Eine große Straße in der Dunkelheit. Fahrende Autos ziehen durch ihre Bewegung bunte unscharfe Spuren. In der Mitte des Bildes ein ÖPNV-Bus, auch fahrend, aber schärfer. Auf dem Bild rechts unten eine kleine Grafik mit dem Wort "Verkehrs-Check".

In Wiesbaden beherrscht seit Jahren das Auto die Straßen: Die Stadt hat die meisten Autos pro Einwohner unter den hessischen Großstädten, hinzu kommen 80.000 Pendler. Und: In keiner anderen hessischen Großstadt wird so wenig Fahrrad gefahren. Was also tut die Stadt für eine Verkehrswende?

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So stehen hessische Großstädte beim Verkehr da

Häßlich zugebaute Innenstadt mit Hauptsraße und roten Lichtern von Autos
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Immer wieder hören wir vom "Revierkampf" auf der Straße: Autofahrer beschweren sich über Radfahrer, Radfahrer über große SUVs – und Fußgänger über Lastenradfahrer. Das Verhältnis zwischen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern scheint angespannt. Gerade in hessischen Großstädten ist der Platz begrenzt, der Klimawandel ein großes Thema. Was also tun Städte, um den begrenzten Platz aufzuteilen? Wir haben Wiesbaden einem Verkehrscheck unterzogen und geben Antworten auf die wichtigsten Fragen.

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Serie: Verkehrscheck in hessischen Großstädten

In einer sechsteiligen Serie nehmen wir die Verkehrssituation in hessischen Großstädten unter die Lupe. Welche Maßnahmen ergreifen die Städte und reichen diese aus? Wir haben einen Blick auf ganz Hessen und jeweils auf die Städte Offenbach, Frankfurt, Darmstadt, Kassel und Wiesbaden geworfen.

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Die Themen in der Übersicht:

Was sind die größten Verkehrsprobleme?

Die Straßen in Wiesbaden sind - wie in den meisten anderen Großstädten - zu voll. Laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit pendeln regelmäßig 80.000 Menschen nach Wiesbaden. Viele von ihnen "kommen hauptsächlich mit dem Auto nach Wiesbaden", sagen Verkehrsexperten der Industrie- und Handelskammer (IHK). Gleichzeitig sei der Bus, nach dem Aus der City-Bahn, die einzige ÖPNV-Alternative, um vom Bahnhof weiterzureisen.

Außerdem stellen laut IHK Durchgangsverkehre und fehlende Park+Ride-Parkplätze ein Problem dar. "Viel zu lange wurde es nach dem 'Prinzip Hoffnung' versäumt, in unsere veraltete und zum Teil marode Infrastruktur zu investieren - das rächt sich jetzt bitter", sagt die IHK Wiesbaden. Ein Beispiel dafür seien die Baumaßnahmen an der Salzbachtalbrücke. "Unternehmen und Pendler müssen die Versäumnisse der Verkehrsplanung ausbaden und verlieren täglich wertvolle Zeit in Staus und auf Umleitungsstrecken", so die IHK.

Was macht Wiesbaden für Fahrradfahrer?

Nach Angaben der Stadt zählen zu den Maßnahmen für Fahrradfahrer unter anderem der Ausbau der Radwege und Radverbindungen und mehr Abstellmöglichkeiten. Hinzu kommen Planungen für Radschnellverbindungen in die Region, die Förderung der Radkultur - zum Beispiel die Teilnahme am Stadtradeln - sowie eine städtische Kaufprämie von bis zu 1.000 Euro für Lastenräder.

Das Radverkehrsbudget hat sich von 2017, als es noch rund 300.000 Euro betrug, auf 2018 verzehnfacht. "Seitdem werden rund 3 Millionen Euro jährlich für die Radverkehrsförderung ausgegeben", sagt ein Pressesprecher der Stadt. Dies mache sich auch in der Anzahl der Maßnahmen für die Radinfrastruktur bemerkbar.

Wo sind neue Radwege entstanden?

