Mini-Märkte von tegut

Rund um die Uhr geöffnet, überschaubares Waren-Sortiment, kein Personal: Die Fuldaer Lebensmittelkette Tegut will auch im Rhein-Main-Gebiet mehrere digitale Mini-Supermärkte eröffnen. Ein Handels-Experte hat Zweifel, ob die Rechnung aufgeht.

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Konzept mit Mini-Einkaufsläden soll groß rauskommen

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Schon die äußere Form ist ein Hingucker. So sieht kein gewöhnliches Lebensmittelgeschäft aus. Die langgezogene Holzkonstruktion erinnert an einen Eisenbahnwaggon mit begrüntem Dach. Für das Konzept hat die Handelskette Tegut aus Fulda mehrere Auszeichnungen bekommen - unter anderem den Deutschen Nachhaltigkeitspreis für Design.

Die Gestaltung der neuartigen Lebensmittelläden namens "tegut teo" soll nun mehr Kundschaft ansprechen. Nachdem in Osthessen neun Geschäfte seit November 2020 eröffnet wurden, erklärte die Handelskette die Probephase für erfolgreich beendet. Vor kurzem kündigte Tegut in seiner Jahresbilanz an, in diesem Jahr 20 weitere Shops etablieren zu wollen.

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Tegut

Die Supermarktkette feiert in diesem Jahr ihr 75-jähriges Bestehen, gehört mittlerweile zur Schweizer Migros-Genossenschaft und betreibt mit ihren insgesamt 8.000 Beschäftigten knapp 300 Märkte in Hessen und darüber hinaus. Der Umsatz betrug zuletzt 1,25 Milliarden Euro. Der Anteil der Bio-Lebensmittel am Umsatz liegt vergleichsweise hoch bei mehr als 30 Prozent.
Neben dem teo-Konzept setzt Tegut auf Läden mit dem Namen "Quartier". In Fulda wurde der erste im März 2021 eröffnet. Kunden finden darin frische Trendgerichte und Snacks. In Kürze eröffnen zwei solcher Läden in der Frankfurter Innenstadt und am Flughafen.

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Die neuen teo-Läden sollen im Rhein-Main-Gebiet sowie in Bayern und Baden-Württemberg angesiedelt werden. Tegut verriet nun dem hr, an welchen Orten die ersten Märkte erwartet werden: und zwar in Darmstadt und Hanau, wie Thomas Stäb, Tegut-Leiter für Vertrieb und Expansion, sagte. Auch in Frankfurt und Wiesbaden gebe es Gespräche. Genannt werden auch Städte wie Mainz, Gelnhausen (Main-Kinzig) und Seligenstadt (Offenbach). Vertraglich fixiert sei aber noch nichts.

"Potenzial für hunderte Läden"

Tegut will das Konzept groß in den Lebensmittelmarkt einführen. "Wir glauben, dass es Potenzial für mehrere hundert Standorte in Deutschland hat - gerade im ländlichen Raum, wo Unterversorgung vorhanden ist, oder auch in städtischen Nischen, zum Beispiel in neuen Wohnquartieren", sagte Stäb. Viele Kommunen hätten bereits Interesse geäußert, wollen auch einen teo in ihrem Ort haben. "Es sind schon 200 Standort-Anfragen eingegangen, die wir prüfen."

"tegut teo" - das ist ein Kleinflächen-Konzept: Auf 50 Quadratmetern werden 950 Artikel angeboten. Zum Vergleich: Ein gewöhnlicher Supermarkt hat mehr als 20.000 Artikel. Dennoch erhebt das Unternehmen den Anspruch, in den Mini-Märkten eine Vollversorgung zu bieten und den täglichen Bedarf bedienen zu können. Und die Preise seien nicht auf Tankstellen-Niveau.

Großes Sortiment auf kleinen Raum - wenig Auswahl

Es gibt tatsächlich ein ordentliches Sortiment, auch frische Produkte, auf kleinem Raum, wie bei einem Test-Besuch deutlich wurde. Auf den kurzen Wegen verringert sich auch die Einkaufszeit, wenn nur ein paar Artikel benötigt werden. Die Auswahl ist aber natürlich überschaubar in den Produkt-Kategorien.

