Studie zu WG-Mietpreisen Wohnen für Studierende wird teurer - besonders in Frankfurt
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WG-Zimmer werden teurer und teurer

Für Studierende geht es jetzt wieder zurück in die Präsenzlehre und damit auch in die Uni-Städte. Dort steigen die Mieten für WG-Zimmer weiter an. Und es wird noch teurer, wie eine neue Studie zeigt.
Seit etwa einem halben Jahr ist Clemens jetzt auf Wohnungssuche in Frankfurt. Er sei grundsätzlich ordentlich, gesellig, koche gerne und rauche nicht. Das schreibt der Informatikstudent in seiner Anzeige auf einem Immobilienportal. Er schreibt auch: Mehr als 400 Euro für ein WG-Zimmer möchte er nicht ausgeben. "Ich habe schon gemerkt, dass das meine Suche sehr eingrenzt", sagt Clemens nach den bisherigen Erfahrungen.
Zusammen mit zwei Freunden hatte der 20-Jährige im Sommer 2021 begonnen, nach einer gemeinsamen Wohnung zu suchen. "Wir hatten viele Besichtigungen", sagt er. Aber oft sei die Raumaufteilung - Schlafzimmer, Kinderzimmer, Durchgangszimmer - unpassend für eine WG zu dritt gewesen. Einmal habe die Wohnung direkt gegenüber einer Müllverbrennungsanlage gelegen. Und in allen anderen Fällen seien die Zimmer einfach zu teuer gewesen.
Frankfurt und Darmstadt deutlich teurer geworden
550 Euro beträgt die durchschnittliche Monatsmiete für ein neuvermietetes WG-Zimmer in Frankfurt - teurer ist es bundesweit nur in München (680 Euro). Das ist das Ergebnis einer Studie des Moses Mendelssohn Instituts (MMI) in Kooperation mit dem Portal WG-Gesucht.de, für die Zimmer-Angebote in 97 deutschen Hochschulstädten ausgewertet wurden.
Darunter sind in Hessen Wiesbaden, Darmstadt, Kassel, Marburg, Gießen, Fulda, Friedberg und Kleinstädte im Rheingau-Taunus-Kreis. Mit Ausnahme von Friedberg ist der WG-Zimmer-Preis in allen Städten nach zuvor wenig Bewegung in den vergangenen zwei Jahren nun wieder angestiegen.
Preise immer über der BAföG-Wohnkostenpauschale
In Darmstadt ist das Wohnen für Studierende mit 425 Euro für ein Zimmer im Januar 2022 so teuer wie seit Beginn der MMI-Studie 2013 noch nie. Und auch dort, wo es einen geringeren Anstieg gibt: Alle Werte für die genannten Städte liegen über 325 Euro. Das ist die Höhe der Wohnkostenpauschale, die Studierende im BAföG-Höchstsatz bekommen können.
Laut den Autoren der Studie handelt es sich "nur um den Anfang einer deutlichen Preissteigerungswelle", die sowohl Metropolen, Universitätsstädte als auch kleinere Städte betreffe. Die Preise werden in den kommenden Semestern weiter steigen, so die Prognose. Gründe dafür seien unter anderem die Rückkehr zur Präsenzlehre, aber auch, dass einige wegen der Pandemie länger studieren und mittlerweile wieder mehr Studierende aus dem Ausland erwartet würden.
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"Preisdämpfender Corona-Effekt" ist vorbei
Die Nachfrage ist aber schon in den vergangenen Monaten gestiegen, als auch Informatikstudent Clemens sich erstmals auf Wohnungssuche machte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er schon vier Semester seines Studiums hinter sich, doch während der Pandemie war er bei seinen Eltern in Altenstadt (Wetterau) geblieben, um Geld zu sparen.
Dass viele Studierende für das Online-Studium gar nicht erst in die Hochschulstädte gezogen seien, habe 2020 und 2021 zu einem "preisdämpfenden Corona-Effekt" geführt, berichtet das MMI. "Nach langem Zögern und in letzter Sekunde" sei bei vielen dann doch die Entscheidung für einen Umzug gefallen. Das habe zu einer geballteren Nachfrage ab Herbst 2021 geführt.
"Je näher an der Uni, desto schlechter und teurer"
Nachdem Clemens und seine Freunde entschieden hatten, nicht neben die Frankfurter Müllverbrennungsanlage zu ziehen, starteten sie die Suche nach Zimmern auf eigene Faust. Schnell sei Clemens aufgefallen: "Je näher an der Uni, desto schlechter und desto teurer die Wohnungen."
In diesem Wintersemester fanden die meisten seiner Seminare und Vorlesungen nur vor dem Bildschirm statt. Für einzelne Veranstaltungen musste er nach Frankfurt pendeln - anderthalb Stunden hin, anderthalb Stunden zurück.
