Ein Mann mit grauen Haaren steht vor weihnachtlich geschmückten Buden. Er hält einen Rauhaardackel an einer Leine.

Die neuen Corona-Regeln bedeuten für Gastronomie, Hotelgewerbe und Kulturschaffende harte Einschränkungen - wieder einmal. Ob Frankfurter Apfelweinwirtschaft oder Gießener Club: Betroffene blicken mit zunehmendem Frust auf die nächsten Wochen.

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Neue Corona-Regeln: Das gilt ab Donnerstag

hessenschau vom 25.11.2021
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Seit Donnerstag gelten in Hessen wieder verschärfte Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Das betrifft beispielsweise Restaurants, Hotels und Kultureinrichtungen - also Bereiche, die seit Beginn der Pandemie schon besonders viele Einschränkungen hinnehmen mussten.

Um die steigenden Infektionszahlen zu bremsen, muss dort nun das 2G-Modell angewendet werden, Zutritt haben nur Geimpfte und Genesene. Außerdem müssen Abstandsregeln beachtet und Masken getragen werden. Alternativ können die Betreiberinnen und Betreiber auf 2G plus erweitern, hier entfallen Abstand und Maske, dafür müssen geimpfte oder genesene Gäste zusätzlich einen negativen Schnell- oder PCR-Test vorweisen.

Julius Wagner, Geschäftsführer des hessischen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, sieht bei der verschärften 2G-Regelung besonders in der Abstandspflicht eine Belastung für das Gastgewerbe. Dadurch würden die Kapazitäten wieder eingeschränkt. Auch bei 2G plus gehen gerade durch ausbleibende Spontankundschaft Einnahmen flöten. "Die Stimmung reicht von stoischem Durchhalten über Sorge bis zu Frustration und Verzweiflung", stellt Wagner fest. Was sagen Betroffene selbst? Sieben Hessinnen und Hessen berichten.

"Wir können so nicht existieren"

Andreas Rupf, Geschäftsführer der Apfelweinwirtschaft "Zum Gemalten Haus" in Frankfurt:

Andreas Rupf vom Gemalten Haus

"Bislang haben wir 3G angewendet, das passt vom Sozialgefüge eher zum Apfelwein, der eigentlich für alle Leute da ist. Jetzt müssen wir noch engmaschiger kontrollieren. Wir verzichten auf den zweiten Ein- und Ausgang. Alle müssen vorne herum. Es gibt viele Leute, die sich darüber beschweren. Wenn es auf einmal doch voll wird, dann bilden sich Schlangen, weil wir kontrollieren müssen.

Bereits seit 14 Tagen stottert der Motor in der Frankfurter Gastronomie wieder. Wir sind ein Betrieb, der 300 Plätze hat. Die Leute kommen eigentlich zu uns, um gemütlich zusammenzusitzen. Aber sie sind unsicher, und es ist ihnen zu viel Aufwand, um etwas Kleines zu essen oder Apfelwein zu trinken.

Wir können so nicht existieren. Die Kellner leben vom Umsatz und ihrem Trinkgeld. Wir haben uns gerade ein bisschen aus der Kurzarbeit herausgearbeitet, rutschen aber jetzt wieder rein. Und wir befinden uns, glaube ich, eher am Anfang vom Tunnel als am Ende."

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"Kino wird wieder stigmatisiert"

Christopher Bausch, Betreiber der Frankfurter Programmkinos Cinéma, Eldorado und Harmonie:

Ein dunkelhaariger Mann mit schwarzer Brille sitzt in einem Kinosaal.

"Das Problem ist gar nicht so sehr die neue 2G-Regelung, sondern dass das Kino und Kulturorte allgemein in der Wahrnehmung wieder stigmatisiert werden. Ständig wird diese Angst geschürt, in der Kultur wäre es gefährlich. Das ist totaler Quatsch!

Wir waren bisher sehr akribisch beim Kontrollieren von 3G, haben nach wie vor Plexiglaswände aufgestellt und unsere Sitzplätze nicht voll belegt. Dafür haben wir viel Lob bekommen. Die Gäste haben immer wieder gesagt: Man fühlt sich bei euch sicher, wir kommen gerne. Was sollen wir noch mehr machen?

Normalerweise ist der Winter die Zeit, in der Kinos Geld verdienen, damit sie über den Sommer kommen. Die Chance haben wir wieder nicht. Die Politik macht den gleichen Fehler, sie bestraft wieder die Kultur dafür, dass andere nicht vorsichtig handeln. Wir baden deren Versagen aus. Sie haben uns in den Lockdowns geholfen, keine Frage. Aber irgendwann geht einem die Geduld aus."

"Wir wollen Normalität"

Eine Frau mit dunklen Haaren und schwarzer Maske steht vor einer Liege.

