Zwischen Spargel- und Rübenfeldern im Bildvordergrund (unscharf) eine Erdöl-Pumpe im Bildhintergrund (scharf).

Seit einigen Jahren wird in Hessen wieder Erdöl gefördert - und zwar nicht irgendwelches: Das Öl aus dem südhessischen Ried ist besonders rein und wertvoll. Deswegen sucht die Betreiberfirma nach weiteren Vorkommen.

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Weitere Erdöl-Bohrungen im südhessischen Ried

Eine Erdöl-Probe aus der Förderanlage "Schwarzbach 1" in Riedstadt
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Inmitten von Spargel- und Rübenfeldern liegt der Riedstädter Ortsteil Goddelau (Groß-Gerau). Wenig unterscheidet die 6.500-Seelen-Gemeinde von anderen Orten im südhessischen Ried: eine Tankstelle am Ortseingang, ein mehr oder minder ansehnlicher Ortskern, ein bisschen Gewerbe am Rand. Doch schaut man genauer hin, finden sich viele kleine Besonderheiten: Der Schriftsteller Georg Büchner erblickte hier 1813 das Licht der Welt, der angrenzende Altrhein mit dem Naturpark Kühkopf zieht viele Tagesausflügler an, und auch die psychiatrische Klinik ist zumindest regional bekannt.

Doch eine Sache macht Goddelau hessenweit einzigartig: Hier gibt es die einzige aktive Erdöl-Quelle im Land, rund 100.000 Liter des "schwarzen Golds" werden dort pro Woche aus dem Boden gepumpt. Und demnächst sollen es noch mehr werden, denn die Betreiberforma Rhein Petroleum bereitet derzeit drei neue Bohrungen vor.

Weitere Bohrungen bis in 1.700 Meter Tiefe

Ende Mai haben die Vorbereitungen ganz in der Nähe der bereits aktiven Quelle "Schwarzbach 1" begonnen, derzeit wird der Untergrund für die Bohrungen vorbereitet. Im Herbst soll es dann losgehen, wie Rhein Petroleum mitteilte. Mit einem 40 Meter hohen Turm soll dann bis in 1.700 Meter Tiefe nach Öl gebohrt werden.

Mit dem Krieg in der Ukraine und möglichen Erdöl-Engpässen haben die Bohrungen allerdings nichts zu tun. Die Genehmigungsverfahren dafür seien schon vor Jahren angestoßen worden. Außerdem sei das hessische Öl viel zu schade, um an Tankstellen oder in Heizungstanks zu landen.

Besonders reines Erdöl

Denn das "schwarze Gold" aus Goddelau ist ein ganz besonders reines Erdöl und von herausragender Qualität, wie Carsten Reinhold, Geschäftsführer von Rhein Petroleum, erklärt: "Wir nennen es 'Light and Sweet', weil es so gut wie keinen Schwefel und andere Stoffe enthält, die man im Erdöl nicht haben möchte." Es sei deswegen vor allem in der verarbeitenden Kunststoff-Industrie sehr gefragt.

Dort sieht Reinhold auch generell die Zukunft des Erdöls. "Wir sind davon überzeugt, dass Erdöl als reiner Energierohstoff zumindest in Europa in absehbarer Zeit keine Rolle mehr spielen wird. Erdöl ist viel zu schade, um es zu verbrennen oder zu verheizen." Das hessische Öl werde bereits unter anderem zur Produktion von Einwegspritzen, Smartphone-Teilen und Karosserien für Elektroautos genutzt.

Erdölförderung im Ried hat lange Tradition

Die Erdölgewinnung in Südhessen hat indes eine lange Tradition. Schon 1952 begann im Ried die kommerzielle Förderung, bis 1994 wurden aus 47 Bohrungen knapp sieben Millionen Barrel an die Oberfläche geholt, das entspricht rund 1,1 Milliarden Litern. Noch heute zeugt eine der ikonischen Pferdekopf-Pumpen am Kühkopf von dieser Zeit.

Bereits in den 1950er Jahren wurde in Riedstadt Erdöl gefördert.

Nach 1994 wurde die Förderung von Erdöl aus wirtschaftlichen Gründen zunächst eingestellt: Der Preis war so niedrig, dass es sich einfach nicht mehr gelohnt hat. Seit 2016 wird an der Förderstelle "Schwarzbach 1" aber wieder nach Öl gebohrt, seit 2018 fließt es wieder dauerhaft.

"Die Erdölförderung gehört einfach zum hessischen Ried und ist vor allem bei den älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern noch immer sehr präsent", sagt der Bürgermeister von Riedstadt, Marcus Kretschmann (CDU), im Gespräch mit dem hr. Seitdem wieder gefördert werde, sei auch das Interesse bei der jüngeren Generation gestiegen.

Keine Garantie auf weiteres Öl

Nach "Schwarzbach 1" folgen nun die Bohrungen "Schwarzbach 2 - 4". Ob aus den neuen Löchern am Ende auch wirklich Erdöl fließt, ist aber noch unklar. Zwar hat sich das Unternehmen vorher mittels Schallwellen ein grobes Bild von den Beschaffenheiten in der Tiefe gemacht, ein Restrisiko bleibt dennoch.

"Der Bergmann sagt immer: 'Vor der Hacke ist es duster'. Wir wissen also nicht, wie es dort unten im Detail aussieht. Das ist das Berufsrisiko", so Reinhold. Aber mit etwas Glück sprudeln bald hunderttausende weitere Liter Öl der Edelmarke "Light and Sweet" aus dem südhessischen Sandboden - und machen Goddelau endgültig zum Erdöl-Eldorado Hessens.

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hessenschau vom 27.05.2022
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