Gastronomie: Ab Stufe 2 dürfen Cafés und Restaurants ihren Innenbereich für Gäste öffnen.

Lebensmittel, Energie, Lieferanten - für Gastronomen wird gerade vieles teurer. Nach der Corona-Pandemie stellt sich ihnen nun die nächste existenzielle Herausforderung: Wie geben sie die höheren Preise an ihre Kunden weiter? Fünf Gastwirtinnen und Gastwirte erzählen.

Gastronomen sind Gastgeber und keine Sportler, müssen aber trotzdem einen Spagat schaffen: Sie sind konfrontiert mit Kostensteigerungen, die ihnen als Folgen der Corona-Krise und des Ukraine-Krieges entstehen. Gleichzeitig wollen aber viele laut einer aktuellen Branchenumfrage der Dehoga Hessen nur einen Teil der Verteuerungen an die Gäste weitergeben. Was heißt das konkret? Wir haben bei fünf hessischen Gastwirtinnen und Gastwirten nachgefragt.

Franziska Sprandel, Operative Leiterin Taunatours mit dem Feldberger Restaurant in Schmitten (Hochtaunus)

Franziska Sprandel, operative Leitung Taunatours mit dem Feldberger Restaurant in Schmitten.

"Wir haben das Konzept unserer Karte komplett umgestellt, uns damit ein wenig mehr Flexibilität geschaffen und bieten nun ein Mix & Match-Prinzip an. Der Gast kann seine Hauptkomponente wählen sowie seine Lieblingsbeilage - so ist auch low carb oder ohne Gemüse möglich - und dazu seine Soße oder Dip frei wählen. Jede Komponente ist einzeln bepreist, so schaffen wir auch Transparenz, was die Qualität und den Einkaufspreis der Produkte angeht. Dadurch, dass wir ausschließlich frisch einkaufen, können wir die Karte und die entsprechenden Preise der Gerichte flexibel wöchentlich anpassen.

Pauschal ist jedes Gericht einen Euro teurer geworden. Zusätzlich haben wir aber auch mal bis zu sieben Euro Preisunterschied zur Vorwoche auf einzelne Komponenten, um unsere Marge halten zu können. Eigentlich müssten wir jedes Produkt mindestens drei Euro teurer anbieten, wenn wir eine ordentliche Marge und den Preisanstieg gänzlich auf unsere Gäste umschlagen wollten. Das käme bei unseren Gästen aus dem Dorf aber nicht gut an, und das würden sie nicht zahlen – was auch okay ist. So hoffen wir, dass sich die Preise bald stabilisieren.

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„Wer raffinierter anbietet, hat es leichter, als wer eine klassische Speisekarte anbietet.“ Franziska Sprandel Franziska Sprandel
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Die Gäste zeigen bisher großes Verständnis, gerade weil wir so transparent mit den Preisen umgehen. Wenn aber zum Beispiel das Rinderfilet mal wieder wahnsinnig teuer im Einkauf ist, nehmen wir es einfach von der Karte. Wie jetzt. Oder Lamm, das von heute auf morgen ein Drittel teurer geworden ist. Wir haben auch schon den Kräuter-Pflücksalat durch normalen Salat getauscht, wenn der Preis irre angestiegen ist. Gleichzeitig rudern wir zurück, wenn die Produkte billiger werden. Das macht viel aus.

Ich glaube, dass man diese Krise am besten meistert, wenn man eine raffinierte Küche anbietet und dynamisch mitdenkt. Was auf der Karte steht, sollte etwas besonderes sein, was der Gast nicht mühelos im Alltag selbst umsetzen kann. Er kann sich zum Beispiel zwar zu Hause allein eine Roulade oder Königsberger Klopse machen, aber das geschieht aufgrund des Aufwandes eher selten. Wer dazu noch atypische Speisen anbietet wie zum Beispiel ein Lachstartar mit Avocado oder Kalbscarpaccio mit Kräurerseitlingen, macht in meinen Augen vieles richtig. Dann ist der Gast auch bereit, etwas mehr zu bezahlen. So müssen wir Gastronomen den Gast locken - wer raffinierter anbietet, hat es in Sachen Preisanstieg sicherlich leichter als beim Schnitzel-Einmaleins."

Michael Schramm, Chef der Isoletta-Gruppe mit elf italienischen Restaurants im Rhein-Main-Gebiet

Michael Schramm, Chef der Isoletta-Gruppe, die elf Restaurants im Rhein-Main-Gebiet betreibt, gut gelaunt vor der Frankfurter Skyline.

