Designerin Galatea Ziss hält eine rote Jacke ihrer Kollektion hoch.

Giftige Chemikalien, tonnenweise Müll und Treibhausgase: Die Textilbranche gilt als zweitdreckigste Industrie, direkt nach dem Erdöl. Junge Designer wie Galatea Ziss aus Wiesbaden wollen das ändern – stoßen aber an Grenzen.

Videobeitrag

Video

Designerin Galatea Ziss über die Schwierigkeiten nachhaltiger Modeproduktion

Galatea Ziss steckt ein Muster auf ein Stück Stoff.
Ende des Videobeitrags

"Nachhaltige Mode ist ein Widerspruch in sich", sagt Galatea Ziss. Sie steht in ihrem Atelier, das sie sich im Hinterzimmer ihres Ladens eingerichtet hat. Drei Arbeitstische nehmen den kleinen Raum nahezu vollständig ein. Die Nähmaschine surrt beim Aufspulen des Garns, das Bügeleisen schnauft im Hintergrund.

In den Modemetropolen Paris und London hat Ziss für namhafte Designer wie Vivienne Westwood gearbeitet. Doch schon bald entschied sie sich gegen die trendgetriebene Laufstegwelt. "Es war eine Entscheidung gegen die Industrie und für das Handwerk", sagt Galatea Ziss. In ihrem eigenen Atelier in Wiesbaden näht sie zeitlose Kleidungsstücke – aus möglichst umweltverträglichen Stoffen.

Denn die Textilindustrie ist ein echter Klimakiller. Sie gilt Experten zufolge als die zweitdreckigste Industrie nach dem Erdöl. Allein die Modebranche verantwortet acht Prozent aller weltweit ausgestoßenen Treibhausgase. Das geht aus der Studie "Measuring Fashion" des Beratungsunternehmens Quantis von 2018 hervor. Bis ein T-Shirt im Schaufenster einer großen Modekette auf der Frankfurter Zeil landet, ist es schon einmal um die ganze Welt gereist.

Alle Produktionsschritte sind klimaschädlich

Dabei sind die Transportwege nicht einmal das Hauptproblem. Experten sind sich einig, dass alle Produktionsschritte dem Klima schaden – vom Garnspinnen bis zum Zusammennähen des T-Shirts. Denn die Produktionsstätten in Ländern wie Bangladesch werden meist noch mit Kohle- und Gasenergie betrieben. Außerdem verunreinigen die dort eingesetzten Chemikalien das Grundwasser.

Ein weiteres Problem ist der Ressourcenverbrauch. Allein für die Baumwolle eines T-Shirts werden im Anbau zwei Badewannen voll Wasser benötigt. Außerdem belasten die auf den Feldern eingesetzten Pestizide Böden und Gewässer. Chemische Fasern wie Polyester verbrauchen dagegen neben Wasser viel Erdöl und Energie.

Bio-zertifizierte Mode hat eine bessere Umweltbilanz. Doch das Angebot ist klein. Von der gesamten Baumwolle auf dem Weltmarkt etwa stammen nur 0,5 Prozent aus biologischem Anbau. Dieser sei ein wirtschaftliches Wagnis, sagt Elke Hortmeyer von der Bremer Baumwollbörse, die den internationalen Handel mit Baumwolle reguliert. Um ein Bio-Siegel zu erhalten, müsse ein Bauer sein gesamtes landwirtschaftliches System auf ökologischen Anbau umstellen. Das bedeute höhere Kosten bei geringeren Erträgen.

Fast Fashion: Modekonsum um jeden Preis

Auch Galatea Ziss merkt bei ihrer Arbeit, dass die Auswahl an Bio-Stoffen begrenzt ist. Sie verwendet deshalb in ihren Kollektionen auch nicht-zertifizierte Stoffe von Familienbetrieben in Europa.

Auf dem Weg zur nachhaltigen Produktion müssen Modelabels also zahlreiche Schwierigkeiten überwinden. Aber Ziss sieht die Verantwortung auch beim Kunden: "Am nachhaltigsten ist, was gar nicht erst konsumiert wird."

Videobeitrag

Video

Warum ist Mode klimaschädlich?

Mode
Ende des Videobeitrags

Vom reduzierten Konsum ist die Mehrheit der Deutschen weit entfernt. Gab es früher nur Sommer- und Winterkollektion, wechseln die Kleider in den Läden der Billigketten heute bis zu zweimal im Monat. Die Studie "Pulse of the fashion industry" von 2019 geht davon aus, dass die Nachfrage nach Kleidung in den kommenden Jahren jeweils um rund zwei Prozent zunehmen wird. Trotzdem geben die Deutschen einen immer geringeren Teil ihres Einkommens für Mode aus, weil Kleidung immer günstiger wird.