Im vergangenen Jahr sind laut Stadt Radverkehrsanlagen entlang der New-York-Straße, der Steinern Straße in Kostheim und Kastel, der Luisenstraße, des Mittelstreifens auf dem ersten Ring, der Oranienstraße, der Wilhelmstraße und der Elisabethenstraße entstanden beziehungsweise aufgewertet worden. Weitere Maßnahmen für 2022 seien bereits geplant.

Vorgesehen ist etwa eine neue Radverkehrsanlage in der Klingholzstraße in Richtung Biebricher Allee. "Radfahrende haben sich in der Vergangenheit mehrfach an das Tiefbau- und Vermessungsamt gewendet und über drängelnde und zu eng überholende Autofahrende berichtet", schreibt die Stadt.

In der Schwalbacherstraße soll eine weitere Lücke im Radnetz geschlossen werden. Dadurch werde der südliche Teil der Innenstadt mit dem nördlichen Teil verbunden. Und in der Straße Rheinufer in Kastel errichte man auf Wunsch des Ortsbeirats einen Schutzstreifen für Radfahrer. Parkmöglichkeiten fallen dadurch weg. Weitere Baumaßnahmen sind in der Willi-Werner-Straße, im Graf-Hülsen-Weg, in der Kasteler Straße, am Knotenpunkt Klarenthaler Straße, in der westlichen Hauptstraße Kostheim und in der Elisabethenstraße geplant.

Wie schneidet Wiesbaden beim Fahrradklima-Test ab?

Beim Fahrradklima-Test 2020 des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) schneidet Wiesbaden eher schwach ab. Die Stadt erreicht eine Note von 3,9 auf einer Schulnoten-Skala von 1 bis 6. Wiesbaden hat sich allerdings - als einzige hessische Großstadt - im Gegensatz zu den Vorjahren beim Test deutlich verbessert. In den Jahren 2014 und 2016 erhielt die Stadt noch eine Bewertung von 4,6, 2018 kam sie auf eine Note von 4,4.

"Beim Fahrradklima-Test 2020 hat die Stadt zum ersten Mal seit langer Zeit den letzten Platz verlassen und einen guten siebten Platz von 26 in ihrer Größenkategorie belegt und hat, wie auch 2018, den ersten Platz in der Kategorie 'Aufholer des Jahres belegt', sagt ein Pressesprecher.

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Die Befragten loben in der Stadt besonders die geöffneten Einbahnstraßen in Gegenrichtung (2,0), das Angebot an öffentlichen Fahrräder (2,3) und die Fahrradförderung in jüngster Zeit (2,6). Unzufrieden sind die Befragten vor allem bei Konflikten mit Autos (4,9), dem Sicherheitsgefühl (4,8) und der Straßenführung an Baustellen (4,8).

Wie steht es um den ÖPNV?

Der ÖPNV in Wiesbaden besteht vor allem aus Buslinien. Hinzu kommen S- und Regionalbahnen. Ursprünglich geplant war eine City-Bahn für Wiesbaden, die zwischen dem Mainzer Hauptbahnhof West und der Hochschule RheinMain verkehren sollte. Beim Bürgerentscheid im November 2020 sprachen sich allerdings über 62 Prozent gegen die Bahn aus und besiegelten damit ihr Ende. "Nach dem Aus der City-Bahn bleibt die einzige ÖPNV-Alternative, um vom Bahnhof weiterzureisen, das Busnetz", sagt die IHK Wiesbaden.

Ein Ausbau des ÖPNV in Wiesbaden sei zwingend, "um die steigende Pendlerzahl bewältigen zu können". Gleichzeitig müsse der Nahverkehr attraktiver werden. "Die Menschen müssen zuverlässig, unkompliziert und unter ansprechenden Rahmenbedingungen von A nach B kommen", so die IHK.