"Der Gast muss verstehen, warum die Carbonara jetzt 15 statt zwölf Euro kostet. Wir müssen ihm erklären, warum das Gericht jetzt diesen Wert hat, warum für uns ganz klar ist, dass wir nicht preiswerter kaufen, sondern bei unserer gewohnten Qualität bleiben. Wir könnten zum Beispiel Eiweiß aus dem Tetra-Pack kaufen, das wäre viel billiger und würde geschmacklich keinen Unterschied machen. Wir verwenden aber weiter Bio-Eier, um unseren Pastateig herzustellen.

Aber so wie alle Kunden an der Tankstelle oder im Supermarkt täglich neue Preis-Überraschungen erleben, werden auch wir ständig überrascht. Übrigens mit allem - unser Fisch zum Beispiel hat niemals die Ukraine gesehen, wird aber trotzdem teurer.

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„Die Gastronomen, die sich trauen, diese enorm höheren Kosten auch umzusetzen, die werden es schaffen.“ Michael Schramm Michael Schramm
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Hinzu kommen regelmäßige Investitionen, die man als Gastronom tätigen muss. All diese Kosten, für Handwerker zum Beispiel, sind um 25 Prozent gestiegen. Und Zulieferer nehmen jetzt plötzlich Fahrtkosten. Wir haben keine Chance mehr, uns kostenlos von jemandem beliefern zu lassen, der ein paar hundertausend Euro Umsatz mit uns macht. Hinzu kommen enorm gestiegene Personalkosten - ich sage nicht, dass das falsch ist, weil Kellner oder Spülhilfen bislang einfach zu wenig verdient haben. Und signifikant höhere Stromkosten.

Der Gast aber sieht die gleiche Speisekarte und erlebt das gleiche Gast-Erlebnis. Man kann da keine Pauschallösung finden, jedes Lokal muss individuell mit dieser Problematik umgehen. Es gibt sensible Dinge, auf die schaut jeder Gast: Cola, Bier und Cappuccino. Da sehe ich, wie Gastronomen sich schwer tun aufzuschlagen, die Preiserhöhungen sind da eher im homöopathischen Bereich. Bei Hauptgerichten traut man sich das eher. Die Gastronomen, die sich trauen, diese enorm höheren Kosten auch umzusetzen, die werden es schaffen. Die, die sich nicht trauen, werden untergehen."

Peter Stürtz, Geschäftsführer der Gastronomie im Hessenpark Neu-Anspach (Hochtaunus)

Peter Stuertz, der Geschäftsführer der Gastronomie im Hessenpark, lehnt lächelnd aus einem Fenster.

"In die Zukunft blicke ich panisch. Gerade hatten wir Gastronomen gedacht, wir hätten Corona einigermaßen gut überstanden, und jetzt kommt so etwas. Für uns ist das ein echter Schock. Auf der einen Seite schießen die Einkaufspreise 20 bis 60 Prozent nach oben, auf der anderen Seite steigen auch die Personalkosten massiv. Pflanzenfette und Öle, die früher 60 bis 70 Cent pro Liter gekostet haben, kosten jetzt mehr als drei Euro.

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„Für uns ist das ein echter Schock.“ Peter Stürtz Peter Stürtz
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Sonntags wollen bei uns alle in der Sonne Pommes essen, aber wenn ich meine vier Fritteusen frisch mit Öl befülle, kostet mich das jetzt zwischen 50 und 60 Euro statt vorher um die 20 Euro. Parallel dazu geht der Mindestlohn hoch, Fachkräfte fehlen uns auch. Wir rechnen an allen Ecken und Enden mit dem ganz spitzen Bleistift, aber in dieser Situation bleibt uns gar nichts anderes übrig, als die Teuerungen auch an die Gäste weiterzugeben. Das versuchen wir mit Fingerspitzengefühl. Und die allermeisten haben dafür auch Verständnis. Sie sehen ja, dass es auch im privaten Bereich teurer wird.

Ich habe die Hoffnung, dass die vernünftige und ordentliche Gastronomie gestärkt aus dieser Krise herauskommt, dass sie eine höhere Wertigkeit bekommt, weil es den Gästen wert ist, etwas Hochwertiges zu essen. Was bleibt mir auch anderes übrig? Ich kann nichts anderes. Ich bin Gastwirt. Mir hüpft das Herz, wenn ich sehe, wie eine Kellnerin mit einem vollen Tablett selbstgemachter Limonade fröhliche Gäste in der Sonne bedient."

Johanna Ullrich, General Manager im Kronenschlösschen in Eltville-Hattenheim (Rheingau-Taunus)

Johanna Ullrich, die General Managerin im Hattenheimer Gourmetrestaurant Kronenschlösschen, steht vor einer Wand.

"In der Gastronomie kennen wir dieses Problem schon seit Jahren: Was in anderen Branchen akzeptiert wird, wird bei uns in Frage gestellt. Tickets fürs Theater oder Fußball-Stadion werden immer teurer, Säle und Stadien sind trotzdem voll.

