Ein Bagger steht neben den Gleisen der S6.

Ab 2024 soll die oftmals verspätete S-Bahn-Linie S6 auf eigenen Gleisen fahren. Doch in den Sommerferien steht zunächst eine Vollsperrung an. Grund ist eine Brücke über die Nidda, die erneuert werden muss.

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Ausbau S6 Frankfurt-Friedberg nach Plan

hs
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Wo in gut anderthalb Jahren die ersten Züge rollen sollen, wirbeln an diesem Montag mit Sand beladene Transporter Staub auf. Alle paar hundert Meter parken Bagger auf dem plattgewalzten Kiesbett. Dazwischen stapeln sich Sandsäcke, türmt sich Kies zu menschenhohen Hügeln.

Das Ziel der Deutschen Bahn wirkt vor dieser Kulisse ambitioniert: Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2023 soll die aktuell noch zweigleisige Strecke zwischen Frankfurt-West und Bad Vilbel (Wetterau) von vier Zügen parallel befahren werden können.

In dieser ersten von zwei Bauphasen erhält die S6 auf einer Strecke von 13 Kilometern eigene Schienen. Einen regelmäßigen 15-Minuten-Takt der Linie versprechen sich Bahn und der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) davon.

300 Züge und 60.000 Pendler täglich

Der Ausbau ist dringend nötig: 60.000 Fahrgäste nutzten die Strecke nach Angaben des RMV an einem typischen Wochentag vor der Corona-Pandemie. 300 Fernzüge, Regionalexpresse, S-Bahnen und Güterzüge rollen demnach täglich an Bad Vilbel vorbei - bisher alle auf demselben Paar Schienen.

Da sei es kein Wunder, dass die S-Bahn öfter "auf dem Abstellgleis lande" und sich verspäte, wenn sie wieder mal einen ICE oder Regionalzug vorbeilassen müsse, sagte Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) bei einer Besichtigung der Baustelle am Montag.

Während die S-Bahn in Berlin auf rund 99 Prozent ihrer Strecken über eigene Schienen verfüge, sei das in Frankfurt nicht einmal auf der Hälfte der Strecken der Fall, führte Al-Wazir aus.

Eine Karte zeigt die Haltepunkte auf der Strecke der S6.

Erleichterung bringen sollen die neuen Gleise auch Reisenden nach Mittelhessen. Langfristig soll mit einem zweiten viergleisigen Abschnitt auch die Strecke zwischen Bad Vilbel und Friedberg entlastet werden.

Vollsperrung wegen Brückenabriss

Doch zunächst brauchen Pendlerinnen und Pendler einen langen Atem: "Das wird ein harter Sommer", sagte Frankfurts Mobilitätsdezernent Stefan Majer (Grüne), der ebenfalls auf der Baustellenbesichtigung war. Ab dem 13. Juni wird die Strecke eingleisig gesperrt, vom 9. Juli bis 5. September dann komplett.

Schuld ist eine Niddabrücke auf Höhe der Haltestelle Bad Vilbel Süd, die sich als zu schwach für die neuen Schienen erwiesen hat, wie Wolf-Dieter Tigges, Projektleiter der DB Netz AG, erläuterte. In den acht Wochen werde die alte Brücke daher abgerissen und komplett ersetzt. Dazu muss unter anderem die Nidda gestaut und durch Rohre um die Baustelle geleitet werden.

Die S-Bahn fährt aktuell noch über die alte Niddabrücke, davor steht bereits ein Teil der neuen.

Eine Hälfte der neuen Brücke wartet auf der Baustelle bereits auf ihren Einsatz: Sobald die Bahnstrecke gesperrt ist, wird die alte Brücke gesprengt, und der neue, stabilere Bau mit Hilfe von Gleitlagern eingeschoben, erklärte Tigges. Der zweite Brückenteil werde ab September im laufenden Betrieb fertiggestellt.

In den Sommerferien sollen außerdem der Bahndamm zwischen Frankfurter Berg und Bad Vilbel fertig gebaut werden, Stützwände an einer weiteren Niddabrücke auf Höhe der B3 sowie an der Bad Vilbeler Kläranlage errichtet und schließlich die neuen Fernbahngleise auf einer acht Kilometer langen Strecke verlegt werden. Die S-Bahn wird später über die jetzigen Gleise fahren, die an vielen Stellen allerdings ebenfalls noch verschoben werden sollen.

Ersatzverkehr in den Sommerferien

Während der Sperrzeit richtet der RMV einen Ersatzverkehr mit Bussen und Expressbussen ein. Der Fernverkehr sowie der Regionalverkehr nach Mittelhessen werden von Frankfurt über Hanau nach Friedberg umgeleitet. Alle Fahrplanänderungen will der RMV bis Mitte Mai auf seiner Webseite veröffentlichen.

Die Kosten für den Ausbau der Strecke zwischen Frankfurt und Bad Vilbel von mindestens 570 Millionen Euro trägt zu einem Drittel des Land Hessen. Der Bund finanziert einen Großteil der verbleibenden Kosten, auch die Kommunen entlang der Strecke beteiligen sich.

Zeitplan um ein Jahr verzögert

Damit wird das Projekt rund 75 Prozent teurer als ursprünglich veranschlagt. Und auch beim Zeitplan hängt man ein Jahr hinterher. Einerseits mussten entlang der Bahnstrecke mehr Dämme gesichert werden als gedacht, andererseits hielten Gerichtsverfahren die Bauarbeiten auf.

Mehrere Anwohner hatten sich zu einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen, weil sie ihre Grundstücke nicht an die Bahn abtreten wollten. Sie befürchteten unter anderem, dass auf der Strecke künftig mehr Güter- statt Personenzüge fahren würden. Es sei jede juristische Möglichkeit ausgeschöpft worden, sagte Al-Wazir am Montag, was den Prozess verlängert und verteuert habe.

Haltepunkt Frankfurt-Ginnheim wird später fertig

Aus dem Zeitplan fällt nun auch der Bau des geplanten zusätzlichen Haltepunkts in Frankfurt-Ginnheim. Dieser wird erst nach 2023 fertig, wie die Bahn bereits im März ankündigte.

Wann es mit der zweiten Bauphase zwischen Bad Vilbel und Friedberg weitergeht, ist derzeit offen. Das Projekt befindet sich noch im Planfeststellungsverfahren. Die Bahn hofft, dass es ein paar Monate nach Fertigstellung des ersten Bauabschnittes weitergehen kann. Veranschlagt sind dann erneut mindestens fünf Jahre.

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