Der Spritpreis kennt derzeit nur eine Richtung: aufwärts. Das liegt auch am Ukraine-Krieg. Menschen, die auf ihr Auto angewiesen sind, oder Einrichtungen wie die Tafel kommen finanziell an ihre Grenzen. Vier Beispiele.

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Verzweiflung an der Tankstelle – Sprit teuer wie nie

Verzweiflung an der Tankstelle – Sprit teuer wie nie
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Der Spritpreis ist derzeit auf einem Rekordhoch von um die 2,30 Euro, Tendenz steigend. Preistreiber sind der Krieg in der Ukraine und die Auswirkungen der Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Russland ist der größte Gas- und zweitgrößte Erdöl-Exporteur der Welt. Dadurch sind über die Jahre viele Abhängigkeiten entstanden, die sich nun beim Heizen und Tanken auch in Hessen bemerkbar machen.

Bis zu drei Euro pro Liter Kraftstoff seien durchaus denkbar, sagt ARD-Börsenexperte Markus Gürne. Der Preisanstieg liege vor allem an der großen Angst und Unsicherheit. "Wenn die Spirale stimmungsmäßig nach unten geht, geht sie kostenmäßig nach oben." Hier berichten vier Betroffene, die mit den hohen Spritpreisen finanziell an ihre Grenzen kommen.

Die Angestellte: Von der Hand in den Tank

Jessica steht vor ihren Auto

Die 26-jährige Jessica Becker aus Seeheim-Jugenheim (Darmstadt-Dieburg) braucht ihr Auto, um ins knapp 25 Kilometer entfernte Heppenheim zur Arbeit zu fahren. Sie arbeitet im Schichtdienst eines Lebensmittelbetriebs, manchmal muss sie schon um 4 Uhr los. So früh aber fährt kein Bus, und auch zu anderen Zeiten bräuchte sie nach eigenen Angaben durch mehrfaches Umsteigen dreimal so lang. Keine wirkliche Alternative, sagt sie.

Derzeit tanke sie immer höchstens für 20 Euro, das reicht für zwei Tage Arbeitsweg. Bei ihrer Sechstagewoche sind das schon 60 Euro pro Woche - viel Geld für die junge Frau. "Ich habe schon überlegt, mir ein Feldbett auf die Arbeit zu stellen, damit ich meinen Arbeitsweg spare", sagt die Maschinenführerin ein wenig sarkastisch, aber ihre Sorge sei ernst. Wenn die Preise weiter steigen würden, müsse sie sich etwas einfallen lassen. Im schlimmsten Fall brauche sie dann einen Nebenjob, um sich die Fahrten überhaupt noch leisten zu können.

Die Praktikantin: Bus ist keine Alternative

Olivia steht vor ihrem Auto

Olivia Vomberg aus Eltville (Rheingau-Taunus) geht es ähnlich. Sie studiert Soziale Arbeit und macht derzeit ein Praktikum in Bad Schwalbach. Auf die Busverbindung mit nur einer Minute Umsteigezeit könne sie sich nicht verlassen, sagt sie. Also fährt sie zur Arbeit mit dem Auto.

Aber wie lange das noch für sie gehe, wisse sie nicht. Neben der Miete fließe der größte Teil ihres monatlichen Einkommens derzeit in den Tank. Geld, das sie eigentlich auch noch für Lebensmittel und Versicherungen brauche. "Man bekommt als Praktikantin bekanntlich nicht so ein hohes Gehalt, und da bin ich ja noch gut dabei, viele bekommen gar nichts." Auch sie tankt nur in kleinen Portionen, mal für 15, mal für 20 Euro - und hofft auf sinkende Preise. "Ich habe Angst, dass es für mich schließlich unbezahlbar wird."

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Für manche zu viel: Tanken wird immer teurer

Spritpreise an einer Tankstelle
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Die Diakonie: 5.000 Euro Mehrkosten für die Tafeln

Frau mit rotem Schal vor Schaukasten Diakonisches Werk

Schwierig ist es auch für Betriebe oder Organisationen, die auf Fahrzeuge angewiesen sind - wie etwa die Diakonie in Bad Schwalbach, die sich neben der ambulanten Betreuung von psychisch Kranken und körperlich behinderten Menschen um drei Tafeln im Untertaunus kümmert.

Allein die Lebensmittelspenden, die im gesamten Kreis eingesammelt werden, bedeuten 800 Kilometer Fahrtweg pro Woche. "Wir haben ausgerechnet, dass das bei den aktuellen Dieselpreisen 5.000 Euro Mehrkosten im Jahr sind, die durch Spenden finanziert werden müssen", sagt Diakonie-Leiterin Ulrike Gürlet. Das stelle die Diakonie vor große Herausforderungen.

Die Tankstellenbetreiberin: Kunden lassen ihren Frust raus

Die Betreiberin einer Tankstelle in Dieburg steht vor der Preistafel.

Herausfordernd ist auch die Arbeit an den Tankstellen. Die Mitarbeiter müssen sich mit jeder Preiserhöhung darauf einstellen, dass die Kundschaft ihren Frust an ihnen auslässt. Die Stimmung sei sehr angespannt und anstrengend, erzählt die Geschäftsführerin der bft-Tankstelle in Dieburg, Bianca Neumann. "Es sind immer die gleichen drei Sprüche: Ich wollte nicht die Tankstelle kaufen. - Haben Sie einen Psychologen vor Ort? - Und: Ich will keinen Kredit aufnehmen."

Privatleute könnten ja vielleicht noch entscheiden, ob sie tanken oder lieber warten wollen, bis die Preise wieder fallen. Aber unter ihren Kunden seien viele Betriebe, "die müssen tanken, egal wie teuer". Die Tankstellenbetreiberin rechnet mit einem weiteren Preisanstieg und hofft auf Unterstützung seitens der Politik, etwa durch Steuersenkungen. Doch so lange müsse man nun mal in den sauren Apfel beißen, die Uhrzeit des Tankens mache dabei mittlerweile keinen Unterschied mehr, die Preissprünge seien absolut unberechenbar, sagt Neumann. "Schluss ist wahrscheinlich erst, wenn der Krieg endet, was sich natürlich alle wünschen."

Experte: Haushalten und Verzichten

Solange die Preise weiter steigen, müsse der Staat überlegen, wie er die Kosten für die Bürger auffangen kann, sagt Börsenexperte Gürne. Eine Mehrwertsteuersenkung oder -streichung könnte nach Aussage von Gürne eine Ersparnis von 15 bis 20 Cent pro Liter ausmachen. Damit wären die Spritpreise immer noch sehr hoch. Solange sich die Lage in der Ukraine nicht bessere, helfe nur eine Mischung aus Haushalten, Verzicht und Unterstützung durch den Staat.

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154 Kommentare

  • Bald die private Insolvenz oder aufhören zu arbeiten.

  • Die Sonntagsfrage spiegelt bereits deutlich wieder, wo die Schuldigen sitzen. An allen Ecken und enden versagen ist beinahe schon sowas wie Tradition von RotGrün. Dem Krieg tatenlos zusehen aber Waffen liefern; Kompliment.

  • Die Ampel muß die Co2-Steuer sofort wegnehmen. Weil soviel Steuern auf Benzin gibt es glaub ich nur in Deutschland. Ökosteuer, Mehrwertsteuer, Co2-Steuer. Hab ich was vergessen?

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