Luftaufnahme von Häusern in einer Landschaft.

Eigentlich sind im nordhessischen Heilerbachtal nur Wochenendhäuser erlaubt. Trotzdem wohnen in der Zierenberger Siedlung seit Jahren Menschen. Die Stadt duldete dies bislang. Nun ist klar: Die Menschen werden sich eine neue Bleibe suchen müssen.

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Bauverstöße im Zierenberger Heilerbachtal

hs
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Vor zehn Jahren erfüllten sich Doris und Klaus Kreiker einen lang gehegten Traum und kauften eine Streuobstwiese im Heilerbachtal in Zierenberg (Kassel). Sie pflegten die alten Bäume und pflanzten neue und hielten Bienenvölker. Zunächst nutzten sie ihr Grundstück nur an den Wochenenden. "Als wir erfahren haben, dass man dort auch dauerhaft wohnen kann, sind wir hingezogen - weil uns die Natur am Herzen liegt", sagt Doris Kreiker.

Der Haken: Das Gebiet am Dörnberg darf laut Bebauungsplan von 1962 nur für Wochenendhäuser und nicht zum dauerhaften Wohnen genutzt werden. Das ist von der Stadt über Jahrzehnte lang geduldet worden - bis der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Kassel im vergangenen Jahr dagegen klagte.

Anwohner der Wochenendsiedlung am Heilerbachtal

BUND sieht Gefahr für Tiere und Pflanzen

Der BUND sah in mehreren Fällen gegen die Auflagen verstoßen: Häuser hätten eine größere Grundfläche und mehr Garagen als zulässig, zur Einfriedung der Grundstücke würden statt der erlaubten Hecken Steinmauern genutzt.

Die dauerhafte Nutzung und die damit verbundenen Lärm- und Lichtquellen stellten einen größeren Einschnitt für die Tier- und Pflanzenwelt dar als die ursprünglich nur am Wochenende erlaubte Nutzung, fürchtete der BUND. Seitdem schwelte ein Streit zwischen Anwohnern, Stadt und der Bauaufsicht Kassel: Sind die Häuser im Heilerbachtal zulässig oder nicht?

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Streit um Häuser am Dörnberg bei Kassel

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Stadtverordnetenversammlung gegen Änderung des Bebauungsplans

Am Montag hat die Stadtverordnetenversammlung von Zierenberg Klarheit geschaffen: Sie entschied, dass das Heilerbachtal nur für Wochenendhäuser genutzt werden darf und der Bebauungsplan nicht geändert wird. Die Bauaufsicht werde nun jedes einzelne Bauverhaben prüfen, mit den erteilten Genehmigungen abgleichen und gegebenenfalls Rückbauten fordern, kündigte Wilfried Appel, Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung, gegenüber dem hr an.

Dem Stadtverordneten Appel zufolge sind etwa 25 Grundstückseigentümer von der Entscheidung betroffen. Laut Bauaufsicht müssen sie keine Bußgelder erwarten, Rückbauten seien die "Ultima ratio". Fakt ist aber: Dauerhaft am Dörnberg wohnen, das geht nun nicht mehr.

Ende des "Dauerwohnens" erwartet

Stefan Bitsch, Geschäftsführer des BUND Kassel, zeigte sich im hr zufrieden über die Entscheidung. "Es hätte aber auch gar nichts anderes dabei herauskommen können. Die Rechtslage ist so, dass man nicht einfach willkürlich Baugebiete mitten in die Landschaft planen kann." Das rechtfertige auch ein naturnaher Garten nicht.

Ein mehrstöckiges Wohnhaus am Dörnberg

Bitsch geht davon aus, dass das "Dauerwohnen" nun beendet und Gebäude, Zufahrten und Zäune, die gegen die Vorschriften verstoßen, entfernt werden. "Wir werden kontrollieren, ob das auch gemacht wird", kündigt er an.

"Sind dorthin gezogen, um in der Natur zu sein"

Betroffen von der Entscheidung ist auch Ferdinand Ungemach (Name von der Redaktion geändert). Er wohnt seit 2019 dauerhaft im Heilerbachtal. Zwar wusste er um den Bebauungsplan. Die Stadt Zierenberg habe aber nie etwas dagegen gehabt. "Ganz im Gegenteil, sie hat mich freudig begrüßt als Bürger der Stadt", meint er. Einen Plan B habe er nicht. Wenn die Bauaufsicht ihn auffordere, sein Haus zu verlassen, müsse er sich einen neuen Wohnsitz suchen.

Die Argumente des BUND, die Anwohnerinnen und Anwohner des Heilerbachtals würden die Natur zerstören, kann er nicht verstehen. "Wir sind dort oben hingezogen, um in der Natur und mit der Natur zu sein", so Ungemach. Vorher habe es im Heilerbachtal nur Acker gegeben. Die Bewohnerinnen und Bewohner hätten eine vielfältige Landschaft daraus gemacht.

Dass sich 25 Familien nun wahrscheinlich ein neues Zuhause suchen müssten, hält er für "ökologisch völlig widersinnig". "Die Häuser bleiben dort stehen, müssen im Winter geheizt werden. Wir müssen mehr fahren und nehmen anderen Leuten Wohnraum weg", meint er. Die Naturschützer hätten nicht verstanden, was ihre Klage gegen die Siedlung am Dörnberg für die Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer bedeute.

Anwohner fühlen sich von Stadt im Stich gelassen

Anwohner wie Ferdinand Ungemach und das Ehepaar Kreiker fühlen sich von der Stadt im Stich gelassen. Schließlich habe sie ihnen zugestanden, dort leben zu können. "Wir sind alle keine Juristen und dachten, wenn die Stadt uns das genehmigt, ist das in Ordnung", klagt Doris Kreiker. Alle Anwohnerinnen und Anwohner des Heilerbachtals wollten eine Lösung, die sowohl für sie als auch für die Natur verträglich sei.

Die zweite denkbare Lösung, die in der Stadtverordnetenversammlung besprochen wurde - eine Umwandlung zu einem echten Wohngebiet - sei für sie deswegen nicht in Frage gekommen, so Kreiker. Dann hätte das Gebiet voll erschlossen werden müssen. Statt der behelfsmäßigen Wege hätten Straßen, Laternen und Wege gebaut werden müssen - auf Kosten der Bewohner. Noch haben die Anwohner ihre Hoffnung nicht aufgegeben. "Wir wollen die Zusage, dass wir dort oben wohnen dürfen." Wenn die Stadt und die Bauaufsicht das verbieten sollte, würden sie sich anwaltliche Hilfe suchen.

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