Passagiere am Flughafen Frankfurt

Auch am Frankfurter Flughafen drohen die Sommerferien zu Chaos-Tagen zu werden. Wegen Personalmangels müssen sich Reisende auf lange Wartezeiten oder Flugstreichungen einstellen. Anders als die Bundesregierung hat die Lufthansa wenig Hoffnung auf eine schnelle Besserung.

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Wirtschaftsausschuss beschäftigt sich mit Flughafenchaos

hs
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Lange Schlangen an den Passagierkontrollen, gestrandete Reisende, deren Flüge annuliert wurden, die Flughafenfeuerwehr muss bei der Gepäckausgabe aushelfen - am Flughafen Düsseldorf haben sich am vergangenen Wochenende zum Start der Sommerferien in Nordrhein-Westfalen chaotische Szenen abgespielt.

Die Auswirkungen des Ferienstarts im bevölkerungsreichsten Bundesland waren auch am Flughafen in Frankfurt spürbar: Allein am Sonntag wurden dort fast 190.000 Passagiere abgefertigt und damit fast so viele zu dieser Jahreszeit wie vor der Corona-Pandemie.

In der Woche zuvor seien es am Tag mindestens 10.000 weniger gewesen, teilte Flughafenbetreiber Fraport mit und sprach von "angespanntem Betrieb". Eine Gewitterzelle über dem europäischen Luftraum habe für zusätzliche Probleme gesorgt, das Ergebnis waren Wartezeiten und Flugstreichungen.

Passagiere stehen an Check-In Schalter der jeweiligen Airlines am Flughafen Düsseldorf an. Als erstes Bundesland startet NRW in die Sommerferien.

Lufthansa-Chef entschuldigt sich bei Passagieren

Wie angespannt die Situation am Wochenende war, zeigen zahlreiche Beschwerde-Posts von Reisenden. Auf Twitter etwa schrieb eine Nutzerin, die Schlange am Gepäckband sei lang, überall stünden verwaiste Koffer.

Hier am Gepäckband am Flughafen Frankfurt wird Wasser für die Wartenden ausgegeben. Überall stehen und fahren verwaiste Koffer Rum. Die Schlange bei der Gepäckermittlung ist lang. Leute, nehmt alles, was Ihr wiedersehen wollt, ins Handgepäck.

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Schon seit einigen Wochen deutet sich an: Die deutschen Flughäfen sind nicht vorbereitet auf die Menge der Fluggäste, die es nun nach zwei Corona-Sommern wieder in die Ferne zieht. Dabei haben die Ferien in den meisten Bundesländern noch gar nicht begonnen.

Am Dienstag entschuldigte sich Lufthansa-Chef Carsten Spohr in einem Schreiben an die Passagiere im Namen des Unternehmens dafür, dass nach dem Corona-Einbruch das "Hochfahren des komplexen Luftverkehrssystems von fast Null auf derzeit wieder fast 90 Prozent" nicht zur angestrebten Verlässlichkeit, Pünktlichkeit und Robustheit geführt habe - und räumte ein, dass in einigen Bereichen Personal fehle.

Tausende Beschäftigte fehlen

Weil in der Pandemie viele Mitarbeitende am Flughafen entlassen wurden oder sich neue Stellen gesucht haben, klafft nun eine große Personallücke. Laut der Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) fehlen bundesweit 5.500 Beschäftigte vom Check-in über die Passagierkontrolle bis hin zur Flugzeugabfertigung.

Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft geht sogar von 7.200 fehlenden Fachkräften an deutschen Flughäfen aus. Am Flughafen Frankfurt wurden während der Corona-Krise knapp 4.000 Stellen abgebaut.

In einem weiteren Schreiben an die Belegschaft erklärte Spohr, der Vorstand habe es "an der einen oder anderen Stelle" mit dem Sparen übertrieben. Der Lufthansa-Chef führte dafür den Druck der mehr als 10 Milliarden Euro schweren Verluste in der Corona-Krise an. "Ganz offen gesagt: Es war auch für unsere Führungsmannschaft und mich persönlich die erste zu bewältigende Pandemie", sagte er.

Aufwendige Sicherheitsüberprüfung

Zwar habe man massiv in die Anwerbung neuer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen investiert, sagte der zuständige Lufthansa-Vorstand Detlef Kayser der Zeitung Die Welt. Man habe aber erkannt, dass sich das Personal nicht so schnell wie erhofft aufbauen lasse. Das liege auch an den verschärften branchenspezifischen Sicherheitsüberprüfungen.

Mitarbeitende von Flughäfen und Airlines, die Zugang zu sicherheitsrelevanten Bereichen haben, müssen sich laut Luftsicherheitsgesetz einer aufwendigen Zuverlässigkeitsprüfung unterziehen. Für Hessen prüft das Polizeipräsidium Frankfurt, ob Mitarbeitende etwa wegen Straftaten verurteilt wurden, sich zur demokratischen Grundordnung bekennen, Drogen oder regelmäßig Medikamente nehmen und auch, ob sie Schulden haben.

