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Chinesisches Drachenboot-Rennen in Frankfurt

Ein Drachenboot

In Frankfurt findet am Samstag das erste von Auslandschinesen veranstaltete Drachenboot-Rennen statt. Menschenrechtsaktivisten warnen vor einer chinesischen Machtstrategie auf lokaler Ebene. Der chinesische Generalkonsul schweigt über mögliche politische Hintergründe des Events.

"Drachen am Main" übersetzt Da Li den Namen des Kultur- und Sportvereins MainLoong. Die Mitarbeiterin eines chinesischen IT-Unternehmens kam vor rund 20 Jahren zum Studium nach Frankfurt. Sie hat inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft und ist Teil der Community aus rund 15.000 Auslandschinesen im Rhein-Main-Gebiet. 

Der Verein veranstaltet am Samstag die erste von Auslandschinesen veranstaltete Drachenbootregatta in Frankfurt. Über 20 Mannschaften werden erwartet. Die meisten der rund 600 angemeldeten Teilnehmer sind Mitarbeiter hier ansässiger chinesischer Firmen. 

Die Bausteine, mit denen Li für das Rennen auf dem Main wirbt, sind: Dialog und Austausch der Kulturen. "Wir wollen mit dazu beitragen, in der Region noch mehr Drachenbootbegeisterte zu finden."

Offizielle Webseite bewirbt Drachenboot-Festival

Die offiziellen Eröffnungsreden für das Event werden der chinesische Generalkonsul in Frankfurt, Yiyang Huang, und Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) halten. Die diplomatische Vertretung des von der Kommunistischen Partei beherrschten Staates und der Magistrat der Stadt Frankfurt unterstützen das Festival. 

Auffällig ist, dass das Drachenboot-Festival nicht nur vom chinesischen Generalkonsulat unterstützt wird. Es wird auch auf der offiziellen chinesischen Nachrichtenwebseite für das Ausland beworben. Dort finden sich im Stil eines Verlautbarungsorgans aktuelle Berichte über den chinesischen Präsidenten Xi Jinping und die Kommunistische Partei.

Trockenübungen vor dem Drachenboot-Event.

Es scheint sich bei dem Drachenboot-Festival also nicht um ein Kulturevent zu handeln, bei dem die Politik keine Rolle spielt. Nach hr-Informationen wurde das Event in nur wenigen Monaten aus dem Boden gestampft. 

Fragt man Da Li vom veranstaltenden Verein MainLoong nach einer möglichen Einflussnahme der Kommunistischen Partei durch den Generalkonsul, wird die Gesprächsatmosphäre auf einmal frostig. "Was hat das mit unserem Drachenboot-Sport zu tun?", fragt sie zurück. Auch wenn sie eng mit dem Generalkonsulat zusammenarbeite, sei sie nicht dessen Mitarbeiterin. 

Ungewöhnlich viel Geld für Freizeitsport

Der Trainer von MainLoong, Thomas Seewald, wird da deutlicher: Im Verein habe es auch kritische Stimmen zur Zusammenarbeit mit dem Konsulat gegeben. "Das war keine Sache, die wir frohen Herzens machen", sagt Seewald. Er sei mehrfach bei Gesprächen im Generalkonsulat dabei gewesen und habe den Eindruck gewonnen, die Funktionäre hätten dort den Befehl, "sanft mit den Deutschen umzugehen".

Politik ist laut Seewald dort aber nie ein Thema gewesen. Der Verein habe mehr als genug Geld für das Event. Sponsoren seien chinesische Unternehmen. Das sorge für eine ungewöhnlich gute finanzielle Ausstattung für einen Sport auf Freizeitniveau.

Chinesische Außenpolitik weicht auf lokale Ebene aus

Ray Wong, Demokratie-Aktivist aus Hongkong, sieht Events wie das Drachenboot-Festival in Frankfurt kritisch. Kooperationen auf lokaler Ebene seien Teil der globalen Strategie der chinesischen Regierung, sagt Wong. Der Demokratie-Aktivist musste 2017 aus seiner Heimat Hongkong fliehen. Ihm drohte wegen seines politischen Engagements eine mehrjährige Haftstrafe in chinesischen Gefängnissen. 

Wegen der erhöhten Aufmerksamkeit für die chinesische Machtpolitik auf EU- und Bundesebene versuche China verstärkt, Kontakte auf regionaler oder lokaler Ebene zu knüpfen. Wong ist der Meinung, dass China mit Events wie dem Drachenboot-Festival Themen wie Menschenrechtsverletzungen oder die Unterdrückung der Demokratie-Bewegung übertünchen will.

Auslandschinesen als potenzielle Hilfs-Spione

Informationen und Kontakte, die Auslandschinesen bei solchen Events sammeln, könnten auch beim chinesischen Ministerium für Staatssicherheit landen, meint Wong. Denn anders als in der Bundesrepublik sei die Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst für Chinesen nicht freiwillig. "Wenn Auslandschinesen nicht zur Zusammenarbeit bereit sind, drohen ihnen Konsequenzen", so Wong.

Beim Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hessen bildet China einen wesentlichen Aufklärungsschwerpunkt der Spionageabwehr. Neben Wirtschaftsspionage liege ein Augenmerk chinesischer Geheimdienste in Deutschland auf der Beobachtung chinesischer Oppositioneller im Ausland. 

"In diesem Zusammenhang zählt zum chinesischen modus operandi auch die Befragung von Staatsangehörigen, die im Ausland leben oder von dort nach China zurückkehren", so das LfV Hessen auf hr-Anfrage. Jede Veranstaltung könnte aus chinesischer Perspektive dazu geeignet sein, "dort geheimdienstliche Aktivitäten zu entfalten".

Aktuell liegen dem LfV Hessen nach eigenen Angaben keine konkreten Hinweise auf eine systematische geheimdienstliche Nutzung von Kulturveranstaltungen wie dem Drachenboot-Festival vor.

Generalkonsul schweigt zu möglicher politischer Einflussnahme

Auf Fragen zu einer möglichen politischen Einflussnahme durch Events wie das Drachenboot-Festival geht Generalkonsul Huang nicht ein. In ihrer schriftlichen Antwort betont die Pressestelle des Konsulats, die Initiative für das Event sei von hier lebenden Auslandschinesen ausgegangen. 

"Das Frankfurter Drachenboot-Festival sollte nicht nur die kulturelle Vielfalt von Frankfurt bereichern, Überseechinesen zur aktiveren Integration in die lokale Gemeinschaft ermutigen, sondern auch sportliche und kulturelle Austausche zwischen Deutschland und China ankurbeln", heißt es in dem Schreiben. Der Generalkonsul freue sich über diese Entwicklung und unterstütze das Event deshalb. "Das Frankfurter Drachenboot-Festival wird marktorientiert durchgeführt, das Generalkonsulat leistet dazu keine finanzielle Unterstützung", so das Konsulat.

Dezernentin: "Wir haben China-Strategie im Blick"

In Römer verweist Oberbürgermeister Josef hinsichtlich möglicher Gefahren einer politischen Einflussnahme im Umfeld solcher Events auf die für internationale Beziehungen zuständige Dezernentin Eileen O'Sullivan (Volt). "Die China-Strategie der Bundesregierung hat das bei uns zuständige Referat für Internationale Angelegenheiten (RIA) selbstverständlich fortlaufend im Blick", heißt es da. 

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China-Strategie der Bundesregierung

Blickt man auf die China-Strategie der Bundesregierung, finden sich drei Bausteine: China ist Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale. Wer "systemischer Rivale" sagt, könnte mitdenken, dass der von der Kommunistischen Partei Chinas kontrollierte Staatsapparat ausländische Demokratien auch mit unfairen Mitteln bekämpft - etwa durch Desinformation, Cyberangriffen und Spionage.

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Man habe zur Kenntnis genommen, dass die China-Strategie den lokalen Austausch im Grundsatz begrüße, zumal Frankfurt die kulturellen Aspekte der Partnerschaft im Fokus habe. Das RIA stehe bei "strategischen Fragen im Austausch mit dem Auswärtigen Amt, dem Deutschen Städtetag und Engagement Global".

China-Expertin: Wer steckt hinter der Zusammenarbeit?

Auch Josie-Marie Perkuhn, China-Expertin am Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK), hat die Charmeoffensive der chinesischen Außenpolitik gegenüber Kommunen im Blick. Sie rät den Verantwortlichen dazu, sich mehr mit der machtstrategischen Komponente hinter solchen Kulturevents zu beschäftigen. 

Dabei sollten Lokalpolitiker drei Fragen im Blick haben: Wer steckt hinter der Zusammenarbeit, woher kommt das Geld, und kommt die Initiative wirklich aus der Zivilgesellschaft? Gleichzeitig plädiert Perkuhn dafür, an der Neugier aufeinander festzuhalten: "Denn China und die chinesische Kultur sind durchaus faszinierend."

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