Verlagerung nach Frankfurt Telekom will Standort Darmstadt drastisch verkleinern

Die Telekom ist der zweitgrößte Arbeitgeber in Darmstadt, doch das könnte sich bald ändern. Denn der Konzern plant laut eines internen Dokuments eine deutliche Reduzierung der Büros vor Ort. Erste Schritte sind bereits eingeleitet, Gewerkschaft und Betriebsrat schlagen Alarm.
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Gewerkschaft kritisiert Telekom-Plan

Mit seinen 5.500 Beschäftigten ist Darmstadt der zweitgrößte Standort der Telekom – nach der Zentrale in Bonn. Und gleichzeitig der zweitgrößte Arbeitgeber in der Stadt. Doch wie lange noch? Das Telekommunikationsunternehmen hat offenbar konkrete Pläne, die Büroflächen in der sogenannten "Telekom-City" drastisch zu verkleinern.
Hälfte der Büros fällt weg
Das geht aus einem internen Führungskräfte-Dokument der besonders betroffenen Gesellschaft Deutsche Telekom IT GmbH hervor, das dem hr vorliegt. Im Zuge des "Projekts Rhein-Main" peilt die Telekom demnach bei allen in Darmstadt vertretenen Gesellschaften eine "Flächenrückgabe von bis zu 50 Prozent" an – was heißt, dass die Hälfte der bislang gemieteten Büroarbeitsplätze wegfallen soll.
Gleichzeitig soll der Standort Frankfurt gestärkt werden, wo die Telekom Bestandsimmobilien besitzt, die bislang nicht ausgelastet sind. Damit solle Leerstand in beiden Städten verhindert werden.
Erster Mietvertrag bereits gekündigt
Als erste konkrete Maßnahme hat die Telekom in diesem Zuge den auslaufenden Mietvertrag des größten Bürogebäudes auf dem Telekom-Campus im Westen der Stadt gekündigt. Dort sitzt die angesprochene IT GmbH. Ab November 2022 fallen somit rund 1.350 Büroarbeitsplätze in Darmstadt weg, von denen laut internem Dokument rund 700 an anderer Stelle wieder aufgebaut werden sollen – in Darmstadt und in Frankfurt.
Zahlen zu den anderen in Darmstadt ansässigen Gesellschaften liegen dem hr nicht vor. Verdi spricht allerdings davon, dass von den momentan in Darmstadt verfügbaren 4.000 Büroarbeitsplätzen am Ende noch 2.000 übrig bleiben sollen.
Für die betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen heißt das konkret, dass sie sich künftig ihren Büroarbeitsplatz mit einer anderen Person teilen müssen, sogenanntes Desksharing. Was wiederum bedeutet, dass Teile der Arbeit im Homeoffice erledigt werden müssen.
Homeoffice und Desksharing
Der Betriebsrat der IT GmbH und die Gewerkschaft Verdi sind von den Plänen der Telekom wenig angetan. Während die Telekom-Führungskräfte von einer "gesunden Mischung" aus mobilem Arbeiten und Desksharing sprechen, wirft Verdi dem Konzern vor, Kosten auf Kosten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sparen zu wollen.
Durch die zunehmende Abmietung von Büroimmobilien lasse der Konzern den Angestellten keine andere Wahl, als so oft wie möglich zuhause zu arbeiten, heißt es in einer Mitteilung der Gewerkschaft. Auf diesem Wege spare die Telekom "hohe Millionenbeträge", wälze aber gleichzeitig die Kosten und die Verantwortung für Arbeits- und Datenschutz auf die Beschäftigten ab.
Kritik an Homeoffice-Regelung
Dabei wäre Heimarbeit vor dem Hintergrund der geplanten Flächenreduzierung sogar eine attraktive und von vielen Menschen gern genutzte Alternative zum klassischen Büro. Besonders für die Beschäftigten, die künftig nicht nach Frankfurt pendeln können oder wollen. Allerdings nicht in der Form, wie sie die Telekom anbiete und praktiziere, so die Gewerkschaft.
Der Betriebsrat der Deutschen Telekom IT GmbH, Thomas Frischkorn, legt hierbei Wert auf die Unterscheidung zwischen Teleheimarbeit und dem sogenannten "Mobile Working". Bei der Teleheimarbeit richtet der Arbeitgeber den kompletten Arbeitsplatz im Zuhause des oder der Beschäftigten ein, übernimmt alle Kosten und behält auch die Verantwortung für Arbeits- und Datenschutz. Beim "Mobile Working" ist das nicht der Fall, diese Regelung ermöglicht es dem Arbeitnehmer und der Arbeitnehmerin, von überall zu arbeiten. Kosten und Verantwortung trägt er oder sie dabei meist selbst. Diese Variante hat sich in der Corona-Pandemie vielerorts etabliert.
Verdi und Frischkorn werfen der Telekom nun vor, die Pandemie geschickt für sich zu nutzen und das für sie kostengünstige "Mobile Working" großflächig zu etablieren. Dabei berufe sich der Konzern auf einen Tarifvertrag aus dem Jahr 2016, in dem die Bedingungen für "Mobile Working" geregelt seien. Darin stehe aber auch, dass diese Form der Arbeit nicht als Grundlage für Homeoffice, sondern nur für mobile Arbeit an einzelnen Tagen gedacht sei. "Der Schwerpunkt der Arbeit muss demnach weiterhin im Büro liegen", sagt Frischkorn.
Betriebsrat fordert Wahlfreiheit ein
Ihm sei bewusst, dass diese Variante bei vielen Beschäftigten gar nicht so unbeliebt ist, aber die Telekom müsse ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zumindest die Wahl lassen, ob sie im Büro, in der Teleheimarbeit oder eben im "Mobile Working" arbeiten wollen. Das sei aber durch die fortschreitende Reduzierung von Büroflächen nicht mehr möglich.
Verdi sieht in diesem Zuge sogar den gesamten Standort Darmstadt in Gefahr. Die Gewerkschaft habe Hinweise, dass die Telekom eine Kündigung aller auslaufenden Mietverträge anstrebt. "Da das in den nächsten Jahren für fast alle Gebäude auf dem Telekom-Campus zutrifft, ist der Standort Darmstadt insgesamt in Frage gestellt", schreibt Verdi. In dem internen Telekom-Dokument heißt es dagegen, Darmstadt solle als "Kernstandort" erhalten werden.
Will die Telekom Personal loswerden?
Ein Telekom-Mitarbeiter aus Darmstadt, dessen Name der Redaktion bekannt ist, vermutet neben der reinen Kostenersparnis durch Reduzierung der Büroflächen eine größer angelegte Strategie zum Personalabbau in Deutschland. "Die Telekom muss derzeit massiv sparen, um den Glasfaserausbau finanzieren zu können", sagt er dem hr. Immer mehr Arbeit und Projekte würden derzeit ins Ausland, bevorzugt nach Russland, Ungarn und Indien verlagert. Dort seien Arbeitskräfte deutlich billiger.
Bei einer Maßnahme, wie der geplanten Büroflächenreduzierung und Verlagerung von Büroplätzen nach Frankfurt würden immer eine gewisse Anzahl an Beschäftigten den Konzern verlassen – weil sie nicht pendeln oder zuhause arbeiten wollen oder können. Das käme der Telekom natürlich gelegen. Ein Sprecher der Telekom weist diese Vorwürfe allerdings als "Schwachsinn" zurück.
Vor welchen Hintergrund auch immer, eines steht fest: Für die tausenden Beschäftigten der Telekom in Darmstadt wird sich in absehbarer Zukunft einiges ändern.