Symbolbild: Masernimpfung

Die Zahl der Masernfälle in Hessen nimmt seit vergangenem Jahr wieder zu. Noch ist das Niveau weit unter dem vor der Corona-Pandemie. Grund zur Sorge geben aber Impflücken in der Bevölkerung.

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Zahl der Masernfälle in Hessen steigt wieder

Impfpass: Eintrag für Masern, Röteln, Mumps
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Zuerst sind es Erkältungsanzeichen wie Husten und Fieber, bald schon folgen weiße Flecken im Mund, dann ein hellroter Hautausschlag: Die Masern verlaufen in zwei Phasen, ausgelöst durch hoch ansteckende Viren - sowohl für Kinder als auch Erwachsene.

In Hessen sind nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) in diesem Jahr bislang zehn Masernfälle gemeldet worden (Stand 3. Mai), davon vier im Landkreis Bergstraße, vier weitere in der Stadt Offenbach sowie je ein Fall im Landkreis Marburg-Biedenkopf und Rheingau-Taunus. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt lediglich zwei Fälle.

Von den zehn Masernfällen in diesem Jahr sind drei Kleinkinder im Alter bis zwei Jahren, fünf Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren und zwei Erwachsene im Alter von 35 und 48 Jahren, wie aus den Zahlen des RKI hervorgeht. Verglichen mit den Jahren vor der Pandemie sei die Zahl der Fälle nicht ungewöhnlich, sagt RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher.

Voller Schutz nur nach zwei Impfungen

In den Jahren 2015 bis 2019 schwankten die Fallzahlen in Hessen zwischen zehn und 76. In diesem Zeitraum traten die Fälle vermehrt in den Altersgruppen zehn bis 19 Jahren sowie 30 bis 39 Jahren auf. Was offenbar viele Erwachsene nicht wissen: Für den vollen Schutz vor Masern sind zwei Impfungen notwendig.

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Masern zählen zu den ansteckendsten Krankheiten überhaupt. Laut RKI sind Masernviren in einem Raum auch nach zwei Stunden noch nachweisbar. Wer nicht immun ist, steckt sich mit einer Wahrscheinlichkeit von nahezu 100 Prozent an.

Die Folge: Das Immunsystem werde durch die Maserninfektion so geschwächt, dass auch Erwachsene noch über Wochen nach der Erkrankung andere Infektionen wie Lungenentzündung oder Bronchitis bekommen können, erklärt Glasmacher. Zudem bestehe das Risiko, dass die Masern in das Gehirn wandern. "Einer von 1.000 Erkrankten kann eine Hirnhautentzündung kriegen, einer von 10.000 stirbt", sagt die RKI-Sprecherin.

Tödliche Spätfolgen

Wie fatal eine Ansteckung für Erwachsene sein kann, zeigt der Fall einer 33-Jährigen aus Niedersachsen. Die fünffache Mutter hatte sich im April 2019 bei zwei ihrer Kinder angesteckt. Nur drei Tage nachdem die Symptome aufgetreten waren, starb sie. Von ihren fünf Kindern war lediglich die älteste Tochter geimpft.

Auch für Kinder können Masern tödlich sein. Zuletzt hatte der Tod einer Sechsjährigen aus Bad Hersfeld im November 2016 für Schlagzeilen gesorgt. Das Mädchen hatte sich als kleiner Säugling angesteckt und erkrankte in der Folge an der Masern-Gehirnentzündung SSPE (subakute sklerosierende Panenzephalitis). In den ersten fünf Lebensmonaten führt eine Ansteckung laut Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland in etwa einem von 150 bis 300 Fällen zu SSPE, die immer tödlich verläuft.

Weil die Mutter des Mädchens selbst nicht geimpft war, hatte das Baby keinen sogenannten Nestschutz. Das bedeutet, die bei der Mutter entwickelten Antikörper - durch eine Impfung oder eine erfolgte Infektion - werden auf das Baby übertragen, was bei dem Mädchen nicht der Fall war.

Impfpflicht für Kinder

Der Nestschutz gegen Masern ist deshalb so wichtig, weil eine Impfung von Babys erst ab elf Monaten empfohlen wird, die zweite dann ab 15 Monaten, wie RKI-Sprecherin Glasmacher erklärt. Die Masernimpfung sei eine Lebendimpfung, also auf Basis von abgeschwächten Viren.

"Das bedeutet, Schwangere dürfen nicht geimpft werden und Menschen mit Immunschwäche auch nicht. Deshalb können Säuglinge frühestens ab neun Monaten geimpft werden, weil sie bis dahin noch kein ausreichendes Immunsystem aufgebaut haben."

Um den Schutz vor Masern bei Kindern bis zum Schulalter zu erhöhen, gilt seit März 2020 das Masernschutzgesetz. Dieses schreibt vor, dass Schülerinnen und Schüler oder Menschen, die an einer Schule tätig sind, den Nachweis einer Masernimpfung erbringen müssen. Damit sollen aber auch Menschen geschützt werden, die selbst nicht gegen Masern geimpft werden können, weil sie zum Beispiel schwanger sind oder ein schwaches Immunsystem haben.

Weitere Informationen

WHO-Ziel Maserneliminierung

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat bereits 1984 die weltweite Beseitigung der Masern zum Ziel erklärt. Dafür muss laut WHO die Durchimpfung der Bevölkerung bei mindestens 95 Prozent für beide Impfdosen liegen. Die vollständige Elimination wurde in Europa bisher nicht erreicht, auch nicht in Deutschland. Je nach Bundesland liegt die Durchimpfungsquote bei 89 Prozent bis 95 Prozent. 