Bis zu sechs Wochen kann dieser Zuverlässigkeitscheck derzeit dauern. Zu lange für die aktuelle Situation: Bis Ende Juli sind mit Hessen, dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern auch die letzten Bundesländer in die Ferien gestartet - und zwar mehr oder weniger gleichzeitig.

Corona-Infektionen belasten Personalsituation zusätzlich

Dazu kommen derzeit viele Corona-Fälle in der Belegschaft am Frankfurter Flughafen. Zahlen darüber, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktuell wegen einer Infektion ausfallen, lägen nicht genau vor, teilte Betreiber Fraport auf Nachfrage mit. Rechtlich müsse eine Infektion nicht mehr mitgeteilt werden.

"Viele unserer Beschäftigten informieren ihre Führungskräfte aber freiwillig", sagte eine Fraport-Sprecherin. "Daher wissen wir um einen gewissen Anstieg der Corona-Neuinfektionen." Zwar sei dieser aktuell "bei weitem" noch nicht mit früheren Corona-Wellen zu vergleichen. Die Personalausfälle belasteten den Betrieb aber zusätzlich. "Ursprünglich eingeplante Personalpuffer" seien sehr eng, so die Sprecherin.

Ausländische Arbeitskräfte sollen in der Gepäckabfertigung unterstützen

Die Folge: Flüge werden gestrichen. Allein die Lufthansa nimmt im Juli und August knapp 3.000 Verbindungen aus dem Plan, auch Eurowings kündigte hunderte Ausfälle an. Flüge zu reduzieren, sei in der aktuellen Situation der einzige Weg, sagte Lufthansa-Vorstand Kayser der Zeitung Die Welt. Er rechne damit, dass sich die Lage erst 2023 wieder normalisiere. Dabei helfen soll auch eine Reaktivierung der stillgelegten Großflugzeuge vom Typ A380.

Die Bundesregierung scheint dagegen noch an eine Besserung in diesem Sommer zu glauben: Arbeitsminister Hubertus Heil, Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) teilten mit, zur Überbrückung Hilfskräfte aus dem Ausland anwerben zu wollen.

Die Arbeitskräfte sollen befristet für bis zu drei Monate unter anderem aus der Türkei und einigen Balkanstaaten kommen und direkt als Bodenpersonal angestellt werden, wie die ADV erklärte.

Innenministerium stellt zeitnahe Unterstützung in Aussicht

Eine endgültige Entscheidung ist noch in der Abstimmung, das Bundesinnenministerium rechnet aber damit, die angeworbenen Arbeitskräfte noch in den Sommerferien einsetzen zu können. Wegen der geltenden Sicherheitsstandards - Stichwort Zuverlässigkeitsüberprüfung (ZÜP) - und der nötigen Ausbildung sollen sie aber nicht im Sicherheitsbereich eingesetzt werden, sondern beispielsweise bei der Gepäckabfertigung unterstützen.

"Bei der Sicherheit gibt es keine Abstriche", sagte Faeser. Tatsächlich müssen sich auch Mitarbeitende der Gepäckabfertigung einer ZÜP unterziehen. Für sie gelten aber wenige strenge Vorgaben. Das Innenministerium geht von zwei Wochen für eine solche Überprüfung aus.

Verdi: Arbeit am Flughafen muss wieder attraktiv werden

Dass zeitnah eine Lösung gefunden werden muss, zeigt auch der Blick ins europäische Ausland: In Frankreich und Belgien gab es zuletzt Streiks von Mitarbeitenden, unter anderem legte das Personal von Lufthansa-Tochter Brussels Airlines die Arbeit nieder. Auch bei der irischen Airline Ryanair und bei Biritish Airways wurden Streiks angekündigt, um auf die hohe Arbeitsbelastung aufmerksam zu machen.

Daran ist hierzulande auch der Gewerkschaft Verdi gelegen. Einen ersten Erfolg hat sie bereits erzielt: Nach nur zwei Verhandlungsrunden einigten sich die Fraport-Tochter FraGround und Verdi auf bis zu 14 Prozent mehr Lohn ab Juli für die knapp 3.500 Beschäftigten der Flugzeugabfertigung in Frankfurt. Darüber hinaus gibt es eine Einmalzahlung von 700 Euro für die Beschäftigten. "Das ist auch bitter nötig, damit die Arbeitsplätze wieder attraktiv werden", sagte Verdi-Verhandlungsführer Mathias Venema.

Am 30. Juni laufen zudem die Tarifverträge für das Bodenpersonal von Lufthansa aus. Verdi fordert für rund 20.000 Beschäftigte 9,5 Prozent mehr Geld, um die Inflation auszugleichen. Mit einer Gehaltssteigerung könne auch die Suche nach dringend notwendigem zusätzlichen Personal erleichtert werden, teilte die Gewerkschaft vor Beginn der Verhandlungen mit.

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