Hessens Finanzminister Boddenberg ruft wegen einer umstrittenen Beteiligung in Russland den Aufsichtsrat des Flughafenbetreibers Fraport zusammen. Im Landtag wollen FDP und Linke wissen, ob ein Verstoß gegen Sanktionen oder Völkerstrafrecht vorliegt.

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Fraport-Sondersitzung zur umstrittenen Flughafenbeteiligung in Russland

Hinweisschild "Abflüge" am Flughafen Pulkovo in St. Petersburg
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Außerplanmäßig und mit nur einem einzigen Tagesordnungspunkt: Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) hat den Fraport-Aufsichtsrat nach hr Informationen für den 9. Mai einberufen. Brisantes Thema: die umstrittene Beteiligung von Fraport am Flughafen Pulkovo in Russlands zweitgrößter Stadt St. Petersburg. Das Land Hessen ist zusammen mit der Stadt Frankfurt Mehrheitseigner des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport, Boddenberg deshalb oberster Kontrolleur der Aktiengesellschaft.

Welchen Vorschlag Boddenberg dem Kontrollgremium konkret unterbreiten wird, ist nicht bekannt, in der Regel werden die Beschlussvorlagen den Mitgliedern erst kurz vor Beginn der Sitzung vorgelegt. Aber der Druck auf den Fraport-Vorstand und Boddenberg steigt. Zwar betont Vorstandsvorsitzender Stefan Schulte seit Beginn des Krieges in der Ukraine, das Engagement in St. Petersburg in Russland ruhe. Bisher will sich das Unternehmen also nicht von seinem Anteil trennen, sagt es würde viel Geld verlieren. Doch es tauchen immer neue Informationen und Fragen auf, die politische und moralische Zweifel an dem Investment laut werden lassen.

Hinweise auf militärische Nutzung im Internet

Bereits am Mittwoch dieser Woche wollen FDP und Linke im Haushaltsausschuss im Landtag wissen, welche Informationen Boddenberg über die Nutzung des Flughafens durch russisches Militär hat. Noch Ende März hatte der CDU-Politiker den Abgeordneten gesagt, ihm lägen keine Informationen über eine militärische Nutzung Pulkovos vor.

Kurz darauf berichtete der hr, dass der Flughafen über eine Kommandantur des russischen Verteidigungsministeriums verfügt - eine Information, die auf der Website des Flughafens nachgelesen werden kann. Ebenfalls ließen sich zahlreiche Belege für Starts und Landungen militärisch genutzter Maschinen auf dem Flugportal "Flightradar24" finden. Weitere Hinweise ergaben sich durch Fotos von Militärtransportern in Pulkovo, gesammelt und ins Netz gestellt von so genannten Plane-Spottern, also Menschen, die hobbymäßig Flugzeuge beobachten.

Flughafen Pulkovo in St. Petersburg

Bundesregierung prüft, ob es eine militärische Nutzung gibt

Die Fraport will erst durch den hr Bericht von der Kommandantur erfahren haben. Fraport-Vorstandschef Schulte meldete sich als Erklärung damit zu Wort, dass die Kommandantur für "zivile Flüge" russischer Militärangehöriger genutzt würde. Außerdem könne jeder Flughafen grundsätzlich militärisch genutzt werden.

Chefkontrolleur Boddenberg ließ hierzu bei der Bundesregierung anfragen, ob sie Kenntnisse über eine militärische Nutzung des Flughafens Pulkovo hat. Diese Prüfung läuft noch, eine Antwort steht noch aus. "Die Beteiligungsverwaltung befindet sich nach wie vor im Austausch mit dem Bund, insbesondere dem Auswärtigen Amt", so das Finanzministerium auf hr-Anfrage.

"Spiel auf Zeit" oder "Verstoß gegen Völkerstrafrecht"?

Die haushaltspolitische Sprecherin der Landtags-FDP, Marion Schardt-Sauer, vermutet hinter der Prüfung ein "Spiel auf Zeit" und vermutet nach eigenen Angaben, Boddenberg wolle das Russland-Geschäft der Fraport so über ein Ende des Krieges in der Ukraine hinaus retten. Die FDP will deshalb wissen, ob Fraport möglicherweise durch die Beteiligung gegen das jüngste Sanktionspaket der Europäischen Union (EU), das Anfang April in Kraft getreten ist, verstößt.

Ein mögliches Indiz: Am Flughafen Pulkovo ist neben Fraport auch die russische Staatsbank VTB beteiligt. Finanzgeschäfte mit der VTB verstoßen aber offiziell gegen das EU-Sanktionspaket, auch in den USA sind sie verboten. Nach einem Bericht auf tagesschau.de hat aber die Fraport ihre Anteile an der Gesellschaft, die den Flughafen Pulkovo betreibt (Northern Capital Gateway), an genau diese umstrittene russische Staatsbank verpfändet. Die Fraport legt Wert auf die Feststellung, dass sie die Sanktionen gegen Russland fortlaufend analysiert, "um deren Einhaltung sicherzustellen".

Auch die Partei Die Linke erwartet im Haushaltsausschuss am Mittwoch Antworten von Finanzminister Boddenberg. Sie will wissen, welche Maßnahmen Fraport ergriffen hat, um eine Beteiligung des Flughafens in St. Petersburg am Angriffskrieg gegen die Ukraine auszuschließen. Für die Fraktion der Linken steht hier der Verdacht im Raum, dass sich hinter der Beteiligung in St. Petersburg ein Verstoß gegen das Völkerstrafrecht verbergen könnte.

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