Ein Mitarbeiter arbeitet an einer Maschine

Hohe Strom- und Gaspreise und Lieferengpässe: Viele hessische Betriebe geraten zunehmend in Not, und Wirtschaftsexperten sagen noch schwierigere Monate voraus. Die Alarmglocken schrillen bei Branchenverbänden und Unternehmern.

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Unternehmen in der Energiekrise

hessenschau vom 13.09.2022
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Bei der Polar Group in Hofheim ist die Produktion ins Stottern geraten. "Wir können etliche Maschinen nicht mehr ausliefern, weil wir wichtige Bauteile nicht bekommen", sagt Geschäftsführer Michael Wombacher. Das Unternehmen liefert seine Schneide- und Verpackungsmaschinen in 170 Länder, vor allem an Druckereien. In manchen Bereichen ist der Mittelständler sogar Weltmarktführer.

Maschinenteile werden immer teurer

Derzeit stehen 65 Maschinen in den Hallen und können nicht fertig gestellt werden, manche sind bis zu eine Million Euro wert. Oft fehlen etwa High-Tech-Komponenten wie Chips oder einfache Gussteile aus Metall. Diese Gussteile sind nicht nur knapp, sondern könnten in der Herstellung wegen der stark gestiegenen Gaspreise auch immer teurer werden - und somit auch die Maschinen der Polar Group. Und so ist die Sorge groß, dass man für sie am Ende keine Abnehmer mehr findet.

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Hohe Strom- und Gaspreise und Lieferengpässe - droht die Energiekrise?

Ein Gaszähler in einem Mietshaus
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Die Polar Group nimmt nach Auskunft der Firmenleitung kaum noch Geld ein und ist seit fast drei Wochen in einem Schutzschirmverfahren. Dieses hat das Unternehmen beim Amtsgericht Frankfurt beantragt. Damit seien alle Zahlungen und Rechnungen erst einmal eingefroren und die Arbeitsagentur übernehme für drei Monate die Löhne und Gehälter. Das gebe dem Unternehmen Zeit, um wieder auf die Beine zu kommen.

Energiekrise trifft Unternehmen härter als Coronakrise

Für die hessische Wirtschaft ist gerade die Energiekrise ein Riesenproblem. Das zeigt eine Umfrage der hessischen Industrie- und Handelskammern (HIHK), an der über 350 Betriebe teilgenommen haben. Demnach fürchtet fast jedes zweite Unternehmen wegen der hohen Gas- und Strompreise um seine Wettbewerbsfähigkeit. Jedes vierte Unternehmen stellt bereits wichtige Investitionen etwa in den Klimaschutz zurück.

"Viele Unternehmer berichten uns, dass sie die hohen Energiekosten in existenzielle Nöte stürzen", meint HIHK-Sprecher Alexander Rackwitz. "Die wirtschaftlichen Folgen könnten gravierender sein als bei der Corona-Pandemie".

Das Kurzarbeitergeld hilft - aber nur wenig

Besonders betroffen sind Unternehmen, die bei der Produktion sehr viel Energie verbrauchen, meint Dirk Pollert, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände. "Zum Beispiel Glashütten, Gießereien, Schmelzen und die Papier- und Chemieindustrie melden uns, dass sie große Schwierigkeiten haben." Zwar hätten diese Unternehmen teilweise Kurzarbeitergeld beantragt, aber das würde nur die Personalkosten abdecken, nicht die hohen Energiekosten.

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Glas und Gas: Derzeit eine schwierige Konstellation

Blick auf die vom Künstler Imi Knoebel entworfenen Fenster der Kathedrale von Reims, aufgenommen am 11.05.2015.
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Auf diesen hohen Energiekosten bleiben die Unternehmen laut Pollert oft sitzen. Denn sie könnten sie nicht immer an die Kunden weitergeben und für ihre Waren höhere Preise verlangen. Sonst würden sie im internationalen Wettbewerb nicht bestehen können.

Nach Angaben des statistischen Landesamtes Hessen gab es im ersten Halbjahr 2022 rund 590 Unternehmensinsolvenzen - knapp sechs Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Die Lage könnte sich im Herbst und Winter zuspitzen, gibt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Frankfurter Commerzbank, zu bedenken: "Wenn wir nicht genug Gas sparen, hat die Regierung angekündigt, dass sie es rationieren wird. Dann müssten viele Unternehmen ihre Produktion drosseln oder ganz stoppen." Und selbst wenn die Gas- und Strompreise einfach nur weiter so hoch bleiben, hält es Ulrich Kater, Chefökonom der Frankfurter Deka-Bank, für wahrscheinlich, dass das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland sinken dürfte.

Ifo-Institut sagt Rezession voraus

Das Münchener Ifo-Institut sagt für den Winter gar eine Wirtschaftskrise, also eine Rezession, voraus. Dem dürfte sich auch die hessische Wirtschaft nicht entziehen können, die im vergangenen Jahr noch um mehr als drei Prozent gewachsen war. Immerhin hat der Bund in Aussicht gestellt, angesichts der großen Energienot bestehende Hilfsprogramme auszuweiten. So sollen zum Beispiel auch Handwerksbetriebe Zuschüsse für Gas- und Stromkosten erhalten. Das Land wird prüfen, wie es diese Bundeshilfen auf Landesebene sinnvoll ergänzen kann.

Die Unternehmen überlegen sich in der Not auch eigene Auswege: So tüftelt die Polar Group nach eignen Angaben gerade an ihren Maschinen, damit sie bei den Kunden effizienter laufen und sich auch deshalb gegenüber Konkurrenzprodukten abheben. Auch von den teuren Gussteilen wolle sich das Unternehmen langfristig unabhängiger machen, um trotz Energiekrise weiter bestehen zu können.

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