Ein brachliegendes Grundstück zwischen mehreren neu gebauten Wohnhäusern.

Ein Ehepaar kauft sich in Eltville ein Baugrundstück. Doch der Traum vom eigenen Haus droht zu platzen – an unerwarteten Forderungen der Bauaufsicht und offenbar überforderten Nachbarn. Die Stadt wehrt sich.

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Streit um Baugenehmigung

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Für Larissa Baum und Maximilian Schwarz hätte 2020 eigentlich ein Traum in Erfüllung gehen sollen: Sie wollten sich eine eigene Doppelhaushälfte im idyllischen Eltville (Rheingau-Taunus) bauen. Dafür kauften sie von der Stadt ein Baugrundstück im Ortsteil Erbach. Doch als sie ihren Bauantrag bei der Bauaufsicht in Bad Schwalbach einreichten, verweigerte die die Genehmigung. Der Grund: Es fehle die nötige Zustimmung der Nachbarn.

Das Grundstück des Ehepaars ist zwar im Bebauungsplan der Stadt Eltville für Doppelhaushälften ausgewiesen, es fehlt allerdings eine sogenannte Baulinie. Sie kann zum Beispiel anzeigen, wo genau die Grenze zwischen zwei geplanten Doppelhaushälften zu verlaufen hat. Wäre eine Baulinie eingezeichnet, müsste man darauf bauen.

Da diese Linie fehlt, verlangt die Bauaufsicht des Rheingau-Taunus-Kreises die Zustimmung des Nachbars, dass auf der Grenze seines Grundstücks gebaut wird. Eine Bedingung, die dem Paar vorher nicht bewusst war.

Ehepaar fühlt sich von der Stadt getäuscht

Ein Mann und eine Frau stehen mit ernsten Gesichtern auf einer Baustelle.

Das Ehepaar Baum und Schwarz wirft der Stadt Eltville vor, sie nicht vor dem Kauf auf die Bedingung hingewiesen zu haben. "Im Kaufvertrag steht, dass der Grundbesitz neu vermessen wurde und bebaubar ist", sagt Maximilian Schwarz.

Seine Frau ergänzt: "Wir hätten unter keinen Umständen ein Grundstück gekauft, das nur bebaut werden kann, wenn der Nachbar uns die Zustimmung gibt. Dieses Risiko wären wir nicht eingegangen."

Mehrere Einigungsversuche gescheitert

Sie seien sofort auf die Nachbarn zugegangen und hätten das Problem geschildert, erklärt Baum. "Sie hatten zu diesem Zeitpunkt aber nicht vor zu bauen, weshalb es für sie überfordernd war, sich damit auseinanderzusetzen." Die Nachbarn seien nicht dazu bereit gewesen, ihnen die Zustimmung zum Bau zu erteilen. Seitdem liegt das Grundstück brach.

Es folgten mehrere Versuche, den Konflikt zu lösen: "Wir haben der Stadt Eltville Einigungsvorschläge gemacht", beteuert Larissa Baum. "Am Ende sind alle daran gescheitert, dass die Stadt sich nicht für das Problem verantwortlich gesehen hat und sich nicht so an den Kosten beteiligen wollte, dass das uns ansatzweise geholfen hätte."

Stadt Eltville weist Vorwürfe zurück

Die Stadt Eltville widerspricht der Darstellung des Ehepaars. Bürgermeister Patrick Kunkel (CDU) teilte auf hr-Anfrage mit, in dem betroffenen Neubaugebiet seien fast alle Grundstücke vollständig und problemlos bebaut worden.

Man habe den Eheleuten bereits im November 2020 angeboten, das Grundstück gegen ein gleichwertiges Grundstück zu tauschen sowie die Hälfte des entstandenen Schadens zu übernehmen. Das lehnte das Paar aber ab. Larissa Baum sagt, ein Grundstückstausch hätte zu viel gekostet - Notarkosten, Grundbucheintragungen und Grunderwerbssteuer.

Paar zieht vor Gericht

Das Ehepaar sah nach mehreren gescheiterten Versuchen der Einigung keine andere Möglichkeit als eine Klage gegen die Stadt Eltville vor dem Landgericht Wiesbaden. "Wir fühlen uns von der Stadt arglistig getäuscht, weil sie uns ein rechtlich unbebaubares Grundstück verkauft hat, bei dem sie vorgibt, es sei bebaubar."

Die Stadt hätte nach Ansicht von Baum und Schwarz klar kommunizieren müssen, dass die Unterschrift der Nachbarn für den Bau der Doppelhaushälfte nötig ist.

Baurechts-Experte: Keine Zustimmung des Nachbarn nötig

Gero M. Wähner, Fachanwalt für Baurecht aus Frankfurt, hat sich auf hr-Anfrage den Bebauungsplan angesehen. Er sieht den Fehler nicht bei der Stadt Eltville, sondern bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde. "Aus meiner Sicht war eine Zurückweisung des Baugesuchs nicht in Ordnung, denn man benötigt hier keine Zustimmung des Nachbarn."

Gemäß dem Bebauungsplan dürfe direkt an die Grundstücksgrenze gebaut werden. "Es gibt keine andere Möglichkeit als direkt auf die Grenze zu bauen im Sinne eines Doppelhauses", erklärt Wähner. Aus Sicht des Juristen hätte das Ehepaar frühzeitig Widerspruch gegen die Zurückweisung des Bauantrags einlegen können.

Die zuständige Bauaufsicht des Rheingau-Taunus-Kreises bekräftigt allerdings auf Anfrage, dass aus ihrer Sicht die Zustimmung des Nachbarn für den Bau notwendig ist. In einer Stellungnahme heißt es außerdem, der Rechtsstreit betreffe die Stadt Eltville. Der Kreis werde den Ausgang des Gerichtsverfahrens abwarten.

Traum vom Eigenheim vorerst geplatzt

Für das Ehepaar Baum und Schwarz ist die Situation nun verfahren. "Ein riesengroßer Traum ist geplatzt", klagt Larissa Baum. "Die ganze Lebensplanung ist auf Eis gelegt." Neben dem Kredit für das unbebaute Grundstück müsse das Paar nun weiter die Miete zahlen.

Dazu kämen noch die hohen Kosten für den Baustopp und den Rechtsstreit. "Wir müssen gucken, dass wir die monatlichen Kosten irgendwie bezahlt bekommen - und es ist kein Ende in Sicht."

Für Baum und Schwarz ist der Streit zermürbend: Ob sie überhaupt noch einmal versuchen werden, ein Haus zu bauen, ist offen. "Die Baupreise sind explodiert, die Zinsen sind extrem gestiegen", erläutert Larissa Baum. "Ohne großen Schadenersatz können wir es uns überhaupt nicht mehr leisten, zu bauen."

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