Ausschlaggebend beim Kauf sind der Pulse-Studie zufolge vor allem das Aussehen und der Preis. Ina Franzmann, Design-Lehrerin an der Frankfurter Schule für Bekleidung und Mode, kann das bestätigen: "Fast Fashion hat den Vorteil, dass sich auch der kleine Geldbeutel Mode leisten kann. Und leider den Nachteil, dass wir unsere Umwelt kaputt machen."

Interesse an nachhaltiger Mode wächst

Nachhaltigkeit sei dagegen eine ethische Haltung, die nicht jeder bezahlen könne: "Nachhaltige T-Shirts für 2,99 Euro oder auch 12,99 Euro zu verkaufen, ist nicht machbar", so Franzmann. Hier müsse die Gesellschaft umdenken.

Design-Lehrerin Ina Franzmann vor bunten Magazinseiten

Schon jetzt beobachtet Franzmann, dass das Interesse an nachhaltiger Mode wächst – vor allem bei den Jüngeren. Franzmann spricht dabei nicht von einem kurzlebigen Trend, sondern von einem "Zeitgeist", der immer stärker werde. Eine Rückkehr zur Slow Fashion, also einer langsameren Modeproduktion, hält sie daher für möglich: "Ich glaube, so wie wir uns den Markt mit den günstigen Preisen kaputt gemacht haben, können wir auch wieder ein Umdenken einläuten."

Design-Lehrerin Franzmann sieht die Unternehmen selbst in der Pflicht, Mode aus recycelten Materialien anzubieten: "Wenn die Industrie tatsächlich gebrauchte Kleidung auseinandernehmen und wieder neu verwerten würde, würde das den Kreislauf schließen."

Boxershorts aus alter Bettwäsche

In Kassel hat Kira Kimm ein solches Upcycling-Label namens "Soki" gegründet. Aus alter Bettwäsche, die ihre Kunden auch selbst mitbringen können, näht sie neue Boxershorts. Was vor vier Jahren als Projekt im ehemaligen Kinderzimmer begann, ist mittlerweile so erfolgreich, dass sie davon leben kann. "Immer mehr Leute hinterfragen, woher ihre Kleidung kommt – gerade Jüngere, die in den sozialen Netzwerken inspiriert werden", sagt Kimm. "Ich finde das ist eine gute Entwicklung. Nachhaltigkeit ist ein Thema geworden."

Gründerin Kira Kimm vom Modelabel Soki in ihrem Atelier.

Trotzdem landet immer noch tonnenweise Kleidung auf dem Müll. "Die Altkleidercontainer sind voll", klagt Beate Heinz vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse). Wurden 2007 noch rund 750.000 Tonnen Altkleider in Deutschland gesammelt, waren es 2015 bereits mehr als eine Million Tonnen.

Echtes Altkleider-Recycling lohnt sich nicht

Nur die Hälfte der gesammelten Altkleider eignet sich nach Angaben des Verbandes für den Weiterverkauf als Second-Hand-Ware. Ein großer Teil wird als Putzlappen, Dämmmaterial oder Vlies verwendet. Rund acht Prozent der Kleidung werden verbrannt oder weggeschmissen.

Aus einem aussortierten T-Shirt wieder Garn für ein neues Kleidungsstück zu gewinnen, wäre nach Heinz zwar theoretisch möglich, aber nicht rentabel. "Solange Kleidung derart preiswert auf den Markt geschmissen wird, ist das echte Recycling überhaupt nicht interessant. Es ist einfach zu teuer."

Problematisch sei außerdem, dass sich die billig produzierte Fast Fashion wegen ihrer niedrigen Qualität nicht für den Wiedergebrauch eignen würde. Und Fasermischungen, etwa T-Shirts aus Baumwolle und Elasthan, ließen sich noch nicht so exakt trennen, dass daraus wieder neues, sortenreines Garn hergestellt werden könnte.

Weniger ist mehr

Ein Wandel von der Fast Fashion zur Slow Fashion – das könnte die Kleiderflut in den Altkleidercontainern stoppen und das Klima schonen. Dazu müssten aber auch die Verbraucher weniger und gezielter kaufen.

In Wiesbaden blättert Galatea Ziss durch die Kleidung ihrer Kollektion. Sie passt auf zwei Kleiderstangen – die einzigen beiden in ihrem Laden. In diesem Raum hängt viel weniger Kleidung als in den großen Modehäusern. Dennoch: Zu hundert Prozent umsetzen kann auch sie Nachhaltigkeit nicht. Dazu ist die Designerin zu abhängig – von den Baumwollbauern, den Stoffwebereien, den Färbereien.

Und zugunsten des Klimas ganz auf Mode verzichten? Das wäre für Galatea Ziss auch keine Lösung. "Ich fände es schade, wenn alle nur noch lokal produzierte Leinensäcke tragen würden", so Ziss. "Mode ist etwas, womit ich mich gerne individuell ausdrücke."

Die Autor*innen studieren am Journalistischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Hier finden Sie Infos über das Projekt der Uni Mainz in Kooperation mit hessenschau.de.