Sabine Rudolph betreibt das Kosmetikstudio "Schönheitssalon" in Kassel-Wilhelmshöhe:

"Ich finde 2G gut, weil wir nicht wieder alles schließen wollen. Wir wollen irgendwann eine Normalität bekommen. Ich habe alle Vorkehrungen getroffen: In der Kabine steht ein speziell angefertigter Spuckschutz, außerdem habe ich Luftfilter installiert, um den Kunden und mir das Gefühl von Sicherheit zu geben. Das waren natürlich erstmal Ausgaben. Das Haus hier steht unter Denkmalschutz, ein Fenster konnte nicht geöffnet werden - da mussten auch Arbeiten vorgenommen werden. Bei dem Luftreiniger konnte ich auf staatliche Förderungen zugreifen, bei den anderen Dingen nicht.

Viel mehr Aufwand entsteht für mich nicht durch die 2G-Regel. Jede Kundin zeigt mir ihren Impfpass und den Personalausweis. Beim Betreten des Geschäfts füllt jeder noch ein Formular aus: mit Anschrift, ob er erkältet ist, schon Corona hatte und so weiter. Das nimmt ein bisschen Zeit in Anspruch, aber das ist okay. Meine Stammkunden reagieren da verständnisvoll.

Anfänglich war das sehr schwierig, als noch nicht viele geimpft waren. Da mussten vor den Behandlungen Schnelltests durchgeführt werden, was nicht jeder Kunde wollte. Ein großer Teil ist dann nicht mehr gekommen, auch jetzt sind noch lange nicht wieder alle da. Aber meine Stammkunden sind geblieben und haben mich auch im Lockdown unterstützt. Die Kunden, die im Moment zu mir kommen, sind geimpft. Die werden auch weiterhin kommen, weil sie die Maßnahmen unterstützen. Wir wollen von den Zahlen runterkommen, wir wollen wieder Normalität."

"Kultur ist extrem eingeschränkt durch die Pandemie"

Kulturveranstalter und Bühnenkünstler Michael "Shaggy" Schwarz

Michael "Shaggy" Schwarz (43) ist Kultur-Veranstalter im "Kreuz" in Fulda, Entertainer Trainer für Improvisationstheater:

"In der Kultur-Branche gilt nun die 2G-Regel, wir machen daraus aber 2G plus und verlangen zusätzlich Negativ-Tests. Dann brauchen Besucher am Platz keine Masken und fühlen sich sicherer. Nicht zuletzt wegen der strengeren Regeln rechne ich mit weiteren Einbußen für Veranstalter. Denn es werden weniger Tickets gekauft, bestimmt ein Drittel. Einige lassen ihre Karten sogar verfallen wegen der hohen Corona-Zahlen - ausgehen ist vielen zu heiß geworden.

Ich persönlich schaue sehr beunruhigt auf die nächsten Wochen. Es fällt Veranstaltern, Agenturen und Künstlern immer schwerer, ihrer Arbeit nachzugehen. Viele haben massive Probleme wegen der Pandemie oder sind bereits am Ende. Als Solo-Künstler spüre ich die Auswirkungen, es kommen viele Absagen rein. Und ich fürchte: Es wird auch in Hessen zu einem Teil-Lockdown kommen für die Kultur - wie in Bayern und Sachsen. Dann werden auch wieder Fördermittel vom Staat fließen müssen.

Es ist sehr traurig, dass wir als Gesellschaft in der langen Pandemie-Zeit nicht weitergekommen sind, und wir weiterhin nur extrem eingeschränkt unserem Beruf nachgehen können. In der aktuellen Situation kann man mit den geltenden Regeln kaum etwas veranstalten, was richtig Geld einbringt - und der Aufwand wird immer größer."

"Wir fühlen uns in der Schwebe"

Ronny Krämer, Geschäftsführer im Gießener Club M.u.K. (Musik- und Kunstverein):

"Wir haben schon vor zwei Wochen beschlossen, lieber 2G plus zu fahren, auch wenn das da noch nicht vorgeschrieben war. Es geht uns dabei vor allem um den Schutz der Gäste und auch unseres Personals. Weil derzeit Teststellen oft überlaufen oder geschlossen sind, bieten wir auch Tests vor Ort an. Außerdem achten wir darauf, die Räume nicht ganz so voll zu machen.

Aber viele Gäste sind unsicher, und es kommen weniger Leute zum Tanzen als vorher. Besonders bei Veranstaltungen mit Ü30er-Klientel bemerken wir das. Zwei dieser Partys haben wir deshalb schon ins nächste Jahr verschoben.

Wir bekommen im Moment keine Ausfallgelder, und Kurzarbeit können wir erst beantragen, wenn es eine klare Ansage von der Landesregierung gibt, den Betrieb wieder einzustellen. Momentan fühlen wir uns deshalb irgendwie in der Schwebe – das ist schon blöd."

