Fahrrad-Monitor 2021 Viele Hessen wollen mehr Fahrrad fahren - aber weniger tun es

Viele Hessen wollen mehr Fahrrad fahren, wie eine Umfrage des Verkehrsministeriums zeigt. Doch die Zahl der Fahrradfahrer ist in der Corona-Pandemie zurückgegangen. Wie passt das zusammen?
Video
Fahrrad-Monitor: Weniger Fahrradfahrer in Hessen

42 Prozent der Hessinnen und Hessen wollen künftig häufiger das Fahrrad nutzen. Das ist das Ergebnis des Fahrrad-Monitors 2021, einer Umfrage, die das Sinus-Institut für Markt- und Sozialforschung im Auftrag des Verkehrsministeriums durchgeführt hat. Damit liegt Hessen mit seinen Vorsätzen vor dem deutschlandweiten Ergebnis, wonach 40 Prozent mehr radfahren wollen.
Externen Inhalt von Datawrapper (Datengrafik) anzeigen?
Viele Hessen haben das während der Corona-Pandemie schon beherzigt: Mehr als jeder vierte Befragte gab an, 2021 häufiger mit dem Rad gefahren zu sein als noch vor der Pandemie. Doch das betraf anscheinend vor allem diejenigen, die ohnehin bereits das Rad nutzten.
Zahl der Fahrradfahrer gesunken
Denn gleichzeitig ist die Zahl der Fahrradfahrer in Hessen während der Corona-Pandemie gesunken. Während 2019 noch 68 Prozent der Hessen nach eigener Aussage regelmäßig das Rad genommen haben, waren es 2021 nur noch 59 Prozent. Als regelmäßige Fahrradfahrer gelten bei der Umfrage diejenigen, die "mindestens ein paar Mal pro Monat" das Rad nutzen.
"Das Interesse für das Fahrrad ist größer geworden. In den letzten beiden Jahren sind so viele Fahrräder verkauft worden wie noch nie", sagt Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) dazu. Er glaubt, dass "der Boom des Fahrrads" sich in den kommenden Jahren wieder verstärkt zeigen wird. "Der Trend ist eindeutig", so Al-Wazir.
Einen Boom zum Fahrradkauf sieht man auch beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Hessen. Allerdings gibt der Landesvorsitzende Xavier Marc zu bedenken: "Was fehlt ist eine vernünftige und flächendeckende Rad-Infrastruktur, wo sich die Menschen sicher fühlen." So sei die hohe Prozentzahl der Menschen, die laut Studie mehr mit dem Rad fahren möchten, dies aber offenbar noch nicht tun, "ein deutlicher Hinweis darauf, dass mehr an der sicheren Infrastruktur gearbeiten werden muss", sagt der ADFC-Landesvorsitzende.
Externen Inhalt von Datawrapper (Datengrafik) anzeigen?
2021 fuhren laut Studie deutlich mehr Hessen mit dem Auto statt mit dem Rad: 89 Prozent der Befragten nutzten das Auto 2021 regelmäßig. Jeder Fünfte gab an, das Auto während der Pandemie häufiger genutzt zu haben als noch 2019. Und die Beliebtheit des Autos in Hessen nimmt nicht ab: Jeder vierte Hesse sagte, dass er das Auto auch in Zukunft öfter nutzen möchte als bislang.
Größe der Stadt ist entscheidend
Ob Menschen auf das Rad, das Auto oder den Nah- und Regionalverkehr setzen, hängt oft mit der Größe der eigenen Stadt zusammen. Die Umfrage zeigt: Je größer eine Stadt ist, desto niedriger ist die Autonutzung. Die Nutzung von Fahrrädern und dem Nah- und Regionalverkehr steigt mit zunehmender Städtegröße hingegen.
Externen Inhalt von Datawrapper (Datengrafik) anzeigen?
Die primären Argumente für das Radfahren sind den Befragten zufolge Rücksichtnahme auf die Umwelt (47 Prozent), Sorge um die eigene Gesundheit (42 Prozent) und die geringen Kosten (32 Prozent). Für das Auto sprechen demnach vor allem die Zeitersparnis (54 Prozent), Flexibilität (46 Prozent) und der Komfort (44 Prozent).
Größere Unsicherheit bei Frauen und in Großstädten
Der Aspekt der Sicherheit spielt beim Radfahren eine große Rolle. Der Umfrage zufolge fühlen sich 66 Prozent der befragten Hessen auf dem Fahrrad sicher, 34 Prozent hingegen ist dabei nicht wohl. Das Sicherheitsgefühl ist gegenüber 2019 deutlich gestiegen: Damals fühlten sich lediglich 56 Prozent der Hessen sicher.
Vor allem beim Geschlecht zeigen sich große Unterschiede: Während sich 42 Prozent der Frauen unsicher fühlen, sind es bei den Männern nur 27 Prozent.
Das Unsicherheitsgefühl unter hessischen Radlerinnen und Radlern wächst noch in den Großstädten. Rund 40 Prozent der Bewohner von Frankfurt, Darmstadt, Kassel, Wiesbaden oder Offenbach gaben an, sich nicht sicher mit dem Fahrrad zu fühlen. Danach folgten die Kleinstädter (35 Prozent). Am sichersten fühlen sich demnach die Radfahrer in mittelgroßen Städten (25 Prozent).
"Mit dem, was wir angestoßen haben, kommen wir Schritt für Schritt voran. Es ist ganz klar: Wer sich nicht sicher fühlt, der fährt ungern", sagt Al-Wazir.
Mehr Radwege und sichere Abstellmöglichkeiten
Als Gründe, warum man sich in Hessen nicht sicher fühlt, wurden vor allem zu viel Verkehr (60 Prozent), zu schnell fahrende Autos (56 Prozent) und zu wenige separate Radwege (56 Prozent) genannt.
Externen Inhalt von Datawrapper (Datengrafik) anzeigen?
Die fünf dringlichsten Forderungen an die Politik in Hessen lauten daher wenig überraschend: mehr Radwege bauen (56 Prozent), bessere Trennung der Radfahrer von Autofahrern (48 Prozent), mehr Schutz- und Radfahrstreifen einrichten (40 Prozent), sichere Fahrrad-Abstellanlagen (39 Prozent) und mehr Fahrradstraßen errichten (37 Prozent).
Für den ADFC-Landesvorsitzenden Xavier Marc decken sich die Ergebnisse der Studie mit dem Fahrradklimatest des Verbandes: "Wir brauchen in Hessen mehr Platz fürs Rad bei den Radwegen und den Abstellmöglichkeiten", sagt Marc.
Fahrrad-Club: Viel zu lange Umsetzungszeiten
Verkehrsminister Al-Wazir rechnet vor: "Wenn man alles zusammenrechnet, gibt es dieses Jahr 85 Millionen Euro, die für Radverkehrsinfrastruktur in Hessen zur Verfügung stehen. So viel Geld gab es noch nie." Diese Mittel würden auch dringend gebraucht, um die genannten Forderungen umzusetzen. Die Landesregierung wolle erreichen, "dass mehr Menschen Fahrrad fahren", betont der Minister.
Das Geld sei nicht der Knackpunkt, entgegnet der ADFC. "Das Problem ist das Umsetzungstempo und die langen Planungsfristen, die viele Maßnahmen sehr stark verzögern", kritisiert Landesvorsitzender Marc: "Es dauert viel zu lange, einen Radweg zu planen."
Wer nutzt wann das Rad?
Am meisten nutzen die Hessen, geht man nach der Umfrage, das Fahrrad in der Freizeit, weniger dagegen für den Weg zur Arbeit. Sie verwenden das Rad vorrangig für Einkäufe und kurze Erledigungen (55 Prozent), für Besuche bei Freunden und Familie (45 Prozent) und für Tagesausflüge (41 Prozent).
Externen Inhalt von Datawrapper (Datengrafik) anzeigen?
In Hessen fuhren 2021 mehr Männer (42 Prozent) als Frauen (32 Prozent) mindestens einmal die Woche mit dem Rad. Fahrradfahren ist dabei in allen Altersgruppen ähnlich beliebt.
Menschen mit einem höheren Bildungsgrad nutzen das Fahrrad häufiger als andere Hessinnen und Hessen. 47 Prozent der Befragten mit hohem Abschluss gaben an, täglich oder mehrmals pro Woche das Rad zu nutzen. Bei Menschen mit niedrigem Bildungsgrad liegt der Anteil bei lediglich 30 Prozent. Aber auch andere Verkehrsmittel wie das Auto nutzen Menschen mit einem hohen Bildungsgrad häufiger. Sie sind somit generell mobiler.