Ein Flugzeug am leuchtend blauen Himmel, darunter ragen die beleuchteten Hochhäuser der Skyline auf.

Die Luftfahrtbranche soll CO2-neutral werden, doch bis dahin ist es noch ein langer Weg. Ein Start-up will nun grünen Treibstoff im Industriepark in Frankfurt-Höchst herstellen. Bringt das die Wende?

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Start-up will klimafreundliches Kerosin produzieren

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Wie ein überdimensionaler Container sieht die Anlage aus, die Hessen zum "Pionierland" machen soll. Auf dem Gelände des Industrieparks in Frankfurt-Höchst will das Start-up Ineratec klimafreundlichen Treibstoff herstellen.

Genau genommen handelt es sich dabei um ein Vorprodukt, nämlich ein synthetisches Kraftstoffgemisch aus Kohlenwasserstoffen, das in einer Raffinerie gespalten und zu E-Kerosin für Flugzeuge, E-Diesel für Schiffe und zu einem kleineren Teil auch zu E-Benzin für Autos verarbeitet werden soll. Noch steht die Anlage in Form einzelner Module allerdings in Karlsruhe. Im Herbst soll sie nach Frankfurt gebracht werden und die Produktion beginnen.

Als Ausgangsstoff für den grünen Treibstoff werde Wasserstoff benötigt, der im Industriepark als Abfallprodukt reichlich vorhanden sei, erklärt Geschäftsführer Philipp Engelkamp. Dieser reagiere mit Kohlendioxid, das aus einer Biogasanlage kommen soll. Pro Jahr werde Ineratec 3.500 Tonnen Kohlenwasserstoffe für die "E-Fuels" herstellen. "Power-to-Liquid", kurz PtL, nennt sich das Herstellungsverfahren.

Ein Mann in weißem Kittel sperrt einen Container zu.

Die geplante, 30 Millionen Euro teure PtL-Anlage in Frankfurt-Höchst hätte damit die zehnfache Kapazität einer ersten, ebenfalls von Ineratec entwickelten Anlage, die kürzlich im niedersächsischen Werlte in Betrieb ging. Für Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) Grund genug, von einer Vorreiterrolle Hessens beim Klimaschutz im Luftverkehr zu träumen.

2,5 Prozent des CO2-Ausstoßes

Klimaschutz und Fliegen? Aktuell passt das jedenfalls nicht zusammen: Ein einzelner Flug nach Teneriffa gilt als so klimaschädlich wie ein Jahr Autofahren. Laut Umweltbundesamt ist die Luftfahrt für 2,5 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich - Tendenz steigend. Der Dachverband der Fluggesellschaften IATA geht davon aus, dass sich die Passagierzahlen trotz Corona in den kommenden 15 Jahren verdoppeln werden.

Etwa ein Drittel der Klimaschäden des Flugverkehrs lassen sich laut Umweltbundesamt auf den CO2-Ausstoß zurückführen. Beim Verbrennen von E-Kerosin wird zwar ebenfalls Kohlendioxid frei, allerdings nur etwa so viel, wie zuvor bei der Herstellung gebunden wird. Der Treibstoff ist CO2-neutral.

Und er habe einen weiteren Vorteil, erklärt Thomas Heimer, Professor für Innovationsmanagement an der Hochschule Rhein-Main und Mitglied im Expertenrat für Klimafragen. E-Kerosin eigne sich im Gegensatz zu den ebenfalls klimafreundlichen Wasserstoff- und Batterieantrieben auch für die Langstrecke. "Das E-Kerosin passt in dieselben Tanks, die wir heute schon nutzen", sagt Heimer. Es stehe auch nicht in direkter Konkurrenz zu Nahrungsmitteln wie die Biokraftstoffe. Diese will das Bundesumweltministerium deshalb begrenzen.

Bedarf um ein Vielfaches größer

Dabei ist der Bedarf an Alternativen zum schmutzigen Kerosin groß: Bis 2050 will die EU klimaneutral sein. Mehrere Airlines wie die Lufthansa planen, ihre CO2-Emissionen bis 2030 zu halbieren. Die Bundesregierung schreibt ab 2026 eine Beimischquote von 0,5 Prozent "Power-to-Liquid"-Kerosin vor, die bis 2030 auf zwei Prozent und danach voraussichtlich weiter steigen wird.

