8.000 Tonnen kontaminiertes Material So läuft der Rückbau des Atomkraftwerks Biblis

Seit fünf Jahren wird das Atomkraftwerk in Biblis Stück für Stück zurückgebaut. Läuft alles nach Plan? Ein hr-Team konnte nun einen exklusiven Blick in das Innere des Kraftwerks werfen.
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Stand Rückbau AKW Biblis – ein Ortsbesuch

Die markante Silhouette mit den beiden Kuppeln und den zylinderförmigen Kühltürmen ist noch immer weithin sichtbar. Von außen sieht man dem stillgelegten Atomkraftwerk im südhessischen Biblis (Bergstraße) nicht an, dass im Inneren fleißig an seinem Abbau gearbeitet wird.
Fukushima läutete das Ende ein
Die Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima im März 2011 hatte jäh das Ende der Atomkraft in Deutschland eingeläutet. Schon wenige Monate später erlosch nach gut 35 Jahren die Betriebserlaubnis für das Kernkraftwerk in Biblis. Unmittelbar danach begann der Rückbau.
Exklusiv schaute jetzt ein Team des Hessischen Rundfunks hinter die Kulissen der Ruine, um sich einen Eindruck vom Fortschritt der Arbeiten zu machen. Stück für Stück werden dort nach einem streng festgelegten Plan etwa Leitungen und Rohrverkleidungen zerlegt. "Wir schaffen vor Ort Platz, um die Rückbaufabrik weiter aufzubauen", erläutert der Sprecher der Betreiberfirma RWE, Alexander Scholl.
Der Abbauprozess wird mit der Zeit beschleunigt
Systeme werden stillgelegt und Räume geleert, um neue Technik einzubringen, die wiederum hilft, den Abbauprozess zu beschleunigen. Strahlanlagen, Ultraschallbäder, Kabelschredder – all das nimmt den Raum der bisherigen Kraftwerkstechnik ein. Dadurch wirkt zwar alles noch so voll wie vor zwei Jahren, als das hr-Team schon einmal vor Ort war. Doch der Eindruck täuscht.
"Wir haben jetzt schon viel Technik vor Ort, somit steigt die Rückbauleistung stetig an", erklärt Scholl. Ein wichtiges Kernstück ist ein Messgerät, das die Strahlung misst, die etwa von zersägten Rohren oder zerschnittenen Kabeln ausgeht.
Unbelastetes Material geht zurück in den Wertstoffkreislauf
Liegt die Belastung unter einem Wert von 10 Mikrosievert pro Jahr, kann das Material in den Wertstoffkreislauf zurückgegeben werden. Dieser Wert gilt als unbedenklich. Laut Umweltministerium ist man im Alltag oft weit höheren Strahlungsdosen ausgesetzt, etwa bei Langstreckenflügen oder Röntgenuntersuchungen.

Einige Materialien sind trotz Freimessung Sondermüll und müssten auf einer entsprechenden Deponie entsorgt werden. Doch bislang hat sich keine Deponie gefunden, die den Schutt aus Biblis nehmen will. Kritiker halten den Grenzwert für zu hoch angesetzt.
Stärker kontaminierte Teile kommen zunächst ins angrenzende Zwischenlager und sollen später in das Endlager Schacht Konrad im niedersächsischen Salzgitter gebracht werden. Dessen Fertigstellung wird derzeit für 2027 erwartet. Die Brennstäbe wurden bereits 2019 in das Zwischenlager gebracht.
Zwei Dampferzeuger schon komplett entfernt
Seit dem letzten Besuch vor zwei Jahren ist man ein ordentliches Stück vorangekommen, wie Scholl betont. "Im Block A haben wir zwei von vier Dampferzeugern schon komplett entfernt." Von den anderen beiden sei nur noch ein Teil vorhanden.
Einfach abreißen lässt sich ein Atomkraftwerk freilich nicht, obwohl der allergrößte Teil gar nicht oder nur gering radioaktiv belastet ist - laut Umweltministerium nämlich 98 Prozent. Für die Kraftwerksblöcke Biblis A und B geht die Behörde von insgesamt 340.000 Tonnen Material aus, von den die Gebäude den Großteil ausmachen.
Ein geringer Teil muss dekontaminiert werden
Nur knapp 8.000 Tonnen, so schätzt das Ministerium, müssen dekontaminiert werden. Die Vorgaben dafür sind streng. Auch das hr-Team, das während der Besichtigung in Schutzanzügen steckt, musste erst auf mögliche Strahlung hin freigetestet werden, ehe es das Gebäude verlassen durfte.
Viele der mit dem Rückbau beschäftigten Fachleute waren schon beim Bau und Betrieb des Atomkraftwerks dabei. "Die meisten RWE-Mitabeiter hier kennen die Anlage noch im Leistungsbetrieb", sagt Scholl. Inzwischen kämen aber auch zunehmend Partnerfirmen hinzu.
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Im Innern des Atomkraftwerks Biblis

Bei einem Drittel angelangt
Rein zeitlich ist das Kraftwerk nun zu einem Drittel abgebaut. Die 2017 begonnenen Arbeiten sollen in zehn Jahren abgeschlossen sein. "Wenn dann nachgewiesen ist, dass keine Radioaktivität mehr drin ist, erfolgt die Entlassung der Anlage aus dem Atomgesetz", erklärt Scholl.
Die markanten Kuppeln werden dann noch immer stehen. Was mit ihnen passiert, ist ungewiss. Vielleicht werden sie abgerissen. Vielleicht findet sich für sie auch eine neue Nutzung. Aber bis dahin ist ja noch etwas Zeit.