Flughafenbetreiber Fraport hält an der Beteiligung an einem russischen Airport fest, weil der nicht militärisch genutzt werde. Der hr fand aber Hinweise auf eine solche Nutzung. Der ukrainische Generalkonsul zeigt sich "tief enttäuscht", die FDP vermisst einen moralischen Kompass.

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Umstrittene Fraport-Beteiligung an Flughafen in St. Petersburg

Hinweisschild "Abflüge" am Flughafen Pulkovo in St. Petersburg
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Bis zuletzt hat der Fraport-Aufsichtsratschef und hessische Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) betont: "Der Flughafen Pulkovo ist ein Zivilflughafen. Eine militärische Nutzung ist uns nicht bekannt." So sagte er es zuletzt im Finanzausschuss des Landtags. Offenbar gibt es auf dem Flughafen aber eine militärische Kommandantur. Außerdem gibt es Hinweise, dass russische Militärmaschinen von dort geflogen sind. Das hat eine hr-Recherche ergeben.

Damit konfrontiert, erklärt das Finanzministerium, es habe jetzt die Bundesregierung angefragt, ob sie etwas über eine militärische Nutzung wisse. Doch auch das Auswärtige Amt habe derzeit keine Erkenntnisse und müsse zunächst weitere Nachforschungen anstoßen, so ein Ministeriumssprecher. Sollte sich der Verdacht bestätigen, "sind die Lage und der Umgang mit der Beteiligung der Fraport neu zu bewerten". Bisher hält die Fraport AG an ihrem 25-Prozent-Anteil an Pulkovo fest, hat sich aber nach eigenen Angaben aus dem Management des Flughafens zurückgezogen.

Militär-Kommandantur auf Flughafen-Website

Wer nach militärischen Einrichtungen in Pulkovo sucht, wird schnell fündig: Auf der offiziellen Flughafen-Website ist eine "Kommandantur für militärische Kommunikation" verzeichnet. Auch telefonisch ist die Kommandantur für den hr zu erreichen. Dennoch kann Fraport nichts dazu sagen: "Wir haben dazu keine Informationen", sagt eine Fraport-Sprecherin. Auch das Finanzministerium in Wiesbaden muss passen.

Türschild der Kommandantur am Flughafen Pulkovo in St. Petersburg

Das weinrote Türschild der Kommandantur findet sich ebenfalls im Netz. Es trägt die Insignien des russischen Verteidigungsministeriums. Ähnliche Einrichtungen gibt es offenbar an mehreren Zivilflughäfen in Russland. In der russischsprachigen Wikipedia steht, die Kommandanturen gehörten zur Logistik-Abteilung des Militärs.

Ex-Oberst geht von militärischen Transportflügen aus

Der Berliner Militär-Forscher Wolfgang Richter, Oberst a.D. und früher selbst häufiger in Pulkovo, hält das für plausibel. Er geht davon aus, dass das russische Militär auch zivile Flugplätze nutzt. Es gebe schon länger Hinweise, "dass Pulkovo genutzt worden ist für logistische Flüge der Streitkräfte". Das Militär habe mit zivilen Maschinen Material in die russische Exklave Kaliningrad transportiert.

Flughafen Pulkovo in St. Petersburg

Solche Flüge sind im Netz vielfach dokumentiert. Sogenannte Planespotter, die hobbymäßig Flugzeuge fotografieren, haben festgehalten, wie Maschinen der "Flugeinheit 224" in Pulkovo starten und landen. Diese Flugeinheit ist ein Frachtunternehmen, das zu 100 Prozent dem russischen Militär gehört.

Luftwaffe und Marine haben Pulkovo offenbar auch mit eigenen Maschinen angeflogen. Das ist auf der Internetseite "Flightradar24" verzeichnet, die die Funksignale von Flugzeugen auswertet. Demnach handelt es sich um Maschinen mit ziviler Anmutung, die aber Personal und Gerät transportieren können.

47146 Russian Air Force An-148 flight from St. Petersburg, now landing in Kaliningrad. Reg. RA-61733 #14F125

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"Massive Risiken für Fraport"

Dass Landesregierung und Fraport immer noch nicht genau wissen, ob Pulkovo militärisch genutzt wird, findet der Anwalt Viktor Winkler besorgniserregend. Er war bei der Commerzbank lange für Sanktionsrecht zuständig. "Die rechtlichen Risiken sind massiv, massiv für die Fraport, massiv für Landesregierung und die Stadt Frankfurt." Das Land und die Stadt halten gemeinsam die Mehrheit an der Fraport AG. Wenn der Flughafen eine Rolle im Angriffskrieg gegen die Ukraine spielen sollte, stehe ein Verstoß gegen Völkerstrafrecht im Raum, sagt Winkler.

Als Unternehmen der öffentlichen Hand müsse sich die Fraport AG mit besonders strengen Maßstäben messen lassen, sagt Alexander Lurz, Abrüstungsexperte von Greenpeace Deutschland. Er meint: "Wenn sich der Verdacht einer militärischen Nutzung bestätigt, dann ist es an Fraport, die Beteiligung am Flughafen abzugeben."

Die Fraport hält dagegen, sie habe sich schon aus dem Russlandgeschäft so weit herausgezogen, wie das rechtlich möglich sei. Verkaufen könne sie ihre Beteiligung aber nicht, denn laut Vertrag müsse sie mindestens 25 Prozent der Anteile an Pulkovo halten. Das sei mit den anderen Gesellschaftern so vereinbart, unter ihnen die russische VTB-Bank sowie die Staatsfonds von Russland und Katar.

Droht Vertuschung?

Vadym Kostiuk, den Generalkonsul der Ukraine, stellt das nicht zufrieden. Er sei "tief enttäuscht und überrascht", dass Fraport sich von seiner Beteiligung an dem St.-Petersburger Flughafen nicht distanziere und kündige. Es sei kein Geheimnis, dass Russland für den Krieg gegen die Ukraine alle Objekte zum Transportieren der Militärtechnik oder Soldaten einsetzt. Und Kostiuk legte noch nach: Er habe vor allem die Sorge, "dass von der Fraport-Geschäftsführung versucht wird, die Beteiligung zu vertuschen, wahrscheinlich mit dem Ziel, bald zum 'business as usual' übergehen zu wollen".

Die FDP-Landtagsfraktion richtete ihren Unmut vor allem gegen Finanzminister Boddenberg. Er müsse nun handeln, sagt die finanzpolitische Sprecherin Marion Schardt-Sauer: "Spätestens jetzt scheint der Punkt erreicht, dass ein Festhalten an den Beteiligungen kaum mehr zu rechtfertigen ist. Hinweise auf eine militärische Nutzung hätte ihrer Meinung nach auch das Finanzministerium leicht finden können. Boddenberg müsse nun zeigen, "ob sein moralischer Kompass noch funktioniert".

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