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Keine Toilette im Zug und am Bahnhof

Regionalbahn am Gießen Bahnhof

Keine Chance, sich zu erleichtern. In der Regionalbahn nach Frankfurt waren alle Toiletten defekt. Irgendwann machte sich die junge Frau in die Hose. Der Fahrgastverband ProBahn kritisiert: Vor allem in Regionalzügen fallen derzeit besonders viele Toiletten aus.

Marie M. aus Dillenburg war an diesem Morgen im Juni schon eine Dreiviertelstunde mit dem Bus gefahren. Dann ging es weiter mit dem Mittelhessen-Express in Richtung Frankfurt. In der Regionalbahn wollte sie auf eine der Toiletten gehen. Aber: "Die waren alle komplett zugesperrt - da ging gar nichts." Die Zugtoiletten waren außer Betrieb.

Sie habe einen Zugbegleiter gesucht, aber niemanden finden können. "Ich war wirklich verzweifelt", sagt sie. Kurz vor Gießen sei es dann aber einfach nicht mehr gegangen. Während der Zug noch vor dem Bahnhof auf Einfahrt warten musste, konnte M. nicht mehr länger warten. "Ich hab mich in eine Ecke gestellt, und dann ist es einfach gelaufen."

Was die Bahn offiziell als "Komfort-Störung" bezeichnet, nennt M. eine erniedrigende und schreckliche Erfahrung. Auch Tage später wirkt sie immer noch aufgelöst, als sie davon erzählt.

9-Euro-Ticket sorgt für volle Toilettentanks

Für Klaus Zecher vom Fahrgastverband ProBahn sind Ausfälle von Toiletten keine Seltenheit bei der Bahn. Im Gegenteil: Gerade in Regionalbahnen, die aus mehreren voneinander getrennten Zugteilen bestehen, komme es derzeit immer häufiger zu solchen Komplett-Ausfällen, berichtet Zecher. Das liege auch an der Auslastung durch das 9-Euro-Ticket.

Oft seien Toiletten gar nicht mal defekt oder verstopft, sondern einfach voll: "Das sind geschlossene Vakuumsysteme wie beim Flugzeug, die bei Mehrauslastung dann auch öfter gereinigt und geleert werden müssen." Passiere das nicht, gebe es irgendwann kein Wasser mehr oder der Tank sei überfüllt und müsse abgepumpt werden, erklärt Zecher.

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Alle Klos in der Bahn kaputt- Frau macht sich in die Hose

Bahn im Bahnhof
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Er fordert: Die Bahn müsse mehr Personal auf die Strecken bringen, das kleinere Störungen gegebenenfalls unterwegs beheben oder zumindest Anfragen von Fahrgästen besser beantworten könne. "Wir hören immer wieder, dass Fahrgäste bei Problemen niemanden finden können."

Bahn entschuldigt sich

Der Vorfall sei bedauerlich, teilt der RMV, in dessen Geltungsbereich der Mittelhessen-Express fährt, mit. Toiletten seien im RMV-Regionalverkehr eigentlich auf nahezu allen Linien vorgesehen. Aber selbst bei bester Wartung durch das Verkehrsunternehmen könne es beispielsweise durch Vandalismus zu Störungen kommen.

Auch die Deutsche Bahn teilt mit: "Es tut uns wirklich sehr leid, dass die Dame bei uns im Zug diese unangenehme Erfahrung machen musste. Wir können uns dafür nur in aller Form bei ihr entschuldigen."

Viele Menschen stehen dicht gedrängt vor einem Zug am Hauptbahnhof Frankfurt

Eine Bahnsprecherin betont: Im 9-Euro-Ticket-Zeitraum sei bundesweit durchaus zusätzliches Reinigungs- und Servicepersonal im Einsatz. Planmäßig hätte auch der Mittelhessen-Express an jenem Junimorgen vor Beginn der ersten Fahrt gereinigt und die Toilette geleert werden sollen. Warum das offenbar nicht passiert ist, kläre man derzeit noch. Möglicherweise stehe ein technischer Defekt dahinter.

Frau verklagt Bahn

Ein ähnlicher Fall war 2015 sogar schon mal vor Gericht gelandet. Die Bahn gewann schließlich vor dem Trierer Landgericht einen Rechtsstreit um 400 Euro Schmerzensgeld, das eine Frau gefordert hatte, die sich ebenfalls aufgrund einer defekten Toilette eingenässt hatte.

Die Urteilsbegründung: Die Frau hätte eigenverantwortlich aussteigen und eine Toilette suchen können. Aber das Gericht betonte: Das sei eine Einzelfallentscheidung. Die Frage, ob die Bahn grundsätzlich verpflichtet ist, in Regionalbahnen Toiletten zur Verfügung zu stellen, ließen die Richter ausdrücklich offen.

Mangelware Bahnhofsklo

Marie M. ist der Meinung: Die Bahn müsse doch einen Mindeststandard erfüllen. "Und eine Toilette sollte echt das Mindeste sein." Auch sie habe zwischenzeitlich über Aussteigen nachgedacht. Aber weil sie mit einem Ticket mit Zugbindung weiter bis nach Berlin fahren wollte, habe sie sich dagegen entschieden - und dann sei es irgendwann einfach zu spät gewesen.

Hinzu kommt: Selbst wenn M. irgendwo ausgestiegen wäre, wäre die Chance, ausgerechnet da ein Bahnhofsklo zu finden, wohl eher gering gewesen: Nur an zwei von den elf Zwischenhalten bis nach Gießen gibt es sanitäre Anlagen.

Laut einer Angabe des Bundesverkehrsministeriums von 2020 haben nur 730 der 5.700 deutschen Bahnhöfe Toiletten. Auch am Bahnhof in Dillenburg, wo M. eingestiegen ist, gibt es keine, obwohl sie schon seit Jahren gefordert werden.

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