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Ohne Fahrer zum Zielort: RMV testet autonomes On-Demand-Angebot

Autocockpit, Fahrer legt Hände auf die Knie.

Der RMV und die Bahn planen einen groß angelegten Test mit selbstfahrenden Shuttles. In Darmstadt und im Kreis Offenbach sollen sie das On-Demand-Angebot ergänzen und ganz regulär am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen.

Man ruft per App ein Shuttle und steigt ein. Von einem Fahrer oder einer Fahrerin ist weit und breit nichts zu sehen. Das Fahrzeug bringt den Fahrgast selbstständig und mit normaler Geschwindigkeit durch den öffentlichen Verkehr zum Zielort.

Fahrerlose Shuttles als Teil des ÖPNV geplant

Dieses Szenario soll bereits im kommenden Jahr testweise in Darmstadt und im Kreis Offenbach Realität werden. So sehen es Pläne des Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV) und der Deutschen Bahn (DB) vor, die jetzt auf einer Pressekonferenz des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) bekannt gegeben wurden.

Die On-Demand-Angebote mit vollständig autonomen Fahrzeugen sollen demnach komplett in den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) eingebunden werden. "Erst mit fahrerlosen Shuttles, die mit normaler Geschwindigkeit unterwegs sind, schaffen wir einen ÖPNV, in den die Menschen überall und zu jeder Zeit einsteigen können", sagte DB-Regio-Chef Jörg Sandvoß.

Einziger Unterschied: Kein Fahrer mehr

Geplant ist, elektrische SUVs vom Typ Nio ES8 mit bis zu sieben Sitzen einzusetzen. In Darmstadt sollen sie die Flotte des On-Demand-Angebots "Heiner Liner" ergänzen. Der Gast könne bei der Bestellung wählen, ob ihn ein konventionelles oder ein autonomes Fahrzeug am virtuellen Haltepunkt abholen soll, erklärte Lennart Sauerwald vom Verkehrsunternehmen Heag mobilo.

Außer dem Fehlen eines Fahrers werde es zum bisherigen Angebot keinen Unterschied geben, so Sauerwald. Streckennetz und Tarifstruktur blieben gleich. Anfangs werde noch eine Sicherheitsperson mit an Bord sein, die im Bedarfsfall eingreifen kann. Doch auch dieser "Operator" solle später wegfallen.

RMV: "On-Demand nur ohne Fahrer wirtschaftlich"

Der RMV sieht sich als Pionier in Sachen Abrufservice. "Im RMV haben wir mit neun Partnern das größte On-Demand-Mobilitätsnetzwerk Deutschlands", sagte Geschäftsführer Knut Ringat. Großflächig seien diese Angebote aber nur im autonomen Betrieb wirtschaftlich. Deshalb habe man sich zu dem Test entschlossen.

Damit die Shuttles ohne Fahrer auskommen, müssen sie über jede Menge Technik verfügen. Ihre Kameras und Sensoren erkennen Objekte, messen Abstände und registrieren Bewegungen. Die Autos besitzen mehrere Bremssysteme und ein Ortungs- und Navigationssystem. Wichtig ist auch die Software, die all diese Informationen verarbeitet, um das Fahrzeug sicher zu steuern.

Bislang nur Tests im Kleinen

Als rechtliche Grundlage für das Projekt dient das im Mai 2021 in Kraft getretene Gesetz zum autonomen Fahren. Es gestattet die Teilnahme fahrerloser Kraftfahrzeuge am öffentlichen Straßenverkehr in Deutschland in festgelegten Betriebsbereichen und regelt etwa technische Anforderungen und Pflichten beteiligter Personen.

Fahrerlose Kleinbusse mit Fahrgästen hat der RMV bereits mit dem Projekt EASY (Electric Autonomous Shuttle for You) getestet. Sie waren auf Betriebsgeländen oder auf kurzen Strecken in der Öffentlichkeit mit geringer Geschwindigkeit unterwegs. So zuckelte ein Shuttle ein Jahr lang 700 Meter das Frankfurter Mainufer rauf und runter. Weitere Tests gab es an den Wiesbadener Helios Kliniken, am Kloster Eberbach (Rheingau-Taunus) und im Kurgebiet von Bad Soden-Salmünster (Main-Kinzig).

Verkehrsverbund erwartet hohe Akzeptanz

Der RMV wertet die Resonanz auf die Tests als durchweg positiv. Die Projekte hätten gezeigt, dass es "keine nennenswerten Vorbehalte" der Fahrgäste gegen selbstfahrende Shuttles gibt, teilte der Verbund auf Anfrage mit. Laut RMV fühlten sich bei den Tests in Bad Soden-Salmünster 89 Prozent der Fahrgäste an Bord sicher, 80 Prozent wären demnach auch ohne Operator mitgefahren.

Einen genauen Zeitplan für das angekündigte Pilotprojekt gibt es noch nicht. "Es werden noch verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten erörtert", sagte Sauerwald. Nach Aussage von RMV-Geschäftsführer Knut Ringat ist voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2023 mit dem Einsatz zu rechnen.

Bahn: "Großes Potenzial im ländlichen Raum"

DB-Regio-Chef Sandvoß ist überzeugt, dass vor allem ländliche Regionen von der neuen Technik profitieren werden. "Viele denken bei autonomem Fahren an Großstädte und Ballungszentren. Dort gibt es aber schon gute U-Bahn- und S-Bahn-Netze", sagte er. Gebraucht würden die neuen Angebote aber dort, wo es bislang wenig Verkehrsinfrastruktur gibt. "Da sehen wir große Potenziale."

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