Aufregerthema beim ÖPNV war zuletzt die Busflotte des Wiesbadener Anbieters ESWE-Verkehr: Eigentlich sollten die Busse bis Ende 2022 emissionsfrei werden. Auf den Straßen der Landeshauptstadt sollten nur noch Busse mit Elektro- und Wasserstoffantrieb unterwegs sein. Doch nun musste die ESWE zurückrudern. Von den geplanten 220 Elektrobussen wird bis Ende 2022 nur etwa die Hälfte zur Verfügung stehen. Stattdessen muss die Verkehrsgesellschaft 24 neue Gelenkbusse mit Dieselmotor ordern. Der Grund: Eine komplett verfehlte Planung der früheren Geschäftsführung.

Was macht Wiesbaden für Autofahrer?

Laut Stadt kommen vor allem die Maßnahmen, die die Instandhaltung des städtischen Straßennetzes betreffen, dem Autoverkehr zugute. Ein weiteres Beispiel sei die Digitalisierung der Verkehrssteuerung, "in deren Rahmen sämtliche Ampelanlagen aufgerüstet und mit einem neuen Hochleistungsverkehrsrechner vernetzt wurden".

Bei diesem Vorhaben handele es sich um ein Leuchtturmprojekt mit einem Umfang von rund 30 Millionen Euro, wovon die Hälfte vom Bund gefördert werde. "Die digitale Verkehrssteuerung trägt zur Verbesserung des Verkehrsflusses bei, wovon letztendlich auch der Autoverkehr profitiert", sagt ein Pressesprecher der Stadt.

Ein weiteres, größeres Projekt für den Autoverkehr sei der vierspurige Ausbau der Boelckestraße in Mainz-Kastel. Darüber hinaus werde derzeit an verbesserten Parkmöglichkeiten gearbeitet. Auch die die Leitung der Lieferverkehre will man optimieren.

Macht die Stadt genug für eine Verkehrswende?

"Lange Zeit war die Radverkehrsinfrastrukur schlecht", sagt er ADFC-Landesvorsitzende Xavier Marc. Wiesbaden sei das Schlusslicht unter den deutschen Großstädten gewesen. "Aber es gab zugunsten des Radverkehrs ein paar erste Schritte", so Marc. Die Entwicklung beim Radverkehr in Wiesbaden sei in den vergangenen drei Jahren "sehr positiv" gewesen.

Die Alternativen für Pendler aus dem Umland seien hingegen nicht ausreichend. Man müsse eine Lösung finden, "die nicht das Auto wäre." Wiesbaden könne sich an Städten wie Frankfurt und Darmstadt ein Beispiel nehmen und etwa Verkehrsversuche in der Stadt durchführen, so der Vorschlag des Verkehrsexperten. So könne man überprüfen, wie man die Fläche unter den Verkehrsteilnehmern am besten aufteilt. "Ich bin mir sicher, man würde hier zu ähnlichen Erkenntnissen wie in Frankfurt und Darmstadt kommen", so Marc.

Bessere organisatorische und personelle Aufstellung

Die IHK sieht durchaus positive Entwicklungen in Wiesbaden: So lasse die Wallauer Spange die Städte Wiesbaden, Frankfurt und Darmstadt künftig näher zusammenrücken. Die neugeschaffene Bahnverbindung verkürze die Strecke zwischen Wiesbaden und dem Frankfurter Flughafen und später auch nach Darmstadt. Allerdings werde die Verbindung frühestens Ende 2027 an den Start gehen.

Langwierige Prozesse sorgen demnach für Probleme. "Die öffentliche Hand muss organisatorisch und personell so aufgestellt sein, dass sie schnell und unbürokratisch handeln kann. Die viel zu langen Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen drastisch verkürzt werden", fordert die IHK.

Positiv sehe man hingegen die wachsende Zahl von E-Autos. "Interessant ist die Entwicklung, dass Wiesbaden deutschlandweit auf Platz zwei unter den Städten mit der höchsten E-Auto-Dichte liegt", so die IHK. An der Ladeinfrastruktur in Wiesbaden arbeite die Stadt gerade. Beim ÖPNV-Ausbau, einer Umlenkung der Durchgangsverkehre und dem Ausbau von Park+Ride-Parkplätzen gibt es laut IHK noch Verbesserungsbedarf.

