Die Arbeiten an der A49 müssen in Mittelhessen ruhen. Umweltschützer haben schadstoffhaltiges Material entdeckt. Die Fundstelle liegt in einem Wasserschutzgebiet.

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Teilbaustopp für A49-Ausbau in Mittelhessen

Baustelle mit Erdhügeln, die mit Plastikplane abgedeckt sind. Davor ein Schild "Betreten der Baustelle verboten" an einem Zaun.
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Wie das Regierungspräsidium (RP) Gießen mitteilt, wurden bei Stadtallendorf (Marburg-Biedenkopf) in einem Damm entlang der A49-Baustelle polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) gefunden.

Dabei handelt es sich um Schadstoffe, die häufig in alten Straßendecken enthalten sind. Bei einer Vor-Ort-Überprüfung habe man vereinzelt schadstoffhaltiges Material in Form von schwarzen Bruchstücken nachgewiesen, so das RP.

Vorrangegangen waren Erduntersuchungen, die Umweltschützer in Eigenregie durchgeführt hatten: Nach eigenen Angaben hatten sie die PAK-Brocken in der Erde entdeckt, in einem Schnelltest analysiert und die Ergebnisse an das RP gemeldet.

RP: Unklar, woher die Schadstoffe stammen

Seit Donnerstag gilt ein Baustopp für den Damm, der sich zwischen zwei A49-Brückenbauten östlich des Stadtallendorfer Ortsteils Niederklein befindet. Die weiteren Arbeiten an der Autobahn A49 laufen weiter. Die Fundstelle liegt in einem Trinkwasserschutzgebiet der Kategorie II.

Das RP teilt mit: Man könne derzeit nicht sagen, woher die Schadstoffe stammen und um welche Mengen es sich handelt. Zudem werde geklärt, ob weitere Verunreinigungen vorliegen. Von den Ergebnissen hingen auch die Entscheidung über weitere Untersuchungen und die Dauer des Baustopps ab, so das RP.

Umweltschützer sehen Zusammenhang mit früheren Funden

Die Umweltschützer und A49-Gegner, die den Fund gemeldet hatten, sind derweil überzeugt, dass die PAK-Belastung in Zusammenhang steht mit Giftstofffunden, die vor einem Jahr zu einem mehrmonatigen Baustopp geführt hatten. Damals war etwas weiter nördlich im Autobahnverlauf auf einem Erdhaufen Hexyl gefunden worden - eine sprengstofftypische Verbindung, die offenbar aus NS-Zeiten stammt.

Der Hintergrund: Die A49 durchkreuzt ein Gebiet am Rand von Stadtallendorf, in dem sich während des Zweiten Weltkriegs Europas größte Sprengstoff- und Munitionsfabrik befand. Weite Teile des Areals waren danach mit Schadstoffen und Munitionsresten verseucht. Die Altlastensanierung wurde auch beim Ausbau der A49, die direkt an Stadtallendorf vorbeiführen soll, oft diskutiert.

Die Grafik zeigt den Verlauf der geplanten Verlängerung der A49 und die Trinkwasserschutzgebiete, die davon betroffen sind.

Die Region rund um Stadtallendorf gilt zudem als wichtigste Trinkwasserressource in Mittelhessen. Rund um die Stadt befinden sich zahlreiche Trinkwasser-Entnahmestellen.

Vor Beginn des Autobahnbaus waren weite Teile des betroffenen Gebiets saniert worden. Die vor einem Jahr gefundenen Schadstoffe wurden zwar auf dem Gelände der ehemaligen Sprengstofffabrik gefunden, allerdings knapp außerhalb der sanierten Bereiche. Dort war vorher eine alte Artilleriestraße verlaufen.

RP sah keine Gefährdung durch Hexyl

Das RP Gießen führte im vergangenen Jahr Nachuntersuchungen durch und hob schließlich drei Monate später den Baustopp wieder auf. Begründung: Es bestehe keine Gefährdung für den Boden, das Grundwasser oder den Menschen.

Man habe zwar stellenweise geringfügige Belastungen mit TNT und PAK in der Erde festgestellt, jedoch lägen die Konzentrationen unterhalb der Grenzwerte, berichtete das RP im Jahr 2022. In der überwiegenden Anzahl der genommen Bodenproben habe man keine Schadstoffe gefunden.

Kritik: Untersuchungen waren nicht umfangreich genug

Vertreter der Aktionsgemeinschaft Schutz des Ohmtals und der Danni-AG der Organisation Parents for Future werfen dem RP nun vor, dass die Untersuchungen damals nicht gründlich und umfangreich genug gewesen seien.

Sie meinen: Große Mengen des möglicherweise belasteten Erdaushubs seien vor dem Fund an anderen Stellen entlang des Baus verteilt und bisher nicht beprobt worden - darunter sei die Stelle, wo nun wieder PAK entdeckt wurden. Die Umweltschützer berufen sich dabei auf Dokumente, die sie nach eigenen Angaben beim RP eingesehen haben, und auf eigene Beobachtungen vor Ort.

Bauarbeiten

Kirsten Prößdorf, Sprecherin der Danni-AG, sagte dem hr: "Das ist ein Skandal. Wir erwarten jetzt, dass Umweltverbände dieses Mal in die Untersuchungen eingebunden werden." Das RP Gießen bezog zu den Vorwürfen der Umweltschützer bisher nicht Stellung. Auf hr-Anfrage teilte es mit, es wolle sich kommende Woche dazu detaillierter äußern.

A49 ist umstritten

An dem Lückenschluss der A49 wird seit 2021 gebaut. 2024 sollen die Arbeiten beendet sein. Dann soll die A49 Kassel und Mittelhessen an die A5 anschließen.

Der Ausbau der A49 ist insgesamt äußerst umstritten. Während sich Vertreter aus Wirtschaft und Politik davon eine bessere Anbindung der Region und Entlastung für Anwohner an vielbefahrenen Bundesstraßen erhoffen, kritisieren Umweltschützer unter anderem, dass für den Ausbau rund 85 Hektar Wald gerodet wurden. Zudem befürchten sie negative Folgen für das Grundwasser in der Region.

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