Hilfsprogramm für Greifvogel So soll der Rotmilan in Hessen geschützt werden - auch vor Windrädern
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Land will Rotmilan-Bestand stärken

Windräder werden immer wieder als größter Feind des Rotmilan dargestellt. Dass sich Naturschützer in Hessen um den Greifvogel sorgen, hat aber noch einen anderen Grund. Mit einem speziellen Hilfsprogramm will das Land den Bestand stärken.
Laien dürfte sein Name vor allem aus der Debatte um Windkraftprojekte bekannt sein, für Vogelkundler und Naturschützer ist der Rotmilan viel mehr: das heimliche Wappentier Deutschlands. Hierzulande lebt mehr als die Hälfte des weltweiten Bestandes. Das trifft auf keine andere Brutvogelart zu.
In Hessen sind laut Hessischer Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) immerhin zehn Prozent des deutschen und fünf Prozent des weltweiten Rotmilan-Bestandes zu Hause. Das könnte sich allerdings ändern, fürchten Artenschützer. Lange stand der Greifvogel auf der Roten Liste der gefährdeten Brutvögel.
Die Zahl der Rotmilane schwankt seit Jahrzehnten. Nach Angaben des hessischen Umweltministeriums ist die Population derzeit zwar stabil, in Südhessen sogar wachsend. Gerettet ist der Rotmilan deshalb aber noch lange nicht.
Zahl der Nachkommen sinkt
Dass die Population derzeit nicht sinkt, liegt laut Umweltministerium an der gestiegenen Lebenserwartung der Vögel. Die hängt unter anderem mit dem Klimawandel zusammen: Wegen der milderen Temperaturen ziehen die Greifvögel häufig nicht mehr zum Überwintern nach Süden oder fliegen nur kürzere Strecken. So setzen sie sich weniger Gefahr aus.
Außerdem werden sie außerhalb von Hessen aktiv gefüttert. Das sehen beispielsweise Artenschutzmaßnahmen in Sachsen-Anhalt vor.

Der Bruterfolg sei aber "besorgniserregend". Aktuell brüten rund 1.000 bis 1.300 Paare in Hessen, vor allem im Vogelsberg und der Rhön. Dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in Hessen zufolge hat die Zahl der Nachkommen zuletzt abgenommen. Im Kreis Waldeck-Frankenberg etwa sank sie zwischen 2000 und 2020 von 1,83 Jungvögeln pro Paar auf 1,42.
Landwirtschaft erschwert die Jagd
Woran die Rotmilane hierzulande sterben, ist laut hessischem Umweltministerium nicht systematisch erfasst. Sowohl das Ministerium als auch der Nabu schließen aus den Zahlen aber: Das größte Problem für den Rotmilan-Bestand ist nicht wie häufig behauptet die Sterblichkeit der Altvögel durch beispielsweise Windkraftanlagen, sondern vielmehr die kritische Nahrungsgrundlage im Lebensraum während der Brutzeit.
"Die intensive Landwirtschaft mit Pestiziden und ausgeräumter Landschaft führt dazu, dass zu wenige junge Rotmilane aufwachsen können", erklärt Mark Harthun, Geschäftsführer Naturschutz beim Nabu Hessen.
Der Rotmilan benötigt für seine Jagd offene Landschaften. Die hohe und dichte Bepflanzung von Ackerflächen erschwere ihm die Sicht, so Harthun. Auch der Einsatz von Giften in der Landwirtschaft, etwa Pflanzenschutzmittel und Rodentizide zur Bekämpfung von Nagetieren, sorgt dafür, dass seine Beute weniger wird.
Teilweise kommt es auch zu sogenannten Sekundärvergiftungen, wenn die Vögel vergiftetes Aas fressen. Durch die Forstwirtschaft gebe es außerdem zu wenige alte Bäume im Wald für die Horste der Greifvögel.
Hilfsprogramm soll Rotmilan stärken
Um das zu ändern, hat das Umweltministerium ein Hilfsprogramm für den Rotmilan ins Leben gerufen. Damit nimmt Hessen bundesweit eine Vorreiterrolle ein. Das Programm will gezielt Maßnahmen fördern, die die Population stärken:
- Mit Waldbesitzern sollen Verträge für einen Nutzungsverzicht für Horstbäume und ihr Umfeld geschlossen werden. In den nächsten drei Jahren sollen dadurch 100 Rotmilan-Horste gesichert werden.
- Landwirte sollen Anbauflächen nicht komplett mähen, sondern vertraglich an die sogenannte Staffel-Mahd gebunden sein. Dadurch gibt es neben gemähten Flächen auch ungemähte Bereiche, was dem dem Greifvogel einerseits die Jagd erleichtert. Andererseits entstehen dadurch Rückzugsräume für (Beute-)Tiere.
- Ein landesweites Gutachten von Ende Februar weist zudem konkret neun Gebiete aus, in denen der Lebensraum des Rotmilans aufgewertet werden soll. Windkraftanlagen-Projektierer müssen dort beispielsweise Futterpflanzen und Blühstreifen anbauen und dürfen keine Pestizide verwenden.
- In Phasen, in denen Rotmilane besonders aktiv sind, sollen Windräder zudem abgeschaltet werden. Angaben des Ministeriums zufolge hat Hessen - anders als die meisten anderen Bundesländer - auch ein optisches Vogelerkennungssystem anerkannt: Die Rotorblätter schalten sich automatisch ab, sobald sich ein Vogel nähert.
Nabu: Maßnahmen "ganz entscheidend"
Der Nabu sieht das Hilfsprogramm und die Ausgleichsmaßnahmen als "ganz entscheidend" an, um die Rotmilan-Population in Hessen zu stärken. Es fehle aber noch an einer langfristigen Finanzierung und an Personal, um die Pläne durchzusetzen.
Wenn sie eingehalten und die möglichen Standorte gut geprüft würden, sei grundsätzlich auch der Bau von Windkraftanlagen mit dem Erhalt des Rotmilan vereinbar.