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Versorger Mainova senkt Tarife für Neukunden - zumindest vorerst

Heizkraftwerk Mitte

Tausende kurzfristig gekündigte Kunden von Billig-Gas- und Stromanbietern fielen in die Grundversorgung der Mainova - zu höheren Tarifen. Das war unzulässig, urteilte ein Gericht. Notgedrungen lenkt die Mainova ein - geht aber gegen die Entscheidung vor.

Der Frankfurter Energieversorger Mainova darf von Neukundinnen und Neukunden in der Grund- oder Ersatzversorgung keine höheren Preise verlangen als von Bestandskundinnen und Bestandskunden. Das hat das Landgericht Frankfurt in einem Eilverfahren beschlossen.

Das Urteil aus der vergangenen Woche wurde erst jetzt öffentlich. Zuerst berichtete das Nachrichtenmagazin Der Spiegel darüber.

Das Unternehmen hatte den sogenannten Tarifsplit zum 3. Januar eingeführt. Neukunden in der Grund- und Ersatzversorgung, die zuvor von Billiganbietern wie Gas.de oder Stromio wegen erhöhter Einkaufspreise kurzfristig nicht mehr beliefert worden waren, mussten danach beispielsweise für Strom 79,88 Cent pro Kilowattstunde zahlen statt der für Bestandskunden veranschlagten 32,61 Cent - das war fast das Zweieinhalbfache.

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Im Februar senkte Mainova den Preis zwar wieder auf 57,70 Cent. Das war dem Gericht aber nicht genug: Die Preise für Neukunden in der Grund- oder Ersatzversorgung dürften nicht abweichen von denen für andere Kunden, heißt es im Gerichtsbeschluss, der dem hr vorliegt. Sollte sich Mainova nicht an die einstweilige Verfügung halten, droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro.

Mainova: "Bärendienst" für die Verbraucher

Gegen den Beschluss will die Mainova Widerspruch einlegen, wie sie am Dienstag mitteilte. Man werde den Vorgaben des Gerichts aber folgen und "die Arbeitspreise der Neukundentarife in der Grund- und Ersatzversorgung auf das Niveau der grundversorgten Bestandskundschaft" anpassen. Sprich: Die teureren Neukunden-Tarife fallen weg.

Die Mainova hält ihr Vorgehen dennoch weiter für zulässig. Schließlich sei das Unternehmen "als zuständiger Grundversorger für die betroffenen Kundinnen und Kunden von Fremdanbietern" eingesprungen. Die zusätzlichen Strommengen müsse die Mainova zu einem hohen Marktpreisniveau nachbeschaffen. Diese Mehrkosten seien auf die Neukunden übertragen worden.

Für die nächsten juristischen Schritte sieht die Mainova "gute Erfolgsaussichten" und verweist auf Entscheidungen in ähnlichen Fällen anderer Landgerichte. Die Rechtsauffassung des Landgerichts Frankfurt komme einem "Bärendienst für die grundversorgten Verbraucherinnen und Verbraucher" gleich, so die Mainova. "Denn damit werden die Risiken, die mit den kurzfristig angelegten Geschäftsmodellen der Energiediscounter einhergehen, auf die Schultern aller Kundinnen und Kunden in der Grundversorgung abgewälzt."

Klagen gegen Tarifsplit in mehreren Bundesländern

Anders sieht das der Ökostromanbieter Lichtblick, der die Klage vor dem Landgericht Frankfurt eingebracht hatte. Man halte die Aufspaltung weder nach deutschem noch nach europäischem Recht für zulässig, sagte Pressesprecher Ralph Kampwirth dem hr. Zudem ließen sich die hohen Preise der Mainova selbst durch die gestiegenen Einkaufspreise für Strom nicht rechtfertigen. Die Entscheidung des Landgerichts sei ein wichtiger Sieg für Verbraucherinnen und Verbraucher und ein gutes Signal für den Wettbewerb.

Der privatwirtschaftliche Versorger war bereits in mehreren Bundesländern wegen des Tarifsplittings - bisher erfolglos - gegen Stadtwerke vorgegangen. Wo genau, wolle man derzeit nicht sagen. Laut dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der deutschlandweit die Interessen der kommunalen Versorgungs- und Entsorgungswirtschaft vertritt, soll es sich dabei um die Landgerichte in Berlin und Leipzig handeln. Zuletzt war die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen vor dem Landgericht Köln mit einem Antrag gegen das Tarifsplitting gescheitert.

