Ein Rollrasenfeld bei Einhausen wird bewässert.

Besonders in der Coronazeit erfreute sich Rollrasen wachsender Beliebtheit. Doch anders als etwa Getreide verschlingt der Anbau sehr viel Wasser. Angesichts von Dürre und Hitze üben hessische Naturschützer deutliche Kritik - und nehmen vor allem Gartenbesitzer in die Pflicht.

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Naturschützer kritisieren "durstigen" Rollrasen

Ernte auf einem Rollrasenfeld bei Einhausen
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Braune Wälder und Wiesen, ausgetrocknete Bäche und viel zu warme Flüsse: Trockenheit und Hitze haben auch in Hessen deutliche Spuren hinterlassen. Vielerorts haben Verbände und Behörden zum Wassersparen aufgerufen, teilweise ist die Entnahme aus Flüssen und Seen bereits verboten.

Rund um Einhausen an der südhessischen Bergstraße leuchten die Wiesen allerdings noch in sattem Grün. Hier hat der Rollrasenhersteller Hedderich seine Felder, und damit der Rasen auch gut wächst, wird dieser regelmäßig und ausgiebig bewässert. In den etwa 15 Monaten Wachstum verschlingt er in der Woche bis zu 25 Liter pro Quadratmeter, deutlich mehr als etwa Mais oder Getreide benötigen. Bei rund 90 Hektar Anbaufläche sind das über 22 Millionen Liter pro Woche allein bei der Firma Hedderich.

In Zeiten von Wasserknappheit, niedrigen Grundwasserständen und anhaltenden Appellen zum Wassersparen fragt sich nicht nur Gerhard Eppler, Vorsitzender des Naturschutzbunds Hessen: "Muss das denn sein?"

Naturschützer kritisieren "immensen" Wasserverbrauch

Gerade in Südhessen und besonders im hessischen Ried sänken die Grundwasserstände kontinuierlich, deswegen müssten alle sparsam mit Wasser umgehen, erklärt Eppler im Gespräch mit dem hr. Der Rollrasen ist ihm dabei aus zweierlei Sicht ein Dorn im Auge: Auf der einen Seite sei der Wasserverbrauch beim Anbau, Transport und Verlegen "immens", sagt der Naturschützer. So müsse der Rollrasen nach dem Verlegen etwa drei Wochen lang bis zu drei Mal am Tag bewässert werden.

Auf der anderen Seite sei Rollrasen weder für Mensch noch Natur von Nutzen. "Die Flächen gehen dem Nahrungsmittelanbau verloren, mit Biodiversität hat er auch nichts zu tun", klagt Eppler. Zudem werde er noch regelmäßig abgesaugt, um ihn zum Beispiel von Blättern zu befreien: "Wenn sich doch einmal ein Insekt dorthin verirrt haben sollte, wird es spätestens dann weggesaugt."

Der Wasserverbrauch müsse überall dort eingeschränkt werden, wo er nicht unbedingt nötig ist. Wer ihm nicht glaube, solle doch einmal über die A5 fahren und nach rechts und links schauen, sagte der Naturschützer. Die vertrockneten Wälder, die dort zu sehen sind, seien die direkte Folge des Klimawandels und des sorglosen Umgangs mit dem knappen Gut Wasser.

"Zum Anbau von Nahrungsmitteln brauchen wir zwingend Wasser, auch wenn es dort ebenfalls noch Möglichkeiten zum Einsparen gibt", sagt der Nabu-Vorsitzende. Rollrasen dagegen sei ein Luxusgut und vor allem eines: "bequem."

Große Nachfrage nach Rollrasen

Ein Luxusgut allerdings, das sich weiterhin großer Beliebtheit erfreut: "Besonders während Corona hatten wir eine sehr hohe Nachfrage", erzählt Daniel Bauer, Betriebleiter bei Hedderich-Rollrasen. Die Menschen hätten viel mehr Zeit im eignen Garten verbracht und ihn dementsprechend hergerichtet. Generell würden sie nur so viel produzieren, wie auch nachgefragt wird, so Bauer.

Betriebsleiter Daniel Bauer auf einem Feld der Firma Hedderich

Ihr Wasser bekommt die Firma Hedderich wie alle anderen Landwirte aus Grundwasser-Brunnen, die teilweise schon vor Jahrzehnten an den Feldrändern gebohrt wurden. Die Wasserrechte liegen in diesem Fall beim Beregnungs-, Boden- und Landschaftspflegeverband Hofheim. Landwirte und Unternehmen, die Mitglied sind, dürfen dann pro Hektar Fläche eine vorgegebene Menge Wasser nutzen – kostenlos. Nicht immer halten sich alle daran. "Überzogen wird das schon ab und zu, das machen die ganzen Landwirte aber auch", sagt Bauer.

Konsequenzen haben die Wasserverbraucher allerdings nicht zu fürchten, Strafen sind nicht vorgesehen. Dennoch achtet auch die Firma Hedderich zunehmend auf den Wasserverbrauch. Sie setzt etwa auf ihren Feldern ein Benetzungsmittel ein, das die Feuchtigkeit länger im Boden halten soll. Das treibe aber die Kosten für die Produktion und somit den Preis in die Höhe.

Nabu fordert Abgabe für Wasser

Die Kosten sind es auch, bei denen der Nabu-Vorsitzende Eppler ansetzen würde. Er fordert die Einführung einer Abgabe für Wasser, frei nach dem Motto: "Was nichts kostet, ist auch nichts wert." Erst in dem Moment, in dem der Verbrauch von Wasser zum Kostenfaktor und somit betriebswirtschaftlich relevant werde, würden Landwirte und Unternehmen den Wert schätzen und anfangen, sparsamer damit umzugehen. Allerdings müsse solch eine Abgabe gut vorbereitet und vor allem für die teilweise stark belasteten Landwirte "sozial und wirtschaftlich verträglich" sein.

An dieser Stelle nimmt der Naturschutzbund auch explizit die Verbraucher in die Pflicht. Jeder Privathaushalt sollte wassersparende Vegetation ums Haus anlegen, die auch für Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten etwas hergibt. Statt Gärten und Vorgärten mit der Monokultur Rasen auszulegen, empfiehlt Eppler Blumenwiesen: "Eine Blumenwiese braucht wenig bis gar kein Wasser und stützt die Biodiversität."

Was die Zukunft bringen wird, vermag Hedderich-Betreibsleiter Bauer nicht zu sagen. Natürlich könne es sein, dass Wasser weiter rationiert oder irgendwann Geld kosten wird. Für ihn ist aber klar: "Solange die Nachfrage da ist, werden wir Rollrasen produzieren."

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