Party is over: Willingen setzt zukünftig auf Sporttourismus.

Willingen gilt als Ischgl des Nordens oder Ballermann des Sauerlands. Das soll sich jetzt ändern: Ein neues Konzept soll Sporttouristen und Familien überzeugen. Nicht alle im Ort freuen sich über die Pläne.

Videobeitrag

Video

Neuer Tourismus für Willingen

hessenschau vom 07.02.2022
Ende des Videobeitrags

Exzesse verboten, gediegene Feiern erlaubt - diese Regel macht Gerlinde Scriba bei telefonischen Party-Anfragen in ihrer "Dorf Alm Willingen" gleich klar. Die resolute Wirtin erinnert sich nur zu gut an Junggesellenabschiede oder Fußballvereinsfeiern, zu denen Gäste bei steigendem Alkoholpegel ihr gutes Benehmen auf einen Schlag vergessen hätten.

Und dennoch: Willingen ohne Party, Geselligkeit und ausgelassenes Tanzen kann sie sich nicht vorstellen. Allerdings habe sich der Tourismus im Ort im Kreis Waldeck-Frankenberg seit der Corona-Pandemie verlagert.

Habe sich der Betrieb einst vor allem auf die Wochenenden fokussiert, beobachte sie seit Corona deutlich mehr Besucherinnen und Besucher unter der Woche. Dass Willingen jetzt mit einem veränderten Tourismuskonzept neue Wege gehen will, werde die Partygäste nicht von heute auf morgen vertreiben, glaubt Scriba.

"Dorf Alm"-Besitzerin Gerlinde Scriba möchte weiterhin Party und Geselligkeit bieten.

Weg vom Party-Hotspot, hin zum Mekka für Sporttouristen

Nicht nur Scriba, ganz Willingen verdient am Tourismus. Gut 6.000 Menschen leben im Ort - dazu kommen Gäste aus ganz Deutschland, den Niederlanden und von anderswo. 2019 verzeichnete die Gemeinde 1.038.318 Übernachtungen, im ersten Corona-Jahr 2020 immerhin noch 580.889. Der Tourismus ist der wichtigste Wirtschaftsfaktor in Willingen.

Der Ort ist bekannt für das Weltcup-Skispringen und den Wintersport, aber auch für das ausgeprägte Nachtleben. Doch die Partytouristen haben nicht immer einen guten Ruf.

Die Gemeinde will jetzt mit verschiedenen Projekten ihr Image aufpolieren: Das Lagunen-Erlebnisbad wird für 31 Millionen Euro neu gebaut, eine 670 Meter lange Hängebrücke und eine Trampolinhalle sind bereits geplant, dazu will man mehr Angebote für Wellness-Fans und Familien machen. Beim Ausbau soll der Fokus auf Nachhaltigkeit liegen.

Blick auf die Baustelle vom Lagunen-Erlebnisbad, im Hintergrund sind gelbe Baukräne zu sehen.

Kurz: Willingen will weg vom Party-Hotspot hin zum Mekka für Sporttouristen Dieser Schritt erfüllt einige mit Sorge. Gastronominnen und Kneipenbesitzer befürchten, dass zukünftig Gäste fehlen und "ihr Willingen" sich verändert.

Vielfalt an ganzjährigen Freizeitangeboten stärker hervorheben

Norbert Lopatta, Leiter Tourismus und Kurbetrieb in Willingen ist zuversichtlich, dass alle Gastronomen das Konzept mittragen und vom Zulauf an Familien, Senioren und Radsport-Fans profitieren. Dass in diesen Tourismus-Gruppen ein Bedarf und ein Interesse an Willingen bestehe, habe der Sommer 2021 gezeigt. Dieser sei zum Teil besser ausgefallen als vor Corona.

Für den Ort sieht er das größte Potential in der Vielfalt, die ganzjährige Freizeitaktivitäten ermögliche. Neben Wintersportangeboten rückten alternative Outdoor-Aktivitäten wie Wandern, Mountainbiking und das Naturerlebnis in den Mittelpunkt.

Willingen

Geselligkeit ist ein Teil von Willingen, sagt auch Bürgermeister Thomas Trachte (parteilos). Man wolle einen Perspektivwechsel in den Köpfen der Menschen schaffen und so langfristig einen Imagewandel herbeiführen. Was man zukünftig nicht mehr haben wolle, sei der exzessive Partytourismus. Jetzt muss das Konzept noch vom Gemeinderat verabschiedet werden.

Menschen wie Wirtin Gerlinde Scriba hoffen dennoch auf die Rückkehr des Tanztourismus nach der Corona-Pandemie - auch wenn das Tourismus-Konzept jetzt andere Gäste im Fokus hat.

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen