Lieferprobleme wegen Corona Kommt Zeit, kommt Rad

Der Fahrrad-Boom in Hessen hält auch im dritten Pandemie-Jahr an. Vor allem E-Bikes sind begehrt. Doch noch immer gibt es Lieferprobleme.
Audio
Lieferprobleme auf dem Fahrradmarkt halten an

Wie sich die Lage derzeit auf dem Fahrrad-Markt für Händler und Kunden gestaltet? Frank Kaiser hat dafür nur ein Wort: "Grauenvoll", sagt der Geschäftsführer des Fahrrad-Kellers in Fulda. Die anhaltende Corona-Krise bremse den Markt weiter massiv aus. "Es ist noch schlimmer als in den beiden Vorjahren", sagt er. Denn die Lieferrückstände und Probleme türmten sich immer weiter auf. "Mir fehlen noch 100 Räder, die ich von meinen Lieferanten eigentlich schon im Vorjahr hätte bekommen sollen", sagt der Fahrradhändler.
Für Kunden heißt das: Sie brauchen Geduld. Kommt Zeit, kommt Rad. Und das auch nur, wenn sie nicht allzu wählerisch sind. Wer ein ganz spezielles Rad haben möchte, müsse bis zu drei Jahren warten, sagt Kaiser.
Wartezeiten von bis zu drei Jahren
Auch bei den Ersatzteilen sieht es nicht viel besser aus. Egal ab Schaltwerke, Ritzel oder Bremsen - alles ist schlecht zu bekommen. "Wenn in Asien ein paar Leute Corona haben, machen die gleich ein ganzes Werk dicht - strenge Corona-Politik dort", erklärt Kaiser.
So wie bei dem Fuldaer Radhändler sieht es überall in Hessen aus. Durch die hohe Nachfrage während der Corona-Pandemie ist der Markt angespannt bis leergefegt. "Die Lage ist bescheiden. Die Hersteller halten ihre Lieferzusagen nicht ein - und zwar seit vielen Monaten. Wir werden immer wieder vertröstet", sagt Reeza Bargh von Switchbike Bornemann in Gießen.

Und Serdar Tek von der Bike Boutique in Frankfurt findet: "Es ist eine superschwierige Situation. Man muss seine Bestellungen weit im Voraus planen - mindestens ein Jahr und mehr." Hans-Peter Obermark vom Handelsverband Zweirad fasst zusammen: "Die Lage ist weiter brisant. Keine einfache Situation für Händler und Kunden."
Hohe Spritpreise könnten Rad-Nachfrage weiter ankurbeln
Besserung ist kaum in Sicht. Die Nachfrage nach Rädern könnte angesichts immens gestiegener Spritpreise weiter steigen. Vor allem E-Bikes werden dann in den Fokus weiterer Käufer - darunter auch Pendlern - rücken. Denn mit ihnen kann man weite Strecken zurücklegen, wie Norbert Sanden, Geschäftsführer vom hessischen Landesverband des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), sagt.
Das Problem: Weil durch die Pandemie Hersteller immer wieder Produktionsausfälle zu beklagen haben, sind Lieferketten gesprengt. Die Produktion ist massiv ins Stocken geraten. Zudem seien gerade zu wenige Container für See-Transporte aus Asien verfügbar, sagt der Fuldaer Händler Kaiser. Normalerweise hätte er 150 E-Bikes auf Lager, jetzt sind es gerade mal 15.
Pedelec und E-Bike
Auch wenn man meist E-Bike sagt: Die Mehrheit aller angebotenen Elektro-Fahrräder sind genau genommen Pedelecs. Sie bieten nur dann Motorunterstützung, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Erfolgt die Pedalunterstützung bis 25 km/h, gelten Pedelecs als Fahrrad und sind nicht zulassungspflichtig.
Reine E-Bikes hingegen fahren per Knopfdruck - auch ohne Pedalunterstützung. Dieses System ist ab sechs Kilometer pro Stunde zulassungspflichtig. Deshalb werden E-Bikes eher selten angeboten.
Kaufinteressenten rät Kaiser: "Wer etwas Passendes findet, sollte direkt zuschlagen." Wenn man noch bis zum nächsten Tag überlegen möchte, sei es oft schon zu spät. Kunden sollten sich zudem auf gestiegene Preise einstellen. "E-Bikes sind im Durchschnitt 150 Euro teurer geworden", berichtet Kaiser.

Der Trend zum Radfahren, er dürfte anhalten. Aus Sicht des ADFC hat das Fahrrad noch viel Entwicklungspotenzial. Für den Weg zur Arbeit etwa werde das Rad noch zu wenig genutzt. Grund: Es mangele an guten Radwegen und Fahrradparkplätzen, kritisiert ADFC-Bundesgeschäftsführerin Ann-Kathrin Schneider. "In den Niederlanden, dem Land mit dem am besten ausgebauten Radwege-Netz weltweit, liegt der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr bei rund 30 Prozent." Das sei rund dreimal so hoch wie in Deutschland.
Markt-Lage
Die Zahl der Fahrräder ist in Deutschland innerhalb von zehn Jahren von rund 70 auf 81 Millionen im Jahr 2021 gestiegen. Allein die Zahl der E-Bikes nahm im gleichen Zeitraum von 0,9 auf 8,5 Millionen zu.
Von den rund 4,7 Millionen im Jahr 2021 verkauften Fahrrädern hatten nach den ZIV-Erhebungen zwei Millionen einen E-Antrieb. Beim Verkauf klassischer Räder gab es dagegen ein Minus (2,7 im Vergleich zu 3,09 Millionen). Der Anteil der E-Bikes an den verkauften Rädern hat sich dem ZIV zufolge von 39 auf 43 Prozent erhöht. Der Verband rechnet damit, dass bald jedes zweite verkaufte Rad ein E-Bike sein wird.
Viele Hessen wollen mehr Radfahren
Auch für viele Menschen in Hessen ist Fahrradfahren ein Thema. 42 Prozent von ihnen wollen sich künftig häufiger in den Sattel schwingen, wie sie beim Fahrrad-Monitor 2021 angaben. Dabei handelt es sich um eine Umfrage, die das Sinus-Institut für Markt- und Sozialforschung im Auftrag des Verkehrsministeriums durchgeführt hat. Viele Hessen haben das während der Corona-Pandemie auch schon beherzigt: Mehr als jeder vierte Befragte gab an, 2021 häufiger mit dem Rad gefahren zu sein als noch vor der Pandemie.
Solche Entwicklungen dürften die Fahrrad-Branche weiter beflügeln und Händlern wie Frank Kaiser in Fulda weiter viele Kunden bringen - wenn er denn genug Ware bekommt.