Ein Mann hält eine Flasche mit einer durchsichtigen Flüssigkeit in der Hand.

Die Produktionsanlage in Frankfurt-Höchst könne bei alledem nur der Anfang sein, sagt Philipp Engelkamp von Ineratec. Selbst wenn ausschließlich E-Kerosin und nicht auch noch E-Diesel oder E-Benzin erzeugt werde, könnte die Pionieranlage nicht einmal 0,1 Prozent des am Frankfurter Flughafen benötigten Kerosins liefern. 10.000 weitere Anlagen werde Ineratec deshalb bis 2035 bauen, hofft Engelkamp, um dann insgesamt fünf Prozent des in Europa verbrauchten Erdöls zu ersetzen.

Strom kommt (noch) aus der Steckdose

Auch wenn sich Frankfurt mit dem Industriepark als Pionierstandort eigne, sieht Engelkamp die Zukunft seiner Firma in südlicheren Ländern. Große Wind- und Solarparks in Spanien oder Portugal produzierten schon jetzt mehr und vor allem günstigere erneuerbare Energie als Deutschland, langfristig seien auch Chile, Kanada oder Neuseeland interessant. Denn das "Power-to-Liquid"-Verfahren verbrauche große Mengen an Energie: grob geschätzt doppelt so viel, wie der Treibstoff am Ende liefere.

Laut einer Studie des hessischen Kompetenzzentrums für Klima- und Lärmschutz im Luftverkehr würde die grüne Herstellung des Kerosins, das in einem Jahr in Deutschland vertankt wird, die komplette Menge des im selben Zeitraum hierzulande erzeugten erneuerbaren Stroms aufbrauchen. Die Anlage in Frankfurt-Höchst hängt daher an der Steckdose. Zugegeben, das sei klimatechnisch nicht optimal, sagt Engelkamp. Aber in Hessen extra einen Windpark zu errichten, hätte das Projekt um Jahre zurückgeworfen.

Das Problem sind die Kosten

Trotz solcher Hürden: Technisch sei das PtL-Verfahren ausgereift, sagt Wirtschaftswissenschaftler Thomas Heimer. In Ländern wie Spanien oder Portugal, die schnell große Mengen an Wasserstoff herstellen könnten, sei es sofort einsetzbar. Die Herausforderung bestehe eher darin, neue Verträge auszuhandeln und dafür zu sorgen, dass die Airlines der EU-Länder trotz aller Vorgaben zum Klimaschutz auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig bleiben, meint Heimer. Drehkreuze könnten sich andernfalls schnell von Frankfurt oder Paris nach Istanbul und London verlagern.

Denn aktuell ist grüner Treibstoff deutlich teurer als fossiles Kerosin. Für fünf Euro pro Liter wurde das E-Kerosin aus der Anlage in Niedersachsen zunächst gehandelt. Philipp Engelkamp hofft, den Produktionspreis langfristig auf einen Euro pro Liter senken zu können. Auch Thomas Heimer glaubt, dass der Preis für grüne Alternativen künftig sogar unter dem für fossiles Kerosin liegen könnte. Die in Folge der Ukraine-Krise gestiegenen Ölpreise würden das ebenso fördern wie eine in der EU diskutierte, schärfere CO2-Abgabe, sagt Heimer. Je nachdem wie viel PtL bis dahin verfügbar sei, werde dieser Punkt 2040 oder schon 2035 erreicht.

Greenpeace: 100 Prozent E-Kerosin - und weniger fliegen

In jedem Fall würden Flüge teurer - und das sei auch gut so, meint Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup. Zwar begrüßt auch die Umweltorganisation die Fortschritte bei der Herstellung von E-Kerosin. Doch Fliegen bleibe eine umweltschädliche Art der Fortbewegung, sagt Austrup.

Zwar könne E-Kerosin das CO2-Problem der Branche voraussichtlich lösen. Doch zwei Drittel der Klimaschäden würden von Feinstaub, Stickoxiden und Kondensstreifen ausgelöst. Und die ließen sich auch mit grünem Kerosin nicht verhindern. Bis 2040 brauche es daher nicht nur 100 Prozent E-Kerosin, fordert Austrup, sondern auch 30 Prozent weniger Flugverkehr.

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