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Mit der Impfpflicht für Kinder bis zum Eintritt in die Schule oder in den Kindergarten soll die Impfquote in der Bevölkerung so weit angehoben werden, dass die Masern erfolgreich eliminiert werden. Dafür ist eine Impfquote von 95 Prozent in der Bevölkerung notwendig.

Impflücken trotz Masernschutzgesetz

Bei Kleinkindern im Alter von 24 Monaten etwa wird das Ziel von 95 Prozent für die erste Impfung in Hessen gut erfüllt, wie die vom RKI veröffentlichten Zahlen aus dem Jahr 2022 belegen. Damals lag die Quote für die erste Masernimpfung bei der Altersgruppe des Geburtsjahrgangs 2019 in Hessen bei 95,6 Prozent, bundesweit betrug die Quote auch immerhin 93,7 Prozent (Geburtsjahrgang 2018: 92,6 Prozent).

Blickt man auf die von der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlene zweite Masernimpfung, ergibt sich allerdings ein ganz anderes Bild. Zwar steigt auch hier die Impfquote bei Kindern im Alter von 24 Monaten, doch problematisch sind laut RKI die bestehenden Impflücken.

Damit ist gemeint, dass in allen Altersgruppen weniger Menschen die zweite Impfung erhalten haben als die erste. Das hat zur Folge, dass die Quote für die zweite Impfung sowohl in Hessen als auch bundesweit weit unter dem Ziel von 95 Prozent liegt.

Impflücken bergen Risiko

Zurück zum Geburtsjahrgang 2019: Bei der Altersgruppe von 24 Monaten lag die Quote für die zweite Impfung in Hessen 2022 bei nur 83,6 Prozent und damit deutlich niedriger als für die erste Impfung (95,6 Prozent). Bundesweit lag die Quote mit 80,5 Prozent sogar noch darunter (Geburtsjahrgang 2018: 76,1 Prozent).

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Daraus resultiert, dass zum damaligen Zeitpunkt etliche Kinder des Jahrgangs 2019 nicht zur empfohlenen Zeit die für den vollen Schutz notwendige zweite Impfung bekamen. Zwar werden laut RKI bis zum Schuleintritt Impfungen nachgeholt, doch oftmals würden Kinder zu spät geimpft und somit zu lange einem Risiko ausgesetzt, sich zu infizieren.

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Zahlen dazu, wie viele Kinder zum Eintritt in die Grundschule bereits zweimal geimpft wurden, liegen nicht vor. Anhand von Daten der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen lässt sich aber nachvollziehen, dass die Zahl der Erstklässlerinnen und Erstklässler in Hessen mit mindestens einer Masernimpfung in den Jahren 2020 bis 2023 stetig angestiegen ist, wenn auch zuletzt weniger stark.

RKI: Masernschutzgesetz hat positiven Effekt

Zur Frage, ob das Masernschutzgesetz die Impfquote verbessert hat, dazu könne die KV wegen fehlender Daten keine qualifizierte Aussage treffen. Das RKI kommt jedenfalls im aktuellen epidemiologischen Bulletin vom 11. April zum Schluss, dass eine Verbesserung der Impfquoten "höchstwahrscheinlich inzwischen durch das Masernschutzgesetz erzielt werden" konnte.

Um die Elimination der Masern jedoch "tatsächlich zu erreichen und dann auch aufrechtzuerhalten, müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die bestehenden Immunitätslücken so schnell wie möglich zu schließen", fordert das RKI in dem Bulletin. Dies gelte insbesondere für die Altersgruppe der zwei bis vier Jahre alten Kinder.

Empfehlung für Erwachsene

Auch bei jüngeren und mittelalten Erwachsenen gibt es Impflücken, wie RKI-Sprecherin Glasmacher berichtet. Sie empfiehlt, wer keine zwei Einträge im Impfpass habe, solle sich einmal impfen lassen. Dann könne man davon ausgehen, den vollen Schutz erhalten zu haben.

Grundsätzlich sei die Impfung immer der Erkrankung vorzuziehen und das beste Mittel zum Schutz vor einer Erkrankung. "Masern sind verdammt ansteckend. Das ist die schlechte Nachricht, die gute ist: Man kann sich noch bis zu drei Tage nach dem Kontakt mit dem Virus impfen lassen", betont Glasmacher. Auch Gesundheitsministerin Diana Scholz (SPD) rief jüngst dazu auf, den Impfstatus bei allen Impfungen überprüfen zu lassen, "um Impflücken zu schließen".

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Masernschutzgesetz: Was Betroffene nachweisen müssen

"Kinder ab einem Jahr müssen eine Masern-Schutzimpfung oder eine Masern-Immunität nachweisen. Kinder ab zwei Jahren und Erwachsene, die nach 1970 geboren sind, müssen mindestens zwei Masern-Schutzimpfungen oder ein ärztliches Zeugnis über eine ausreichende Immunität gegen Masern nachweisen. Die Immunität kann durch einen Bluttest (sog. Titerbestimmung) festgestellt werden. Die Kosten für ein ärztliches Attest müssen in der Regel vom Patienten selbst bestritten werden.

Die gesetzlichen Vorgaben orientieren sich an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO). Wenn der Impfstatus unklar ist, sollten die Impfungen nachgeholt werden. Eine Antikörperkontrolle (Titerbestimmung, Anm. d. Red.) wird von der STIKO nicht empfohlen. Liegt eine medizinische Kontraindikation vor, muss diese durch ein ärztliches Attest nachgewiesen werden." (Quelle: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung)

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