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Photovoltaik auf Ackerflächen sorgt in Limburg für Ärger

Das Foto zeigt Solaranlagen-Flächen neben einer Autobahn - aus der Vogelperspektive.

Solarfelder sollen die Energiewende voranbringen. Der Ausbau gewinnt an Fahrt - auch auf landwirtschaftlichen Flächen. Doch besonders Landwirte stört es, wenn Energie gewonnen werden soll, wo eigentlich Kartoffeln oder Getreide wachsen.

Nie im Leben wollte Christof Rompel sich von diesem Stück Land trennen. Seit Generationen baut seine Familie auf dem Feld in Lindenholzhausen, einem Stadtteil von Limburg, Kartoffeln an. Der Boden auf dem Acker ist ideal dafür, sagt er. Doch dann kam das Angebot.

Rompel könnte seinen Kartoffelacker in ein Solarfeld umwandeln und wäre ohne viel Arbeit um mindestens 6.000 Euro reicher im Jahr. Die kommunale Energieversorgung Limburg (EVL) will es hier entlang der Autobahn 3 bauen: 28 Hektar groß, in etwa die Fläche von 40 Fußballfeldern. Rompel gehören drei Hektar davon. Der Pachtpreis, der im Raum steht, ist zehnmal höher als üblich.

Drei Männer vor einem Feld

Viel Geld, meint Rompel. Aber der Bauer sieht es kritisch, wenn dafür Ackerfläche für die regionale Lebensmittelerzeugung verloren geht. "Wenn wir mit immer mehr Geld gutes Land wegwerfen, dann haben wir ein Riesenproblem", sagt er. 

Politik ist sich uneins

Bauern in ganz Hessen stehen vor der Frage, ob sie ihr Land nicht umnutzen wollen, denn ein großer Teil der für Solarfelder geeigneten Flächen gehört ihnen. Kontrovers diskutiert wird das Thema auch in der Kommunalpolitik.

In Groß-Umstadt (Darmstadt-Dieburg) etwa stimmte die Stadtverordnetenversammlung vor drei Monaten dem SPD-Antrag zu, dass auf landwirtschaftlichen Flächen keine Freiflächen-Photovoltaikanlagen (PV) installiert werden dürfen.

Unter anderem weil Landwirte protestierten, wurde 2020 ein Solarpark in Lampertheim (Bergstraße) sogar gekippt. Auch die Weilburger Stadtverordnetenversammlung fragt sich derzeit, ob PV-Anlagen auf Äckern stehen dürfen. Der politische Beratungsprozess sei in vollem Gange, heißt es.

Andernorts werden dagegen schon Felder bebaut, mit politischem Rückhalt und oft sogar weitgehend geräuschlos. Der kommunale Energieversorger GGEW betreibt beispielsweise inzwischen drei Solarparks in Südhessen. Auch die Energiegenossenschaft Odenwald und der Wiesbadener Projektentwickler ABO Wind planen derzeit Projekte.

Interessenkonflikte der Energiewende

In der Praxis der Energiewende gibt es viele Interessenkonflikte, und manchmal geraten dabei sogar "grüne" Themen in Konflikt miteinander, etwa wenn Windräder Vögel bedrohen oder Energiemais-Felder das ökologische Gleichgewicht verschlechtern. Und nun geht es auch immer öfter um die dunkel glänzenden Paneele in der Natur. Denn was ist grüner: ein Kartoffelfeld oder ein Solarpark?

Klar ist: Die hessische Landesregierung will mehr Freiflächen-PV. Seit Ende 2018 erlaubt eine Verordnung Solarfelder nicht mehr nur auf Brachflächen oder entlang von Schienen und Autobahnen, sondern auch auf landwirtschaftlichen Flächen mit eingeschränkter Bodenqualität. Sogenannte Nachrangflächen machen besonders in Nord- und Mittelhessen mehr als die Hälfte des hessischen Acker- und Grünlands aus.

Vierzigfache Energieausbeute

Als Vorteile von Freiflächensolaranlagen nennt das hessische Wirtschaftsministerium die vergleichsweise hohe Rendite und die flächenbezogene Energieausbeute, die bis zu vierzig mal höher sei als die von Maisanbau für Biogas. Dachflächen-PV sei zwar weiterhin zu bevorzugen, jedoch gebe es dabei auch zahlreiche Hindernisse, etwa Probleme mit Hauseigentümern oder Mietern, Statik oder Denkmalschutz.

Das Balkendiagramm zeigt die Flächen an, die für Solaranlagen in Hessen bereitgestellt werden (sollen).

Der Solarfeld-Ausbau gewinnt dementsprechend an Fahrt. Offizielle hessenweite Zahlen liegen zwar keine vor, aber die Regierungspräsidien Kassel und Gießen teilten auf hr-Nachfrage zumindest die bekannten rechtskräftigen Bauleitplanungen mit. Laut den Regierungspräsidien steht ein Großteil davon auf landwirtschaftlichen Nachrangflächen.

Landesbauernverband fürchtet Flächenverlust

Der Landesbauernverband sieht diese Entwicklung kritisch. Sprecher Bernd Weber betont: Man sei nicht grundsätzlich gegen Solarfelder, etwa wenn sie auf Brachflächen wie Müllhalden oder "landwirtschaftlich uninteressanten" Flächen stehen, wie er es nennt.

"Aber es tut schon weh, wenn die da gebaut werden, wo eigentlich Kartoffeln, Getreide oder Zuckerrüben wachsen könnten." Weber fürchtet zudem einen langfristigen Flächenverlust, denn nach 30 oder 40 Jahren Solarfeld-Nutzung seien solche Äcker nicht mehr so einfach wieder landwirtschaftlich nutzbar.

Doch Weber räumt ein: Letztlich sei es die eigene Entscheidung der einzelnen Landwirtinnen und Landwirte - und auch eine wirtschaftliche. "Das kann natürlich für sie ein Einkommensstandbein sein." Der Landesbauernverband fordert deshalb ein Regelwerk, wonach in Genehmigungsverfahren agrarstrukturelle Belange besonders berücksichtigt werden sollen, beispielsweise durch verpflichtende landwirtschaftliche Betroffenheitsanalysen.

NABU: Solarfelder naturverträglich bauen

Die Konflikte rund um Solarfelder beschäftigen auch den Naturschutzbund (NABU). Die Priorität im PV-Ausbau sollte weiterhin auf Dächern liegen, betont NABU-Expertin Tina Mieritz.  "Aber selbst wenn wir alle geeigneten Dächer bebauen würden, würde das nicht reichen." Solarfelder seien also eine Möglichkeit - und man könne sie auch durchaus naturverträglich bauen. "Zum Beispiel wenn man zwischen den Paneelen Biotope anlegt oder auf Unterbrechungen achtet, damit größere Tiere queren können." 

In Bezug auf regionale Lebensmittelerzeugung sagt Mieritz: Ohnehin würde nur 22 Prozent des Ackerbaus in die Nahrungsmittelproduktion gehen, der Rest in Tierfutter und Energiepflanzen-Anbau. Für vorher intensiv bewirtschaftete Äcker könne ein Solarfeld durchaus einen Mehrwert für die Artenvielfalt haben. "Wir sehen deshalb Projektierer und Betreiber in der Pflicht, möglichst viel Naturschutz auf die Flächen zu bringen."

Limburg: 20 Prozent der Energieversorgung möglich

Ob der Limburger Solarpark tatsächlich gebaut wird, ist derzeit noch unklar. Bürgermeister Marius Hahn (SPD) hat sich bereits klar dafür ausgesprochen. Er sitzt allerdings auch im Aufsichtsrat der EVL, die den Park bauen will.

Laut EVL-Geschäftsführer Gert Vieweg ist die Planung noch ganz am Anfang. Der genaue Zuschnitt und die Größe seien noch offen, je nachdem, welche Flächen dann tatsächlich zur Pacht frei werden. "Im Idealfall können wir mit dem Feld 20 Prozent unseres Bedarfs decken."

Dass dafür Ackerboden verloren geht, empfindet auch Vieweg als Zwiespalt. Eine Alternativfläche auf dem Gelände einer alten Mülldeponie sei aber wegen möglicher Schadstofffreisetzung ausgeschieden, erklärt er. Man habe sich nun mal entscheiden müssen und schließlich könne den Klimawandel niemand mehr wegdiskutieren. "Und wenn irgendwann die Böden ausdörren, weil es zu heiß ist, kann man da auch nichts mehr anbauen."

"Gezwungen werden kann keiner"

Der Kartoffelbauer Christof Rompel hängt an seiner Fläche. "Gezwungen werden kann keiner", sagt er. Er habe hier über Jahre hinweg einen tiefgründigen Boden mit viel Humus angelegt, er kenne das Land durch und durch. "Und Kartoffelanbau ist nicht auf jeder Fläche möglich."

Ein karger Acker im Winter

Irgendwo müsse schließlich Platz sein für regionale Lebensmittel-Erzeuger, die wie er seine Ware an lokale Supermärkte oder in Hofläden verkaufen. Sonst werde noch mehr im Ausland angebaut, befürchtet er. Und dann entstehe ja wieder neues CO2 durch den Transport. Momentan sagt Rompel deshalb: Er will das Angebot nicht annehmen. Den Acker will er noch an die nächste Generation weitergeben.

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