Portraits von vier jungen Handwerkerinnen und Handwerkern auf einem blauen Hintergrund.

Handwerksbetrieben fehlt der Nachwuchs, die meisten jungen Menschen haben mit ihrem Leben etwas anderes vor. Hier erzählen junge Menschen, warum sie sich gegen diesen Trend entschieden haben.

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Die Auftragsbücher der meisten Handwerksbetriebe sind voll, Kundinnen und Kunden müssen lange warten. Das liegt auch am Personalmangel und daran, dass der Nachwuchs fehlt. Vier junge Menschen erzählen, warum sie sich für einen ungewöhnlicher gewordenen Karriereweg begeistert haben.

Noah Bursky: "Wir arbeiten inzwischen unheimlich modern"

Im Betrieb seiner Eltern in Beselich (Limburg-Weilburg) hat Noah Bursky seine Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik im vergangenen Jahr abgeschlossen. Seitdem arbeitet der 19-Jährige dort als Geselle.

Noah Bursky

"Ich habe lange - wie das typisch ist im vorpubertären Alter - keine Ahnung gehabt, was ich machen möchte. Dann habe ich Ferienjobs und Praktika gemacht, um mich ein bisschen umzuschauen, auch im Betrieb meiner Eltern. Es hat mir vom ersten Tag an unheimlich viel Spaß gemacht, obwohl ich noch nicht viel selber machen konnte. Nach dem Realschulabschluss habe ich mich für den Beruf entschieden.

Handwerksberufe finde ich generell schön, weil man jeden Abend sehen kann, was man geschafft hat - vielleicht auch nach viel Ärger und Anstrengung. Den Beruf des Anlagenmechanikers mag ich besonders, weil er sich mit dem Klimawandel beschäftigt. Wir bauen die erneuerbaren Energien in die Häuser ein.

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„Warum sich so wenige junge Leute dafür interessieren, kann ich nicht verstehen - weil ich weiß, wie schön der Beruf ist.“ Noah Bursky Noah Bursky
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Viele Leute denken immer noch: Baustelle ist vor allem Dreck und Schweiß, im Sommer viel zu heiß und im Winter viel zu kalt. Wir arbeiten inzwischen aber modern, man muss sich nicht mehr großartig quälen. Warum sich so wenige junge Leute dafür interessieren, kann ich nicht verstehen - weil ich weiß, wie schön der Beruf ist. Aber ich kann mir vorstellen, dass viele Angst haben, dass sie Ewigkeiten auf der Baustelle arbeiten müssen.

Die Möglichkeiten, sich nach dem Gesellenbrief weiterzubilden, sind heute total breit gefächert: ob das ein Techniker ist, ein Meister oder ein Quereinsteiger als Berufsschullehrer. Davon habe ich aber erst erfahren, als ich schon in der Ausbildung war. So etwas sollte einem schon vorher in der Schule erzählt werden, damit mehr Leute darüber nachdenken, eine Ausbildung im Handwerk zu machen. Viele haben Zweifel und trauen sich nicht."

Julia Peters: "Büroarbeit ging für mich überhaupt nicht klar"

Die 23-jährige Julia Peters hat nach ihrer Schulzeit ein einwöchiges Praktikum in einer Stahl- und Metallbaufirma in Wiesbaden gemacht. Danach blieb sie für die Ausbildung. Mittlerweile arbeitet sie seit drei weiteren Jahren als Gesellin in dem Betrieb.

Metallbauerin Julia Peters steht in ihrem Betrieb an einer Werkbank.

"Schon relativ früh war mir klar, dass ich ein Handwerk machen will. Büroarbeit ging für mich überhaupt nicht klar, das wäre mir zu langweilig geworden. Die Arbeit macht Spaß, weil ich am Ende zum Beispiel in der Stadt sehe, was ich gebaut habe - Geländer, Balkone, Aufhängungen für Lampen. Dann kann ich das stolz meiner Familie zeigen und sagen: Hier, daran habe ich mitgearbeitet, das hab ich gebaut.

Viele aus meinem Umfeld sind überrascht, wenn sie hören, dass ich Metallbauerin bin. Eine Freundin von mir hat jetzt aber sogar denselben Beruf angefangen. Auch sie sagt, dass es Spaß macht, als Frau in einen Männerberuf zu gehen. Wenn eine den Anfang macht, kommen immer mehr dazu. Man weckt das Interesse und den Mut dazu. Viele brauchen da einfach nochmal einen Anstupser.

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„Viele aus meinem Umfeld sind überrascht, wenn sie hören, dass ich Metallbauerin bin.“ Julia Peters Julia Peters
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Handwerk wird als etwas gesehen, wo man sich dreckig macht und immer körperliche Anstrengung hat. Wenn man hinter die Kulissen schaut, merkt man: Es wird immer geholfen. Meine Kollegen sind superlieb. Wenn ein Gewicht mal zu schwer sein sollte, kann ich auch mit Kränen arbeiten.

Bei uns im Betrieb gibt es noch eine weitere Azubine und eine Praktikantin, ansonsten sind es Männer. Man wird aber akzeptiert, wie man ist, da wird kein Unterschied gemacht. Ich würde auf jeden Fall empfehlen, das einfach mal durch ein Praktikum auszuprobieren."

