So radikal ist bisher noch kein Geldhaus vorgegangen: Eine kleine Genossenschaftsbank, die Raiffeisenbank im Hochtaunus, trennt sich auf einen Schlag von allen ihren Filialen. Gerade ältere Menschen stellt das vor Herausforderungen.

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Raiffeisenbank im Hochtaunus trennt sich von Filialen

Bankfiliale Kalbach
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Ute Faber ist Kundin bei der Raiffeisenbank im Hochtaunus und sie ist stinksauer. Bisher hat sie alle ihre Geldgeschäfte in deren Filiale in Frankfurt-Kalbach erledigt. Diese soll nun aber in ein paar Wochen schließen. Gerade räumt sie dort ihr Schließfach aus: "Vor allem für ältere Menschen ist es eine Katastrophe, dass es diese Filiale bald nicht mehr geben wird", meint die fast 70-jährige. Und auch die drei anderen Filialen der Bank in Steinbach, Wehrheim und Oberursel machen Ende November dicht.

Denn sie seien nicht rentabel, argumentiert der Vorstandsvorsitzende der Raiffeisenbank Achim Brunner. "Die Filialen wurden pro Stunde vielleicht von zwei Kunden besucht. Sie haben zum Beispiel Geld abgehoben oder überwiesen, mit einem Papierformular", erzählt der Bankenchef.

Es rechne sich für die Genossenschaftsbank nicht, die Standorte den ganzen Tag offen zu halten und dort jeweils zwei, drei Mitarbeiter zu beschäftigten. Die meisten der rund 16.000 Kundinnen und Kunden würden ohnehin längst Online-Banking machen.

Banken stoßen seit Jahren Filialen ab

Mit den Filialschließungen spart das Geldhaus nach eigenen Angaben pro Jahr über eine Million Euro. Und Beratung etwa zur Baufinanzierung oder zur Altersvorsorge können die Kunden weiter bekommen, nämlich in der Zentrale der Bank in Bad Homburg. Dort richte man extra ein Beratungscenter und berate auch per Video.

Die Kunden hätten die Möglichkeit, 52-mal im Jahr an einem beliebigen Geldautomaten kostenfrei Geld abzuheben, danach könne es bis zu 5 Euro pro Abhebung kosten.  

Eine drastische Entscheidung, die in der Bankenbranche aufhorchen lässt. Das Filialsterben an sich ist dort allerdings schon seit Jahren zu beobachten. Nach Angaben der Bundesbank ist die Zahl der Zweigstellen bundesweit in den letzten zwanzig Jahren von über 54.000 auf rund 21.700 zurückgegangen.

Zahlen speziell für Hessen gibt es nicht. Letztlich erlebe man bei den Banken dasselbe wie im Einzelhandel, bei den Buchhändlern oder im Musikgeschäft, meint Joachim Wuermeling, Mitglied im Vorstand der Bundesbank: "Die wirtschaftliche Tätigkeit verlagert sich zunehmend ins Netz."

Vor allem Großbanken setzen den Rotstift an

Online-Banking kristallisiert sich laut Wuermeling als neuer Standard heraus. Die Corona-Pandemie habe den Trend beschleunigt, weil immer mehr Menschen Bankgeschäfte von zuhause erledigt hätten. Weil Filialen immer weniger besucht würden, bescherten sie den Banken zunehmend Verluste, meint Bankenaufseher Wuermeling: "Das wollen die Banken vermeiden und das verlangen wir auch von ihnen." In Folge seien gerade in Pandemiezeiten viele Standorte erst vorübergehend und dann dauerhaft geschlossen worden.

Genauso war es zum Beispiel bei der Commerzbank. Auch deshalb sollen von einst 1.000 Filialen gerade noch 400 übrig bleiben, nicht einmal die Hälfte. Mit den meisten Kunden sei man digital in Kontakt, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme: "Zudem stehen wir Ihnen mit unserem Beratungscenter zur Verfügung, auch abends und am Wochenende." Beratung gebe es telefonisch, per Mail und Video. Damit schließe man die Lücke zwischen Filialen und digitalem Banking.

Das Bankgeschäft lebt von Vertrauen

Weil vor allem die Großbanken sparen müssen, haben sie sich in den letzten Jahren reihenweise von Filialen getrennt, auch die Deutsche Bank. Nun scheint es dort aber ein Umdenken zu geben. So will die Deutsche Bank noch an ihren 400 Standorten und den weiteren 550 der Postbank festhalten. Mit der Begründung, dass man in Deutschland auch in Zukunft flächendeckend präsent bleiben wolle.

Die hier offenbar neu entdeckte Liebe zur Bankfiliale kann Hans-Peter Burghof, Bankenexperte der Universität Hohenheim, nachvollziehen. "Technisch gesehen kann man Bankgeschäfte zwar digital abwickeln, aber oft spielt dabei Vertrauen eine große Rolle", sagt Burghof. Dafür könne es helfen, sich in einer Filiale bei einem Beratungsgespräch persönlich gegenüberzusitzen. Auch ein regionaler Bezug sei von Vorteil.

"Eine pragmatische und kreative Lösung"  

Noch wichtiger scheint die regionale Verwurzelung für Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Damit sie sich von weniger frequentierten Filialen in ländlichen Gebieten nicht trennen müssen, betreiben viele sie mit Konkurrenten. Oder sie eröffnen zusammen neue Filialen.

Eine kreative und pragmatische Lösung, findet Andreas Hackethal, Professor für Finanzen an der Goethe-Universität Frankfurt, denn: "Auf der einen Seite sparen die Institute Geld, auf der anderen Seite können sie für die Kunden weiter vor Ort bleiben."

So arbeiten zum Beispiel die Sparkasse und die Volksbank in Darmstadt bereits eng zusammen. Gerade hat man in Roßdorf, einer südhessischen Gemeinde mit gerade einmal 12.000 Einwohnern, den zehnten Gemeinschaftsstandort aufgemacht.

Die Sparkasse bezeichnet das als Zukunftsmodell, durch das Filialen in ländlichen Regionen wirtschaftlich betrieben werden könnten. Dazu kann die Sparkasse als öffentliches Institut ihren Auftrag weiter erfüllen, nämlich Unternehmen und Menschen auch in der Region mit Finanzdienstleistungen aller Art zu versorgen.

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