"Gäste, die nicht mitziehen, müssen gehen"

Robert Hofmann (50), Kneipier in Fulda und Wirt im "Spitzbub im Fässchen":

Fuldaer Kneipenwirt Robert Hofmann

"Für mich ändert sich im Betrieb nicht viel. Ich setzte schon länger auf 2G. An den Wochenenden führen wir nun als zusätzliche Sicherheit 2G plus ein. Gäste müssen dann mit einem negativen Test kommen oder können sich vor Ort für vier Euro an der Einlasskontrolle testen lassen. Dadurch herrscht keine Masken- und Abstandspflicht mehr, alles ist ungezwungener. Denn sag' mal einem Gast, der zehn Bier getrunken hat, dass er sitzenbleiben und Abstand halten soll - das wird nichts. Ich glaube, dass sich die verschärften Regeln einspielen werden. Und Gäste, die nicht mitziehen, müssen gehen.

An Schnelltests zu kommen, ist schwer geworden. Alle ausverkauft. Ich musste weit fahren, um welche zu bekommen. Die Preise sind auch gestiegen: von 85 Cent auf drei Euro. Aber das sollte es uns allen wert sein. Ich hoffe, dass es auch genügend Kontrollen der Ordnungsbehörden gibt, damit die Einhaltung der Regeln überprüft wird. Wir können keine schwarzen Schafe gebrauchen.

Auf lange Sicht ahne ich Böses und rechne in Hessen mit einem Teil-Lockdown wie in Bayern und Sachsen. Restaurants und Kneipen müssen bestimmt schließen, wenn die Infektionszahlen weiter steigen. Die Weihnachtsmärkte wird es wohl auch erwischen."

"Das ist eine nervliche Belastung"

Carola Merkel, Inhaberin des Landgut-Hotels Dornröschen in Höchst im Odenwald:

Eine Frau mit kurzen braunen Haaren und roter Brille und ein Mann mit weißer Schürze lächeln in die Kamera.

"Bei uns ist die Mehrheit der Gäste geimpft. Ich glaube aber, die Angst ist da, und ich kann mir vorstellen, dass der eine oder andere noch absagt. Das erschwert natürlich die Planung: 'Kann ich jetzt bestellen oder nicht?' Das ist auch ein bisschen eine nervliche Belastung.

Von einer ungeimpften Mitarbeiterin haben wir uns schweren Herzens getrennt, aber es ging nicht anders. In der Gastronomie ist Personal kaum vorhanden. Wenn dann noch eine Mitarbeiterin fehlt, weil sie ungeimpft ist, wird alles sehr schwierig. Die neuen Regeln waren aber fällig. Mir geht es selbst so, wenn ich weggehe. Wenn ich weiß, da ist 2G, dann fühle ich mich viel wohler."

Ihr Mann Peter Merkel ergänzt:

"Die letzten Monate waren wir durch die sommerliche Situation ganz gut am Ball, aber im November, Dezember wird es wieder knifflig. Da werden wir nochmal schauen müssen, ob eine staatliche Unterstützung erwirkbar ist. Erste Tischabsagen im Restaurant gab es schon. Im Hotelbereich merkt man bis jetzt noch nicht so viel. Für Silvester gibt es schon Reservierungen. Mal sehen, ob das so bleibt oder ob auch hier Gäste absagen."

"Wirtschaftlich eine Katastrophe"

Ingo Jakob, Inhaber des Hotels Jakob in Groß-Umstadt:

Ingo Jakob

"Als die Zahlen Anfang November stark anstiegen, merkten wir die Auswirkungen direkt im Verhalten unserer Gäste. Von einer angepeilten ca. 80-prozentigen Auslastung konnten wir noch ca. 50 Prozent generieren. Der Dezember ist nun total eingebrochen. Dies ist natürlich wirtschaftlich wieder eine Katastrophe.

Da nun bis in den Mai viele Tagungen und Familienfeiern storniert wurden und praktisch kaum neue Buchungen erfolgen, müssen wir wieder Kurzarbeit anmelden. Wir haben es bisher geschafft, weitgehend alle 28 Mitarbeiter zu halten. Somit stehen wir diesem Punkt trotzdem optimistisch entgegen, dass wir dies auch weiterhin schaffen. Unser Haus besteht seit 41 Jahren und meine Eltern haben mir schon vorgelebt, nie über unsere Verhältnisse zu leben.

Für viele Kollegen, welche nicht so gut aufgestellt sind, oder durch Ihre kurze Bestandszeit gar keine Möglichkeit haben, so aufgestellt zu sein, tut es mir sehr leid. Wir arbeiten in einer tollen Branche. Von unseren vielen Stammgästen und Stammfirmen erhalten wir viel Zuspruch. Diese Wertschätzung ist unser Antrieb."

Protokolliert von Sina Philipps, Jörn Perske, Rebekka Dieckmann, Uwe Gerritz und Anna Lisa Lüft.

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