Thees Körner: "Das Handwerk ist im Wandel"

Aus Ostfriesland zog es Thees Körner nach der Schulzeit nach Hessen, um eine Ausbildung als Orthopädie-Schuhmacher anzufangen. Jetzt ist der 21-Jährige im dritten Lehrjahr in einem Betrieb in Brensbach (Odenwald).

Thees Körner in einer Werkstatt, arbeitet an einer Schuhsohle.

"Bei mir hat das Handwerk des Orthopädie-Schuhmachers eine lange Familientradition: Mein Vater, mein Onkel, mein Opa, mein Uropa und dessen Vater - sie waren alle schon irgendwie in der Schuhmacherei involviert. Ich bin aber relativ spät darauf gekommen, dass ich diesen Beruf lernen will. Als ich mein Abi damals angefangen habe, war ich sprunghaft, hatte immer viele neue Ideen, Inspirationen, wurde von allen Seiten angestoßen.

Früher habe ich ab und zu mal beim Großonkel meines Vaters in der Werkstatt gesessen, ich hab' da ein paar Nägel in ein Holzbrett gehauen und mich des Lebens gefreut. Was Akademisches kam bei mir nie in Frage, ich wollte irgendwas schaffen, mit den Händen arbeiten, aber auch mit Leuten, denen man hilft. Und das ist einfach eine tolle Verbindung, die der Beruf mit sich bringt.

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„Man muss sich von der Vorstellung frei machen, dass man in einer alten, kleinen Werkstatt auf seinem Schemel hockt und da traditionell die Schuhe zusammenbaut“ Thees Körner Thees Körner
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Was mir an diesem Beruf Spaß macht, sind die nahe Kundenbindung und die Vielfalt dieses Handwerks. Man arbeitet mit verschiedensten Materialien, Techniken und Werkzeugen, die teilweise traditionell, teilweise aber auch sehr modern sind - wie der 3D-Druck zum Beispiel. Man muss sich von der Vorstellung frei machen, dass man in einer alten, kleinen Werkstatt auf seinem Schemel hockt und da traditionell die Schuhe zusammenbaut. Das Handwerk ist im Wandel.

Wir haben aber die Problematik: Wenn du im Elternhaus noch keinen Kontakt zu dem Beruf hast und zusätzlich in jungen Jahren noch gesunde Füße ohne Altersbeschwerden hast - dann wirst du auf den Beruf nicht aufmerksam."

Eike Becher: "Der Bürosessel ist einfach nicht meins"

Nach einem Master in Physik und der Arbeit im IT-Bereich hat Eike Becher begonnen, Brot zu backen. 2022 hat Becher über eine Ausnahmebewilligung eine Eintragung in der Handwerksrolle bekommen. Im Sommer möchte der 30-Jährige in Frankfurt eine eigene Bäckerei eröffnen.

Eike Becher beim Brotbacken in einer historisch anmutenden Backstube.

"Für mich gab es damals nach dem Abitur nur einen Weg: Studium. Rückblickend glaube ich, dass ich mich damals schon gerne für ein Handwerk entschieden hätte. Aber das war einfach zu früh. Im Laufe meines Studiums habe ich angefangen, zu Hause in meiner WG-Küche Brot zu backen. Ich habe schon immer sehr viel Wert auf gute Ernährung und gute Rohstoffe gelegt. Irgendwann habe ich mich dann bei einer kleinen Bäckerei beworben und dort ein halbes Jahr gearbeitet.

Danach bin ich erst mal wieder in meinen Job in der IT-Branche gegangen. Der Gedanke war, dass ich Geld verdienen muss mit dem, was ich so lange studiert habe. Nach ein paar Jahren musste ich aber sagen: Der Bürosessel ist einfach nicht meins.

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„Ich glaube, dass man mit ein bisschen Innovation auch junge Leute gewinnen kann, die sich dafür interessieren.“ Eike Becher Eike Becher
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Die Brotbäckerei, die wir im Sommer eröffnen wollen, wird nicht der klassische Laden sein, der montags bis sonntags um sechs aufmacht und bis zum Abend noch volle Regale hat. Ich glaube, dass man mit ein bisschen Innovation auch junge Leute gewinnen kann, die sich für den Job interessieren. Im Bäckerhandwerk ist der Nachwuchsmangel fast am schlimmsten, gerade wegen der unschönen Arbeitszeiten nachts.

Wenn sich junge Leute dagegen sträuben, nachts zu arbeiten - warum sollte man nicht überlegen, das ein bisschen zu shiften? Da muss man bereit sein, einen anderen Weg zu gehen und offen sein. Das ist der ganz große Vorteil, den ich sehe, wenn man Quereinsteiger ist: Man kann von außen mit einem anderen Blick darauf schauen."

Protokolle: Pia Stenner

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hr-Thema: Handwerker gesucht

Seit Jahren sprechen wir von einem Fachkräfte- und Handwerkermangel. Seit der Corona-Pandemie scheint sich dieses Problem weiter zugespitzt zu haben. Wir wollen die Gründe offenlegen, warum man in Hessen so lange auf einen Handwerker warten muss, welche Folgen das für die Verbraucher hat und was sie dagegen tun können. Der hr macht am 6. April die Situation im Handwerk auf allen Ausspielwegen zum Thema.

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