In Frankfurt erzielte Lichtblick nun erstmals einen Erfolg. Mainova habe man wegen ihrer Größe und der hohen Preisunterschiede ausgesucht. "Wir schauen, wer besonderen Preiswucher betrieben hat", so Kampwirth.

Verbraucherzentrale zufrieden

Die Verbraucherzentrale Hessen äußerte sich zufrieden über die Entscheidung des Landgerichts. "Es scheint, als wollten Grundversorger wechselwillige Kunden bestrafen, wenn diese nach einem Fehlverhalten ihres Energieversorgers in die Grundversorgung zurückkehren müssen", sagte Vorstandschef Philipp Wendt. Zu einem liberalisierten Energiemarkt gehöre die Möglichkeit für Kunden, ihre Anbieter zu wechseln und Einsparmöglichkeiten zu nutzen. "Das trägt insgesamt zum Wettbewerb und damit zu niedrigeren Preisen bei", sagte Wendt. Erheblich höhere Preise für Neukunden könnten Verbraucher vom Anbieterwechsel abhalten, warnte er.

Wie viele Kundinnen und Kunden durch das Urteil nun von niedrigeren Preise profitieren, wollte der Frankfurter Energieversorger aus Wettbewerbsgründen nicht offenlegen. Allein im vergangenen Dezember musste Mainova durch die Liefereinstellung diverser Mitbewerber 5.000 Gas- und 7.600 Stromkunden in Ersatztarife übernehmen.

Auch Entega und ESWE legen Mehrkosten auf Neukunden um

Nicht nur die Mainova benötigte kurzfristig mehr Energie, um die Versorgung ihrer Kunden - neu wie alt - sicherzustellen. Auch andere hessische Energieversorger mussten plötzlich größere Mengen zu hohen Preisen kaufen und legten diese Mehrkosten auf Neukunden in der Grund- und Ersatzversorgung um.

Der südhessische Anbieter Entega beispielsweise nahm nach eigenen Angaben insgesamt rund 18.000 neue Kundinnen und Kunden in die Grundversorgung auf. Für sie gelten andere Tarife als für Bestandskunden. Diese dürften "unter gar keinen Umständen unter den höchst fragwürdigen Geschäftspraktiken von unseriösen Billiganbietern leiden", teilte Unternehmenssprecher Michael Ortmanns auf Nachfrage mit.

Der Wiesbadener Versorger ESWE gab ebenfalls an, dadurch entstandene Mehrkosten teilweise an neue Kundinnen und Kunden weiterzugeben. Man sehe sich damit auf dem richtigen Weg - auch sozial: Verschiedene Gerichte und Kartellbehörden hätten die Rechtmäßigkeit dieses Preissplittings bestätigt. Außerdem sei so sichergestellt, dass sozial schwache Kunden, die wegen fehlender Zahlungsfähigkeit häufig auf die Grundversorgung angewiesen sind, nicht unter der Preiserhöhung leiden müssten.

Vorwurf: Klagen sollen allgemeine Preiserhöhung erreichen

Lichtblick-Sprecher Ralph Kampwirth schließt weitere Klagen unterdessen nicht aus. "Wir glauben, dass wir eine Sache vorantreiben, die generell für den Energiemarkt und die Verbraucherinnen und Verbraucher sehr sinnvoll und wichtig ist."

Den Vorwurf einzelner Wettbewerber, der Ökostromanbieter wolle mit seinen Klagen letztlich eine allgemeine Preiserhöhung der Grundversorger erzielen und somit am Markt profitieren, weist Kampwirth zurück: "Wir wollen, dass die Stadtwerke sich an die rechtlichen Spielregeln halten. Und die untersagen eine Preisspaltung."

Langfristig brauche es eine Reform des Grundversorgungsmodells, findet Kampwirth: "Regionale Platzhirsche bekommen durch das System jedes Jahr automatisch hunderttausende Kunden zugeschanzt." Vorstellbar sei ein Vorgehen wie in Österreich, wo jedes Unternehmen Grund- und Ersatzversorgung anbieten kann und nicht nur regional ansässige Wettbewerber. Kunden würden den Versorgern dort zugelost.

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