Eine Hand hält eine Tankpistole, welche in eine Zapfstelle mit der Bezeichnung "H2" gesteckt wurde.

Wasserstoffautos sind bislang noch kein Erfolg: zu teuer, zu energieintensiv, zu wenige Tankstellen. Die Physikprofessorin Birgit Scheppat ist trotzdem überzeugt: Wasserstoff ist der Antrieb der Zukunft. Ein zentrales Problem hat sie bereits gelöst.

Birgit Scheppat hat eine große Leidenschaft. Die Professorin an der Hochschule Rhein-Main in Rüsselsheim (Groß-Gerau) hat sich auf Wasserstofftechnologien spezialisiert. Seit 20 Jahren forscht sie zu diesem Element. Die 62-Jährige ist fest davon überzeugt, dass Wasserstoff der Treibstoff der Zukunft ist. Brennstoffzellenfahrzeuge, die damit betrieben werden, hält die Physikerin schon in wenigen Jahren für massentauglich.

Dass die Technik bislang ein Nischendasein fristet, die Hersteller auf batteriebetriebene Elektroautos setzen und die Liste der Probleme lang ist, stört sie nicht. Gerade mal 392 Wasserstoffautos sind nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes zum 1. Januar 2019 in Deutschland registriert.

"In Norwegen, China oder Korea sind heute schon viel mehr Wasserstoffautos unterwegs als in Deutschland", sagt sie, und zählt auch gleich die Vorteile dieser Technik auf. "Autos, die mit Brennstoffzellen angetrieben werden, haben mehrere hundert Kilometer Reichweite, sie lassen sich in nur drei Minuten betanken und stoßen im Gegensatz zu Verbrennungsmotoren nur klimaneutralen Wasserdampf aus."

Zu teuer, zu energieintensiv

Im Juni erlitt die Technologie allerdings einen Rückschlag. Ein Brand an einer Wasserstofftankstelle in Norwegen sorgte kurzzeitig für einen Lieferstopp für Brennstoffzellenautos in dem Land. Durch einen Montagefehler an einem Hochdrucktank konnte Wasserstoff entweichen und so an der Luft ein explosives Gemisch bilden. Aus Sicht von Scheppat hätte es dazu nie kommen dürfen. Sensoren würden Alarm schlagen, sobald Wasserstoff entweicht. "Warum dies in Norwegen nicht der Fall war, verstehe ich nicht." Die Technologie schätzt sie trotzdem als sicher ein: "Insgesamt sind Brennstoffzellenfahrzeuge nicht gefährlicher als andere Fahrzeuge. Auch die können im schlimmsten Fall brennen."

Klimawandel Hessen Wasserstoff

Es gibt banalere Gründe dafür, dass Wasserstoffautos auf deutschen Straßen bisher selten sind: Mit rund 70.000 bis 80.000 Euro pro Fahrzeug sind sie schlicht zu teuer. Auch die geringe Anzahl der Tankstellen ist ein Problem. Bis Ende des Jahres soll es 100 Wasserstofftankstellen geben - in ganz Deutschland.

Und dann wäre da noch der große Nachteil, dass zur Produktion von Wasserstoff viel Strom benötigt wird, was die Umweltbilanz am Ende wiederum verhagelt. Denn Wasserstoff wird mittels Elektrolyse aus Wasser hergestellt. Für dieses physikalische Verfahren wird viel Energie benötigt. "Der Strom, der aus Braun- oder Steinkohle kommt, hat bereits eine so schlechte CO2-Bilanz, dass er keine Vorteile für die Umwelt bietet", erklärt Scheppat.

"Grüne" Wasserstofftechnik durch die Hochschule Rhein-Main

Klimawandel Hessen Wasserstoff

Zumindest für dieses Problem hat die Physikerin eine Lösung gefunden. Diese steht in Mainz: eine 17 Millionen Euro teure sogenannte Power-to-Gas-Anlage. Im Energiepark Mainz wird Wasserstoff nicht nur produziert, sondern auch in zwei großen Tanks gespeichert - und zwar umweltfreundlich. Wasserstoff wird hier mit überschüssigem Strom aus einem benachbarten Windpark produziert und zwar genug, um 2.000 Brennstoffzellenautos dauerhaft zu versorgen. Ein Fünftel des produzierten Wasserstoffs wird außerdem ins öffentliche Gasnetz eingespeist, das reduziert die Menge des benötigten fossilen Erdgases.

Möglich ist das, weil Mainz stark in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert. Bis zum Jahr 2025 soll der Großteil des Stroms aus erneuerbaren Energien kommen, weiß Prof. Scheppat. "Die Stadtwerke sind von der Netzseite gekommen", so Scheppat: "Die haben gesagt: Wenn wir so viele erneuerbare Energien im Netz haben, was machen wir, wenn niemand den Strom aus dem Netz braucht?" Damit das funktioniert, haben sich Unternehmen wie die Linde Group, Siemens und die Stadtwerke Mainz zusammengetan. Vor vier Jahren hat der Energiepark Mainz seinen Betrieb aufgenommen, zunächst für eine zweijährige Forschungsphase. Wissenschaftlich begleitet hat das Projekt die Hochschule Rhein-Main.

Auch Hessens ÖPNV setzt auf Wasserstoff

Auch im hessischen Nahverkehr kommt die Wasserstofftechnik immer öfter zum Einsatz. Der Rhein Main-Verkehrsverbund (RMV) hat gerade erst 27 Züge bestellt, die ab dem Fahrplanwechsel 2022/23 eingesetzt werden sollen. Dabei soll es sich um die größte Brennstoffzellen-Flotte der Welt handeln. In Darmstadt ist bereits ein Brennstoffzellen-Bus im Einsatz, und auch in Wiesbaden ist die Einführung der wasserstoffbetriebenen Busse geplant. Durch die Umstellung auf solche E-Busse sollen die Stickoxidemissionen reduziert werden, denn in Wiesbaden drohten bereits Fahrverbote.

Wasserstoff zu produzieren und zu speichern, reicht für Birgit Scheppat aber noch nicht aus. Sie schwärmt von einem Wasserstoffzug, der seit vergangenem Jahr zwischen Cuxhaven und Buxtehude in Niedersachsen in Betrieb ist. Dieser fahre störungsfrei: "Man hört da nur Positives." Und auch den Aufbau der nötigen Infrastruktur sieht sie als machbar: "Wo wird der Wasserstoff erzeugt? Wohin muss er transportiert werden? In Zukunft werden wir Pipelines haben, die den Wasserstoff von einer Stelle zur anderen transportieren - so wie Gasleitungen heute."

Sie träumt davon, dass der Wasserstoff eines Tages an den Tankstellen der Mineralölkonzerne gezapft werden kann, wie heute Benzin oder Diesel. "Das ist etabliert, das wird funktionieren", ist sie überzeugt.

Die Autor*innen studieren am Journalistischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Hier finden Sie Infos über das Projekt der Uni Mainz in Kooperation mit hessenschau.de.