Von Vorteil ist aber: teos sind rund um die Uhr geöffnet. Einkaufen ist auch dann möglich, wenn normale Läden geschlossen haben - etwa spätabends und sonntags.

Kein Personal und rund um die Uhr geöffnet

Und so funktioniert der Einkauf: Wer sich in einer App mit seinen persönlichen Daten registriert hat, kann am Eingang die Tür an einem Scanner öffnen. Der Laden verzichtet auf Kassen-Personal. Kunden bedienen sich wie üblich selbst aus den Regalen in dem videoüberwachten Geschäft. Beim Bezahlen scannt man die Artikel am Barcode selbst ein und zahlt per App oder Karte.

Mini-Märkte von tegut

Handels-Experte Gerrit Heinemann beobachtet die Branche. Er ist Wirtschaftswissenschaftler und Professor für BWL, Management und Handel an der Hochschule Niederrhein (Mönchengladbach). Heinemann zählt Tegut zu einer Gruppe experimentierender Handelsketten. "Tegut zeigt Innovationsfreude - das ist gut", kommentierte er auf hr-Nachfrage.

Konkurrenz online und mit Lieferdiensten unterwegs

Auch Konkurrenten wie Rewe und Edeka sind aktiv mit neuen Konzepten. Sie befassten sich aber intensiver mit Online-Handel und Lieferdiensten, gab Heinemann zu bedenken. Selbstbedienungsläden kenne man aus der Schweiz, etwa vom Handelskonzern Migros, zu dem Tegut gehört.

In London hat Aldi einen Versuch mit einem Markt ohne Kassen-Personal gestartet. Die Schwarz-Gruppe, zu der Lidl und Kaufland gehören, hat Entwicklungsprojekte zu Mini-Shops begonnen ("Shop Box" und "Collect Box"). Edeka hat sich schon an automatisierten Tiny-Stores probiert. In Köln testet Rewe den "europaweit ersten autonom fahrenden Kiosk" auf einem Gewerbe-Campus und hat auch "Pick+Go"-Märkte mit bis zu 1.500 Artikel. Und Amazon mischt natürlich auch mit - es ist eine Menge los im Handel.

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Dass Tegut in den "teos" auf Personal verzichtet, findet Heinemann folgerichtig. "Kassen-Personal verursacht die größten Kosten. Deswegen macht es Sinn, in die Automatisierung zu gehen." Mirko Kremer von der Frankfurt School of Finance and Management bezeichnete das Tegut-Modell auf Nachfrage als "absolut zukunftsweisend".

Das teo-Modell bietet sich nach Heinemanns Ansicht in Städten am ehesten an. "Es gibt sicher auch Bedarf in ländlichen Regionen. Aber dort muss der Händler für relativ wenige Artikel weite Distanzen beim Liefern überbrücken. Die Logistikkosten werden vielen dieser Läden einen Strich durch die Rechnung machen. Dieses Problem wird die größte Herausforderung für solche Konzepte." Tegut erklärte, dass das Warensortiment täglich aufgefüllt werden muss.

Kritik: "Klecker-Kram" statt Umsatz-Bringer

Heinemann sieht durchaus unternehmerische Risiken: "Erfahrungen im Handel zeigen: je kleinflächiger das Format, desto weniger rentabel. Es muss sich ja rechnen." Und diesbezüglich gibt Heinemann keine gute Prognose: "Dieses Konzept ist betriebswirtschaftlich gesehen wohl eher Klecker-Kram, weil damit nicht die nötigen Umsätze erzielt werden können, um ein großes Handelsunternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen."

"Man braucht Dutzende dieser Läden, um den Umsatz eines normalen Supermarkts zu machen. Zumal ein durchschnittlicher Einkauf dort wahrscheinlich unter zehn Euro liegt, weil Kunden nur Kleinigkeiten kaufen", sagte Heinemann. Aber es sei zumindest einen Versuch wert, das Konzept in größerem Maßstab zu testen. Tegut machte auf hr-Anfrage keine Angaben zu Umsatzzahlen und der Rentabilität der neuen teos.

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