Die Bildkombination zeigt links ein Foto einer Gemüseabteilung eines Supermarktes und rechts das Portrait von Raafa Sabri.

Alles wird seit Monaten teurer: Nahrungsmittel, Sprit, Heizöl. Zuletzt sind die Verbraucherpreise in Hessen um 5,7 Prozent gestiegen, und der Ukraine-Krieg könnte sie weiter nach oben treiben. Vor allem arme Menschen sind massiv betroffen.

Audiobeitrag

Audio

Inflation in Hessen steigt weiter rasant

hs
Ende des Audiobeitrags

Einkaufen geht Raafa Sabri in letzter Zeit gar nicht mehr gerne. "Jedes Mal staune ich, wie teuer alles geworden ist", sagt die 50 Jahre alte Frau aus Wiesbaden. Sie lebt von Grundsicherung und selbst so etwas Banales wie Tomaten kann sie sich mittlerweile kaum noch leisten. Die könne man fast in Gold aufwiegen, scherzt die gebürtige Marokkanerin: "Zum Kochen sind die fast zu wertvoll."

Aktuell gehe sie von einem Discounter zum anderen und vergleiche die Preise, berichtet die alleinerziehende Mutter. Sie lebt mit ihren beiden Töchtern in Wiesbaden in einer kleinen Wohnung. Die Miete übernimmt der Staat, samt Heizkosten. Dann bleiben der Familie noch rund 800 Euro im Monat, davon muss sie die Rechnungen für Strom, Internet und Telefon zahlen, Kleidung und Schulmaterial. Obwohl Sabri spart, wo sie kann, reicht das Geld hinten und vorne nicht, gerade angesichts der anziehenden Inflation.

Inflation im Februar bei 5,7 Prozent

Im Februar sind die Verbraucherpreise in Hessen gegenüber dem Vorjahr um 5,7 Prozent gestiegen. Das meldet das Statistische Landesamt auf Basis einer ersten Schätzung. Ein Trend, der bereits seit Monaten anhält und in den Geldbeuteln vieler Menschen tiefe Spuren hinterlässt, weil sie für einen Euro immer weniger bekommen. Egal ob Rapsöl, Butter, Eier, Gemüse oder Fleisch: Im Supermarkt haben sich viele Nahrungsmittel verteuert - im Schnitt um über fünf Prozent.

Noch stärker macht sich die Inflation an der Tankstelle und beim Heizen bemerkbar: Sprit ist in zwölf Monaten um fast 30 Prozent teurer geworden, Heizöl sogar um über 50 Prozent. "Das hat unter anderem damit zu tun, dass die Preise für Rohöl am Weltmarkt in den letzten Monaten stark gestiegen sind, nachdem sie zuvor im Zuge der Corona-Krise auf einem sehr niedrigen Niveau lagen", erklärt Markus Stahl, der beim Statistischen Landesamt für das Thema Inflation zuständig ist. Was die Preise für Energieprodukte zusätzlich in die Höhe treibt, ist die höhere C02-Abgabe.

Erdgas und der Ukraine-Krieg

Vor allem aber der Preis für Erdgas schnellte in Hessen innerhalb eines Jahres in die Höhe, da gab es ein Plus von fast 80 Prozent. Im deutschlandweiten Vergleich sei dieser Preisanstieg extrem, heißt es dazu beim Statistischen Bundesamt. Dort erwartet man, dass die Gaspreise in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine in den nächsten Monaten sogar noch weiter steigen könnten.

"Es kann sein, dass der russische Staatschef Wladimir Putin Gas als Waffe einsetzt", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank mit Sitz in Frankfurt. Viele würden sich sorgen, dass er den Gashahn zudrehen könnte. Wegen der Ukraine-Krise seien bereits letzte Woche die Energiepreise massiv gestiegen.

Deutschland im Würgegriff der Inflation?

Für Krämer steht fest: "Sofern sich der Ukraine-Krieg nicht in Luft auflöst, werden wir im März noch höhere Inflationsraten sehen." Auf das Gesamtjahr gesehen rechnet der Chefvolkswirt mit einer Inflationsrate von 4,8 Prozent. Das wäre deutlich mehr als vergangenes Jahr, als die Teuerungsrate 3,1 Prozent betrug.

"Deutschland kann auch noch aus anderen Ländern Gas beziehen", relativiert Claudia Kemfert, Energie-Expertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Zurzeit bekomme man große Gasmengen etwa aus den USA. Auch stärker auf die erneuerbaren Energien zu setzen oder Energie zu sparen, sei eine Option und wirke inflationsdämpfend.

Armutsfalle Corona plus Inflation

Die Bundesregierung hat bereits auf die aktuell hohe Inflation reagiert und einen Heizkostenzuschuss genehmigt - pro Person einmalig mindestens 135 Euro. "Das reicht nicht und kommt auch längst nicht allen zugute", kritisiert Barbara Helfrich, Pressesprecherin beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Hessen. So würden etwa Hartz-IV-Empfänger nicht profitieren, die aber hätten es gerade dringend nötig.

Helfrich geht aber noch weiter: "Wir wollen kurzfristig eine Soforthilfe von monatlich 100 Euro, um die Folgen der Inflation und der Corona-Krise abzufedern." Denn weil sich Menschen in der Grundsicherung den Einkauf im Supermarkt ebenso wie Masken oder Desinfektionsmittel oft nicht mehr leisten könnten, seien sie auf die Tafeln angewiesen. Der Regelsatz von aktuell 449 Euro sollte laut Wohlfahrtsverband künftig zudem massiv angehoben werden - auf 678 Euro. Für Leute wie Raafa Sabri wären dann vielleicht auch wieder Tomaten bezahlbar.

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen