Foto: Im Bildvordergrund eine Hand, die ein Glas mit einem giftgrünen Pulver hält. Im Hintergrund unscharf die Person zu der Hand mit Schutzhelm und Regale.

In Herfa-Neurode an der hessisch-thüringischen Grenze lagern hunderte Meter unter der Erde 3,5 Millionen Tonnen Sondermüll. Seit 50 Jahren werden dort die gefährlichen Abfälle verwahrt. Umweltschützer hoffen, dass das gut geht.

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Unterirdische Deponie für gefährliche Abfälle in Osthessen

Untertage-Deponie Herfa-Neurode von K+S für gefährliche Abfälle Giftmüll
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Tief unter der Erde schlummern mittlerweile Millionen von Tonnen toxischen Mülls nahe Heringen (Hersfeld-Rotenburg) im hessisch-thüringischen Grenzgebiet. Denn seit Jahrzehnten lagert der Düngemittelhersteller K+S gefährliche Abfälle in seinem Salzbergwerk an der Werra. Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums gestattete der Konzern nun seltene Einblicke in seine Deponie, der ein besonderer Ruf anhaftet.

"Einer der giftigsten Orte Deutschlands" - solche plakativen Zuschreibungen hören sie bei K+S nicht gern. Ein Sprecher betont: Es seien schließlich keine Giftstoffe in Reinform, aber die Abfälle sind immerhin mit hochgefährlichen, teils krebserregenden Schadstoffen belastet. Cyanid, Quecksilber und Arsen sind dabei.

Deponie ist größte und älteste ihrer Art

Die Schadstoffe kommen in belasteten Böden und Bauschutt vor. Oder es handelt sich um astbesthaltiges Material aus Sanierungen von Industrie-Anlagen oder Filterstäube aus Müllverbrennungsanlagen. All das landet in der zwischen Bad Hersfeld und Eisenach gelegenen Untertage-Deponie Herfa-Neurode. Sie ist die größte und älteste ihrer Art weltweit.

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So werden gefährliche Abfälle eingelagert

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K+S erklärt: Diese Abfälle, die in einer industriealisierten Gesellschaft unvermeidbar anfallen und nicht aufbereitet oder anderweitig entsorgt werden können, müssen dauerhaft und sicher von der Biosphäre ferngehalten werden. Dafür biete sich das ein Salzbergwerk wie im Werrarevier aufgrund seiner geolologischen Bedingungen an. Es bringe perfekte Eigenschaften mit, sagt Arnd Schneider, Leiter der Abfallbeseitigung.

3,5 Millionen Tonnen gefährlicher Abfall

Deswegen wurde Herfa-Neurode am 21. Juni 1972 auch die Genehmigung für die erste Untertage-Deponie der Welt erteilt. Seither werden pro Jahr 60.000 bis 70.000 Tonnen Giftmüll angeliefert. An jedem Werktag treffen bis zu 500 Tonnen ein - aus Deutschland und dem europäischen Ausland. Mittlerweile haben sich im Laufe der Zeit 3,5 Millionen Tonnen angesammelt.

Die Giftmüll-Einlagerung ist - zumal reichlich Platz vorhanden ist - ein lukratives Zusatzgeschäft für den Konzern. Pro Jahr wird damit ein Umsatz von rund 100 Millionen Euro erwirtschaftet. Dies ist aber nur ein kleiner Teil gemessen an den Milliarden-Umsätzen des Konzerns. K+S produziert dort vor allem Kalisalz, das für Düngemittel in der Landwirtschaft gebraucht wird.

"Es darf nichts schiefgehen"

Wenn untertage Kalisalz abgebaut wird, entstehen Hohlräume, die mit der Einlagerung von gefährlichen Abfällen genutzt werden können. Umweltschützer halten angesichts dieser Praxis die Luft an. Dabei dürfe nichts schiefgehen, sonst seien die Folgen gewaltig, sagt Thomas Norgall vom Naturschutzverbund BUND in Hessen. Er möchte "keine Risiko-Rhetorik verbreiten, aber es dürfen keinesfalls Giftstoffe entweichen". Das hätte sonst verheerende Folgen für die Umwelt.

Auch die Bürgerinitiative "Für ein lebenswertes Werratal" äußerte bereits ihr Unbehagen. Sie fürchtet unbeobachtete Wassereinbrüche in Herfa-Neurode, die das Trinkwasser mit Giftstoffen kontaminieren könnten. K+S hält das aber für ausgeschlossen. Aufgeschreckt wurden die Menschen auch durch Schwelbrände, wie etwa 2016. Dabei wurde aber niemand verletzt, und größere Schäden und Auswirkungen hatten sie laut K+S auch nicht.

Klaus Reinhardt von der Bürgerinitiative fürchtet, dass bei solch einem Schwelbrand durchaus Dämpfe austreten können. "Ein oder zwei Tage später kann man da aber nichts mehr messen. Da ist die Gefahr schon in die Atmosphäre entwichen." Es sei niemand da, der das kontrolliere. "Aber wir leben nun mal in einem Kali-Gebiet. Da hängen auch viele Arbeitsplätze dran." Das Regierungspräsidium Kassel hält die Deponie nach eigener Aussage für sicher.

K+S spricht von sicherem Konzept

Untertage-Deponie Herfa-Neurode von K+S für gefährliche Abfälle Giftmüll

K+S betont: Das Lager-Konzept sei langzeitsicher. Es gebe natürliche Barrieren: eine 300 Meter gasdichte Salzschicht, 100 Meter wasserdichter Ton und 500 Meter Bundsandstein. Unter dieser rund 800 Meter mächtigen Decke werden die Abfälle zum Beispiel in Kunststoffsäcken, Fässern und Containern gelagert. Die Metallbehälter rosten nicht, weil die Luftfeuchtigkeit mit 25 bis 35 Prozent sehr gering in der Untertage-Deponie ist.

Nach einer Laborkontrolle werden die Abfälle per Förderkorb in die Tiefe transportiert, dann per Lastwagen über das weitverzweigte Wegenetz zu einer bestimmten Lagerkammer gebracht. Dort werden sie von einem Gabelstapler abgeladen und in den Kammern übereinander gestapelt. Wenn die Kammer gefüllt ist, wird sie mit einer Backstein-Mauer verschlossen. Mittlerweile sind hunderte von Kammern gefüllt.

Gedächtnis der Deponie in Probenräumen

Untertage-Deponie Herfa-Neurode von K+S für gefährliche Abfälle Giftmüll

Auf Plänen ist genau verzeichnet, wo welcher Müll von welchem Lieferanten liegt. Von jeder Lieferung wird auch eine Probe in gesonderten Räumen gelagert. Sie gleichen dem Gedächtnis der Mülldeponie. In hohen Regalen stehen Gläser mit einer Probe des Mülls. Hier und da schimmert es grün, rot, blau und in vielen weiteren Farben - Sondermüll kann sehr bunt sein.

Nicht jeder Müll wird genommen

Es wird aber auch nicht alles gelagert. Ausgeschlossen sind radioaktive, flüssige und infektiöse Abfälle, zudem biologisch abbaubare, geruchsbelästigende oder ausgasende Stoffe. Sie dürfen auch nicht explosiv oder leicht entzündlich sein.

Mittlerweile haben sich schon 120.000 Proben-Gläser in mehreren Räumen auf den drei Deponiefeldern angesammelt. Die unterirdische Lagerstätte ist 18 Quadratkilometer groß, das entspricht etwa 2.000 Fußballfeldern. Das Wege-Netz hat etwa die Ausmaße des Autobahnrings von München.

Solange der Grubenbetrieb läuft, und das wird etwa je nach Abbau der Vorräte bis etwa 2060 der Fall sein, soll auch das gigantische Endlager für den Sondermüll genutzt werden. Danach ist nur der Betrieb der Deponie nicht mehr wirtschaftlich. Sie wird dann verschlossen und stillgelegt. "Wenn die Deponierung endet, wird das Deponiefeld mit Sicherheitsdämmen aus Salzgestein und Beton vom Rest der Grube abgeschottet und alle Schächte dauerhaft verschlossen", erklärt Betreibsleiter Schneider. Dann wird sich zeigen, ob die Prognosen von K+S zur Langzeitsicherheit zutreffend sind.

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