Die Preiserhöhungen für Lebensmittel, für Energie oder Handwerker fallen aktuell so drastisch aus, da bleibt uns einerseits gar keine andere Wahl, als das an die Kunden weiterzugeben - sonst zahlen wir drauf. Andererseits können wir den ganzen Umfang gar nicht weitergeben. Wir müssen aber damit anfangen. So haben wir zum Beispiel den Preis für unser Drei-Gang-Menü im Bistro von 38 Euro auf 45 Euro erhöht. Im Gourmet-Restaurant bieten wir statt zwei Menüs nur noch ein Menü an, einfach weil die Lieferkosten viel zu hoch wären, um eine so große Auswahl für theoretisch alle Gäste auf Lager zu haben.

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„Die Qualität unserer Waren zu reduzieren, wird nie eine Option sein.“ Johanna Ullrich Johanna Ullrich
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Stattdessen die Qualität unserer Waren zu reduzieren, wird aber nie eine Option sein. Das würde unseren Ansprüchen und denen unserer Gäste nicht gerecht. Es geht darum, ihnen zu vermitteln, warum die Preise in der Gastronomie steigen. Sie merken vielleicht zu Hause, dass ihre Eier und ihre Milch teurer geworden sind, aber für die Gäste ist ja gar nicht ersichtlich, dass die Stundensätze für Handwerker steigen oder die Kosten für Kühlmittel sich zum Beispiel versechsfacht haben. Hinzu kommt der Personalmangel.

Wir hatten 30 Jahre lang jeden Tag unser Bistro geöffnet, jetzt haben wir Montag und Dienstag Ruhetag, haben mittags nur noch Freitag bis Sonntag und abends Mittwoch bis Sonntag offen. Das alles ist für uns ein enormer Einschnitt. Aber ich sage immer: Es bringt nichts, sich aufzuregen über Dinge, die man sowieso nicht ändern kann. Wir können nicht die Preise für Waren oder Energie ändern. Das einzige, was wir tun können, ist, unsere Preise anzupassen. Und das muss, ehrlich gesagt, überall passieren, von der Straußwirtschaft bis zum Sterne-Restaurant. Nur so schafft man dafür wirklich Verständnis in der Gesellschaft."

Thorsten Lettmann, Inhaber des Lokals Herzblut & Zinke, Darmstadt

Thorsten Lettmann, der Inhaber des Restaurants „Herzblut & Zinke“ in Darmstadt

"Unser Standort mitten in Darmstadt ist sicher ein kleiner Vorteil im Vergleich zu Gastronomen im ländlichen Bereich. Hier sitzt das Geld etwas lockerer, wir müssen weder unsere Öffnungszeiten kürzen noch unser Konzept ändern.

Wir haben aber während der Corona-Pandemie auch gesehen: In einer wirtschaftlichen Krise ist das Ausgehen eine der ersten Sachen, die im privaten Bereich gestrichen werden. Da sagt man sich: Alles andere kriegen wir schon hin - aber gegessen und gefeiert wird erstmal zu Hause und im kleinen Kreis.

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„Wir geben nur die Aufschläge auf die Rohstoffe weiter, wollen uns nun keine goldene Nase verdienen.“ Thorsten Lettmann Thorsten Lettmann
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Natürlich mache ich mir also Gedanken: Ist die aktuelle Situation nur die Spitze des Eisberges oder hat diese Entwicklung bald ein Ende? Wir haben ja gleich mehrere Baustellen: nicht nur enorme Preissteigerungen, sondern auch Personalprobleme und Lieferengpässe. Da überlegt man als Gastronom automatisch, wie weit man noch gehen kann, um wirtschaftlich zu arbeiten. Wie weit man noch gehen kann, ohne zu befürchten, dass man als überteuert gilt. Bislang erfahren wir sehr viel Verständnis von unseren Gästen, es gab noch keine Beschwerden.

Wir versuchen einen gesunden Mittelweg zu gehen, bei den Grundprodukten etwas aufzuschlagen, aber transparent damit umzugehen. Wir geben nur die Aufschläge auf die Rohstoffe weiter, wollen uns nun keine goldene Nase verdienen. Dabei haben wir das Glück, dass wir mit regionalen Lieferanten zusammenarbeiten, die Anfahrtswege sind kurz. Trotzdem verlangen Lieferanten plötzlich Anfahrtspauschalen von 25 bis 50 Euro. Der Preis für Schweinefleisch ist um 45 bis 50 Prozent gestiegen, Kaffee um 25 bis 30 Prozent, nur als Beispiele.

Irgendwann muss diese Entwicklung aber auch ein natürliches Ende haben, und dann muss man entscheiden, wie man weiter damit umgeht. Ich bin ein positiver Mensch. Ja, die aktuelle Situation ist herausfordernd, aber auch diese Herausforderung werden wir meistern."

Protokolle: Max Sprick