Wie bewegen sich die Wiesbadener fort?

Laut einer Mobilitätsstudie hat sich die Wahl des Verkehrsmittels in Wiesbaden in den vergangenen Jahren kaum verändert. Fast die Hälfte aller Wege wurden 2018 mit dem Auto zurücklegt (49 Prozent). 28 Prozent der Wege wurden zu Fuß absolviert, 17 Prozent mit dem ÖPNV.

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Der Radverkehrsanteil lag 2018 bei sieben Prozent, verglichen mit fünf Prozent im Jahr 2013. Damit hat Wiesbaden den niedrigsten Radverkehrsanteil unter den hessischen Großstädten Frankfurt, Offenbach, Kassel und Darmstadt. "Wir gehen davon aus, dass der Radverkehrsanteil seitdem gestiegen ist", sagte ein Pressesprecher der Stadt. Die Mobilitätsstudie wird alle fünf Jahre erhoben, die aktuellste Studie ist von 2018. Derzeit wird die Studie 2023 erhoben.

Das Fahrrad wird laut Studie vor allem zur Arbeit genutzt. In zehn Prozent der Fälle legen die Wiesbadener und Wiesbadenerinnen ihren Weg zur Arbeit mit dem Rad zurück. Zu Fuß gehen die meisten Wiesbadener zum Einkaufen oder für Freizeitaktivitäten. Das Auto nutzen die meisten zum Bringen und Holen von Gegenständen oder Menschen.

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Die Zahl der privaten und dienstlichen Autos in Wiesbaden hat extrem zugenommen. Sie lag 2022 deutlich über den Werten der anderen hessischen Großstädte. Im Januar 2022 kamen in Wiesbaden fast 69 Autos auf 100 Einwohner, 2012 lag die Zahl noch bei 50. In zehn Jahren stieg die absolute Zahl der Autos um über 56.000.

In der Wiesbadener Innenstadt legen Autofahrer werktags in der morgendlichen Rushhour durchschnittlich etwa 3,2 Kilometer zurück, am Wochenende sind es 3,6 Kilometer. Das geht aus Daten des Navigationsgeräte-Herstellers TomTom von 2022 hervor. Im Wiesbadener Umkreis beträgt die durchschnittliche Streckenlänge beim Autofahren wochentags 7,0 Kilometer.

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56 Kommentare

  • Die CityBahn hat man abgelehnt, obwohl man bis zu 90 der Investitionen von Bund/Land bekommen hätte.

    Ob es die nochmal gäbe... - die Chance auf die CityBahn - oder ist dieser Zug unwiederbringlich aus dem Bahnhof?

  • Bin Pendlerin. Ich würde ja das Jobtiket für die Öffentlichen mehr nutzen, nur benötige ich vom Hauptbahnhof nach Biebrich mit dem Bus 30 Minuten. Solange benötige ich von zu Hause nach Wiesbaden. Das macht es unattraktiv.
    Mit dem Fahrrad auf der Biebricher ist nicht ungefährlich.

  • In Wiesbaden wird für Autofahrer gar nichts getan. Ganz im Gegenteil. Die so hoch gelobte digitale Verkehrssteuerung behindert den Verkehr. Bestes Beispiel Dotzheimer Strasse Ecke Bismarckring. Hauptverkehrsstrasse und an der Ampel kommen 2 bis 3 Autos rüber. Die Animositäten zwischen Autofahrer und Radfahrer würden gar nicht erst auftreten wenn sich die Radfahrer an die STVO halten würden. Aber sie glauben ja das gilt alles nicht für sie. Da wird trotz Radweg auf dem Bürgersteig gefahren, bei Rot über die Ampel etc. Hier sollte mal eine Fahrradpolizei eingesetzt werden. Da könnte die Stadt viel Geld verdienen. Es sind nicht immer die bösen Autofahrer.

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