Stellenabbau und Standortschließungen Krise in der hessischen Industrie wird immer offensichtlicher

Die Meldungen über Stellenabbau und Standortschließungen bei Industrieunternehmen in Hessen häufen sich. Steckt die hessische Industrie in einer handfesten Krise?

Produktion von Elektro-Motoren im VW-Werk in Baunatal - Blick in die Produktionshalle - mehrere Motoren in Reihe auf Montageständern.
E-Motoren im VW-Werk in Baunatal. Die enge Verzahnung in der Autoindustrie sorgt in der Krise für einen Domino-Effekt. Bild © Volkswagen AG
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Die Hiobsbotschaften bei hessischen Industrieunternehmen reißen nicht ab. Wechselrichter für Photovoltaikanlagen, darauf ist das nordhessische Unternehmen SMA Solar spezialisiert. Ein Rückgang bei der Nachfrage und sinkende Preise, unter anderem durch die Konkurrenz aus China, haben den Gewinn einbrechen lassen. Das Unternehmen will alleine am Stammsitz in Niestetal (Kassel) 700 Stellen abbauen.

Bei der Firma Putzmeister soll am Standort in Gründau (Main-Kinzig) Ende 2025 der Betrieb ganz eingestellt werden. 250 Mitarbeiter werden ihren Job verlieren. Die Produktion von Stahlkomponenten für Betonpumpen, soll in die Türkei verlegt werden. Dort will man kostengünstiger produzieren, so die Pläne des Unternehmens aus Baden-Württemberg.

Ungewiss ist zudem noch immer die Lage für die 15.000 Beschäftigten im VW-Werk Baunatal. Klar ist, dass der Konzern sparen will und sparen muss. Dass das zweitgrößte Volkswagenwerk in Deutschland ganz geschlossen wird, gilt als unwahrscheinlich. Um einen Stellenabbau und finanzielle Zugeständnisse wird die Belegschaft aber wohl kaum herumkommen.

Das sind nur drei von vielen aktuellen Beispielen schlechter Nachrichten aus der hessischen Industrie der vergangenen Wochen. 

Gründe für ausbleibende Investitionen

Die Strukturkrise werde immer offensichtlicher, sagt Dirk Pollert, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung hessischer Unternehmerverbände (VhU). Dabei ist das aus seiner Sicht kein hessisches, sondern ein deutschlandweites Problem.

Pollert betont: "Der Wirtschaftsstandort Deutschland wird immer unattraktiver für Investoren." Überbordende Bürokratie, langsam arbeitende Behörden, hohe Preise für Gas und Strom und eine hohe Steuer- und Abgabenlast nennt der VhU-Hauptgeschäftsführer als Hauptgründe für ausbleibende Investitionen in Deutschland.

Die Abhängigkeiten in der Automobilbranche 

Die meisten Betriebe in Hessen seien zwar noch wettbewerbsfähig, aber konjunkturell sei der Ausblick negativ. Unter anderem die Branchen rund ums Auto hätten besonders stark zu kämpfen.

Am Beispiel der Autoindustrie lässt sich besonders gut aufzeigen, wie die Industrie verzahnt ist. Wenn der Autokonzern Stellantis seine Tochter Opel zum Sparen verdonnert und auch bei Volkswagen in Bauntal der Rotstift angesetzt wird, dann wächst der Druck auf die Zulieferer.

Continental etwa hadert seit langem mit seiner sogenannten Automotive Sparte. Nun werden Standorte auch in Hessen geschlossen: Schwalbach und Wetzlar sind hier betroffen, ein Teil der Belegschaft wechselt nach Frankfurt und Babenhausen (Darmstadt-Dieburg) insgesamt fallen in Hessen aber 1.200 Stellen weg. Der Reifenhersteller Goodyear schließt im kommenden Jahr sein Werk in Fulda. Hier verlieren über 1.000 Beschäftigte ihre Jobs.

Arbeitslosenzahlen werden tendenziell steigen

Die vielen angekündigten Stellenstreichungen machen sich zumindest noch nicht besonders stark in der Arbeitslosenstatistik bemerkbar. Im Oktober ist die Zahl der Menschen ohne Arbeit in Hessen sogar leicht zurückgegangen, allerdings weniger stark als normalerweise zu dieser Jahreszeit erwartet.

Die Arbeitslosenquote lag im Oktober in Hessen bei 5,5 Prozent. Ganz langsam ist die Arbeitslosigkeit in den vergangen Jahren gestiegen. Die Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur geht auch nicht davon aus, dass der Arbeitsmarkt kurzfristig einbrechen wird. Aber der Vorsitzende Frank Martin sagt, die Frühindikatoren für die Wirtschaft seien negativ, "wir gehen deshalb von tendenziell steigenden Arbeitslosenzahlen aus".

Weniger Beschäftigte in Zeitarbeit - ein schlechtes Zeichen

Einer dieser Frühindikatoren ist die Zeitarbeit. Hier ist die Zahl der Beschäftigten zuletzt besonders deutlich zurückgegangen, ein Minus von mehr als acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. Unternehmen, unter anderem auch in der Autoindustrie, trennen sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mutmaßlich zunächst von den Leiharbeitern, bevor sie bei der Kernbelegschaft ansetzen.

Stellanabbau, Werkschließungen und Verlagerungen, schwache Konjunkturaussichten und strukturelle Probleme in Deutschland und damit auch in Hessen. Die Bedingungen für die Industrie, die immerhin ein Fünftel aller Arbeitsplätze in Hessen ausmacht, sind derzeit schwierig.

Dirk Pollert von der Arbeitgebervereinigung VhU hofft auf einen Kurswechsel in der Politik. Wenn es eine Wirtschaftswende mit Reformen wie in den 80er-Jahren und den frühen 2000ern gebe, "dann stehen die Chancen sehr gut, dass wir einen anhaltenden Aufschwung in Deutschland und Hessen bekommen." Dann könnte es auch wieder neue und mehr Jobs in der hessischen Industrie geben. 

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Quelle: hessenschau.de