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Weil viele Studierende mittlerweile im Laufe eines Tages zwischen Hörsaal und digitaler Lehre zuhause wechseln müssen, steige nun umso mehr die Nachfrage "nach einer Bleibe in verkehrsgünstiger Lage zur Hochschule", sagt MMI-Direktor Stefan Brauckmann.
Lange Wartelisten bei Wohnheimen
Günstiger und trotzdem nah am Campus gelegen sind meist nur die öffentlich geförderten Wohnheime. In Frankfurt liegen die Zimmerpreise des Studentenwerks im Schnitt zwischen 250 und 390 Euro. Auch Clemens bewarb sich auf einen Platz. Nun steht er mit 2.735 anderen Suchenden auf einer Warteliste. "Es ist einfach nur nervig", sagt er.
Trotz der Pandemie seien alle Wohnheimszimmer durchgehend belegt, teilt das Studentenwerk Frankfurt mit. "Es hat lediglich temporär der Druck nachgelassen, dieser ist aber weiterhin auf hohem Niveau", sagt die Sprecherin Sylvia Kobus. In den beiden Jahren vor der Pandemie sei die Warteliste über 3.000 Plätze lang gewesen. 2020 standen rund 1.000 Bewerberinnen und Bewerber weniger auf der Liste, doch die Nachfrage steige derzeit wieder.
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Ähnliches berichtet das Studentenwerk Marburg: Von den 2.100 Wohnheimsplätzen seien "nach wie vor" alle belegt. Auch das Studierendenwerk Kassel berichtet von langen Wartelisten, die zwischenzeitlich lediglich etwas kürzer geworden waren. "Wir erhöhen die Mietpreise bewusst nicht, um die Studierenden in der schwierigen Pandemiezeit nicht noch zusätzlich zu belasten", teilt eine Sprecherin mit. Die Betriebskosten müssten wegen der steigenden Mietpreise aber angepasst werden.
Inflation und steigende Energiekosten
Die steigenden Energiekosten und die Inflation sind auch in der MMI-Studie ein Thema. "Es ist unbestritten, dass sich dies bei Studierenden sowie insgesamt bei Geringverdienenden vergleichsweise stärker bemerkbar macht", so Brauckmann in der Pressemitteilung des MMI. "Vor allem die Nebenkosten werden dann zur finanziellen Herausforderung für viele Studierende."
Es sei ein "schlechtes Signal" der Bundesregierung, dass der geplante Heizkostenzuschuss für Studierende, die BAföG bekommen, geringer als für andere Wohngeld-Empfänger und -Empfängerinnen sei. Studierende stünden ohnehin unter Druck, da durch Corona die Möglichkeiten für Nebenjobs in der Gastronomie oder im Freizeitbereich knapper geworden seien.
Kritik: Zu wenig öffentlich geförderter Wohnraum
Die Finanzkraft der Studierenden sei infolge der Pandemie deutlich gesunken, beobachtet auch Sylvia Kobus vom Studentenwerk Frankfurt. Dennoch liege der Anteil von öffentlich gefördertem studentischen Wohnraum im Rhein-Main-Gebiet mit 7,5 Prozent weiterhin unter dem Bundesdurchschnitt von 9,5 Prozent.
"Die Bereitstellung von öffentlich gefördertem, günstigem Wohnraum hat bis heute nicht den notwendigen Stellenwert", sagt sie. Im gesamten Rhein-Main-Gebiet gebe es zu wenig günstige Wohnungen, um die verschiedene finanziell schwach gestellte Gruppen konkurrieren müssten - nicht nur Studierende.
"Stattdessen Luxuswohnungen, die leer stehen"
"Es müsste viel mehr Sozialwohnungen geben", sagt auch Informatikstudent Clemens. "Stattdessen sieht man irgendwelche Luxuswohnungen, die leer stehen." Er könne zwar notfalls finanzielle Unterstützung von seinen Eltern bekommen. "Ich möchte ihnen aber auch nicht auf der Tasche liegen" - daher das selbstgesetzte Limit von 400 Euro. Falls er ein Zimmer findet, möchte er sich einen Werkstudentenjob suchen, um die Miete aufzubringen.
Seit Clemens vor einigen Tagen seine neue Anzeige online gestellt hat, habe er aber noch keine seriösen Nachrichten bekommen. Nur "ein Fake-Anbieter" habe sich gemeldet, der angeblich in Norwegen sei und gegen 800 Euro einen Wohnungsschlüssel per Post schicken würde. Dass die ohnehin schon nervenaufreibende WG-Suche von Betrügern ausgenutzt werde, mache die Sache nicht besser.