Audio

Marburger Partikeltherapie vor dem Aus?

Ein Laserstrahl ist im Marburger Ionenstrahl-Therapiezentrum auf eine thermoplastische Maske gerichtet.

Mehr als 100 Millionen Euro hat der Aufbau des Marburger Ionenstrahl-Therapiezentrums am Uniklinikum gekostet. Jetzt steht die Anlage laut einem Medienbericht nach nur sieben Jahren vor dem Aus.

Der Vorstandsvorsitzende der Rhön-Klinikum AG, Christian Höftberger, hat über ein mögliches Ende der Partikeltherapie-Anlage zur Behandlung von Krebspatienten am Marburger Uniklinikum gesprochen.

Der Oberhessischen Presse sagte Höftberger am Donnerstag, die Herstellerfirma Siemens habe den Fortbetrieb und die Weiterentwicklung der Anlage eingestellt. "Es ist also eine Technik, die an ihr Ende kommen wird, weil sie anscheinend einfach zu komplex ist." Man könne ein Ersatzteil "nicht einfach auf der Werkbank zusammenschrauben", sagte Höftberger. Daher müsse man dem Ende der Anlage "ins Auge sehen".

Energieknappheit könnte Therapie beenden

Dass das Ende der Ionenstrahl-Anlage damit feststehe, verneinte Höftberger, schränkte aber ein: "Sie ist sehr defizitär. Wir müssen schauen, wie lange wir dieses Defizit tragen können oder wann der Zeitpunkt kommt, an dem eine technische Panne die Anlage lahmlegt."

Sollte es im Herbst oder Winter in Deutschland zu einer großen Energieknappheit kommen, "dann könnten wir dadurch gezwungen sein, die Partikeltherapie vom Netz zu nehmen". Für Patienten stünden jedoch alternative Bestrahlungsarten zur Verfügung.

Mit der mehr als 100 Millionen Euro teuren Anlage können Tumore punktgenau beschossen werden, umliegendes Gewebe wird geschont.

Vor zwei Jahren langfristigen Betrieb angekündigt

Das Marburger Ionenstrahl-Therapiezentrum (MIT) befindet sich direkt neben der Marburger Uniklinik, es ging 2015 in Betrieb. Zunächst war das Universitätsklinikum Heidelberg an der Anlage beteiligt. 2018 meldete das MIT Insolvenz an, die Rhön AG übernahm daraufhin die Anteile der Uniklinik Heidelberg.

2020 hatte Rhön noch angekündigt, die Anlage langfristig weiterbetreiben zu wollen. Laut damaliger Erklärung wurden im MIT Bestrahlungen mit Wasserstoff- und mit Kohlenstoffionen angeboten. Die Partikeltherapie werde angewendet bei Hirntumoren, Kopf-Hals-Tumoren, Tumoren der Leber, der Prostata, der Bauchspeicheldrüse sowie bei Tumorerkrankungen im Kindesalter.

Behandlungs-Anlage im Marburger Ionenstrahl-Therapiezentrum

SPD: "Eine Katastrophe"

Die angedeutete Schließung des MIT sei für die Patientinnen und Patienten mit Krebserkrankungen, die dort behandelt werden, "eine Katastrophe", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin und gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Daniela Sommer. "Denn deren Therapie muss nun grundlegend umgestellt werden."

Linke: "Patienten und Beschäftigte vor den Kopf gestoßen"

Elisabeth Kula, die Fraktionsvorsitzende der Linke und deren wissenschaftliche Sprecherin, bezeichnete Höftbergers Aussagen auf hr-Anfrage als "absoluten Hohn". Höftberger habe "mal wieder alle Patienten und Beschäftigten am UKGM vor den Kopf gestoßen". Patienten hätten sich auf die Therapie verlassen, diese müsse auch bleiben. Kula glaube nicht, dass technische Gründe in dieser Frage eine Rolle spielen, sie vermutet "betriebswirtschaftliche Logiken".

Die würden dem Versorgungsauftrag eines Klinikums widersprechen und seien das Grundproblem am privatisierten UKGM: "Das Klinikum muss zurück in öffentliche Hand", sagte Kula.

SPD kritisiert Landesregierung

Ähnlich sieht es Daniela Sommer von der SPD. Schließlich sei eine der entscheidenden Bedingungen beim Verkauf des UKGM an die Rhön-Klinikum AG die Zusage gewesen, die innovative Krebstherapie des MIT zukunftsfähig zu betreiben - im Bewusstsein, dass diese technisch aufwendige Therapieform für das UKGM zu keiner Zeit kostendeckend sein würde.

Der Betrieb der Anlage hätte längst stabilisiert werden können, wenn die Verantwortlichen in der Landesregierung sich ernsthaft um die Zukunft des MIT gekümmert hätten, statt der Rhön AG freie Hand zu lassen, kritisierte Sommer.

Ministerium spricht von "Inszenierung" seitens Rhön AG

Das Land und die Rhön Klinikum AG liegen seit längerer Zeit im Clinch. Zuletzt hatte Rhön eine Vereinbarung mit der Regierung zur Finanzierung des UKGM aufgekündigt. Das schürte in der Belegschaft Furcht vor möglichen Kündigungen. Zugleich betonte der Klinikbetreiber, man stehe weiter zu Absichtserklärungen bezüglich des Betriebs des UKGM, die im Januar mit dem Land vereinbart worden waren.

Das Wissenschaftsministerium reagierte am Donnerstag irritiert auf Höftbergers Interview mit der Oberhessischen Presse. "Rhön und Asklepios müssen sich entscheiden, was sie wollen. Geht es ihnen um eine öffentliche Inszenierung oder haben sie ein Interesse an einer zukunftsgerichteten Lösung für das Universitätsklinikum Gießen und Marburg", hieß es in einer Stellungnahme, die das Ministerium dem hr zukommen ließ.

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen
Formular

hessenschau update - Der Newsletter für Hessen

Hier können Sie sich für das hessenschau update anmelden. Der Newsletter erscheint von Montag bis Freitag und hält Sie über alles Wichtige, was in Hessen passiert, auf dem Laufenden. Sie können den Newsletter jederzeit wieder abbstellen. Hier erfahren Sie mehr.

* Pflichtfeld

Ende des Formulars