BGH-Urteil, forderte die Behörde in einer für sie ungewöhnlich direkten Art, die Banken sollten die zu Unrecht erhobenen Gebühren umgehend erstatten. Die Bafin erwarte bei der Umsetzung des Urteils Offenheit und Transparenz. Forderungen, denen die Bankenbranche bis heute offensichtlich nicht vollständig nachkommt.

Eine weitere Folge des BGH-Urteils war, dass alle Finanzinstitute ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen von ihren Kunden neu absegnen ließen. Das nutzten sie teilweise, um neue Kontomodelle einzuführen - mit neuen oder höheren Gebühren.

Tausende Konten gekündigt

Dabei habe man Tonnen von Papier verschicken müssen, sagt dazu ein Sprecher der Volksbank Darmstadt. Das sei ganz sicher nicht nachhaltig gewesen und habe die Bank mehrere hunderttausend Euro gekostet. Das sei deshalb besonders bitter, weil viele Kunden, wie man wisse, diese Dokumente gar nicht gelesen, sondern weggeworfen hätten. 

Wenn diese selbst nach mehrmaligem Erinnern ihre Zustimmung verweigert hatten, drohten Geldhäuser ihnen mitunter mit Kündigungen oder setzten diese in die Tat um. So berichtet etwa die Frankfurter Sparkasse von annähernd 4.000 Kündigungen, die Kasseler Sparkasse von rund 1.000. Bei der Nassauischen Sparkasse waren es 350. Auch Kunden der Volksbank Mittelhessen sind davon betroffen. 

Kreditwirtschaft wünscht sich Gesetzesänderung

Zu ihnen zählt Christian Dienstbühl. Ihm sei ein neues Kontomodell angeboten worden, das er nicht habe akzeptieren wollen, erzählt er. Dass ihm die Volksbank daraufhin das Girokonto gekündigt habe, habe ihn trotzdem überrascht.

"Dorthin wird ja monatlich mein Arbeitslohn überwiesen, es gibt regelmäßige Abbuchungen. Jetzt muss ich alle Lastschriften und Daueraufträge umstellen", sagt Dienstbühl. Notgedrungen habe er ein neues Konto bei einer anderen Bank eröffnen müssen, ein immenser Aufwand.

Dienstbühl will die Volksbank Mittelhessen verklagen, weil er für die Kündigung seines Kontos keine rechtliche Grundlage sieht. Die Bank selbst will sich dazu nicht äußern.

Weil das BGH-Urteil auch nach zwei Jahren seine Kreise zieht, würde es der Dachverband Deutsche Kreditwirtschaft am liebsten rückgängig machen und fordert eine entsprechende Gesetzesänderung. Eine repräsentative Umfrage des Internetvergleichsportal Verivox ergab allerdings, dass die Mehrheit der Deutschen diesen Vorschlag ablehnt. 

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