Visualisierung des geplanten XXL-Gewächshauses in Gernsheim

Ganzjährig regionale Tomaten, Gurken und Paprika ernten - das will ein Landwirt im südhessischen Gernsheim. Dafür plant er nach holländischem Vorbild ein neun Hektar großes Gewächshaus. Es wäre das erste dieser Art in Hessen. Umweltverbänden macht das Sorgen.

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Landwirt plant XXL-Gewächshaus in Gernsheim

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Vor Landwirt Jirko Stiller erstreckt sich ein weites Feld mit kleinen Romana-Salat-Pflänzchen. Er steht am Ortseingang von Klein-Rohrheim, einem Stadtteil von Gernsheim (Groß-Gerau) und zeigt, wo bald ein über neun Hektar großes Gewächshaus entstehen soll. Darin sollen Tomaten, Gurken und Paprika wachsen – auch in den Wintermonaten.

Der 38-jährige Familienvater gibt sich selbstbewusst: "Die Idee ganzjährig zu produzieren und die Produktion aus dem Ausland nach Deutschland zurückzuverlagern, da sehe ich eine gewisse Einmaligkeit aktuell."

Produkte für das Rhein-Main-Gebiet

Für Jirko Stiller liegen die Vorteile eines solchen Groß-Gewächshauses in der Rhein-Main-Region auf der Hand: Auf diese Weise könne die regionale Lebensmittelversorgung unabhängig von Importen gewährleistet werden und gleichzeitig seien die Transportwege kürzer und der CO2-Ausstoß gegenüber der ausländischen Produktion damit geringer.

Zudem werde in dem 30 Millionen Euro teuren Gewächshaus modernste Technik zum Einsatz kommen, verspricht Stiller. Die Temperatur von 24 Grad solle mithilfe von Photovoltaik und Wärmepumpen gehalten werden. Regenwasser werde aufgefangen und in einem Teich gesammelt und im Inneren des Gewächshauses solle Feuchte aus der Luft mit einem speziellen System wieder in den Beregnungskreislauf zurückgeführt werden.

Keine Schmetterlinge in Gewächshäusern

Herbert Debus hat sich in den vergangenen Tagen intensiv mit den Plänen zu dem geplanten Gewächshaus beschäftigt. Als Vorsitzender des Kreisverbands Groß-Gerau vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) will er noch kein endgültiges Urteil abgeben, aber bisher überwiege die Skepsis.

Neben Zweifeln an der Rechnung zur Energiebilanz und Bedenken vor Auswirkungen auf das Grundwasser gilt seine größte Sorge den Auswirkungen auf die Artenvielfalt. "Biodiversität findet in einem solchen Gewächshaus nicht statt", gibt Debus zu bedenken. Somit bedeute das Gewächshaus das Aus für Schmetterlinge und Insekten auf weiteren neun Hektar Fläche im Rhein-Main-Gebiet, glaubt er.

Intensivere Landwirtschaft auf kleinerer Fläche

Um dem Thema Artenvielfalt gerecht zu werden, sieht Landwirt Jirko Stiller Ausgleichsflächen um das Gewächshaus in Klein-Rohrheim vor. Er erklärt: "Unser Konzept geht dahin, dass wir die Intensität auf der Fläche erhöhen und dadurch andere Flächen landwirtschaftlich schonen können." Sprich: Wo jetzt noch Romana-Salat wächst, soll dann eine Fläche für Vögel entstehen, auch Streuobstwiesen seien geplant, so Stiller.

Außerdem betont er, dass das geplante Gewächshaus auch für die Böden und das Grundwasser Vorteile habe. Aktuell werde der Boden durch den Freilandgemüseanbau stark beansprucht. Im Gewächshaus wachsen die Pflanzen in Substraten, also erdelos. "Dadurch können wir verhindern, dass Nitrat ins Grundwasser kommt. Weil wir den Boden gar nicht nutzen."

Landwirtschaft oder Nahrungsmittelindustrie

Statt auf dem Boden sollen die Gemüsepflanzen in Rillen wachsen. Vier Millionen Kilogramm Tomaten, 16 Millionen Gurken im Jahr - von diesen Erntemengen geht Stiller derzeit aus. Mengen, die unter anderen Umständen auf neun Hektar Fläche undenkbar wären, so Herbert Debus vom BUND. "Das ist ein hochgradig künstliches Gewerbe, das er da betreibt. Wir überlegen, ob das Landwirtschaft ist. Oder ob das Lebensmittelindustrie ist."

Auch Willi Billau als Vorsitzender des Regionalbauernverbands Starkenburg ist bisher zurückhaltend, begrüßt aber die regionale Produktion von Lebensmitteln. Noch läuft das Genehmigungsverfahren für das geplante Groß-Gewächshaus in Gernsheim. Landwirt Stiller hofft, dass er 2024 das erste Gemüse dort ernten kann.

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