Archäologie Ausgrabungen Synagoge Überreste Fulda

Lange lag die zerstörte Synagoge in der Fuldaer Innenstadt unter einer Betondecke auf Privatgelände begraben. Nun sollen die Überreste wieder freigelegt werden. Die Archäologen sind gespannt, was sie finden werden.

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Zerstörte und zubetonierte Synagoge soll freigelegt werden

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Wo früher die Synagoge in der Fuldaer Innenstadt stand, sieht es heute ziemlich heruntergekommen aus. Die Fassade des Gebäudes und der Platz davor wirkten schon länger ramponiert und baufällig.

Hinweise, dass dort früher ein jüdisches Gotteshaus stand, gibt es aber noch heute. Ein Wandgemälde zum Beispiel zeigt die Front des Mitte des 19. Jahrhundert entstandenen Baus.

In den nächsten Monaten wird das Areal in der Innenstadt (Am Stockhaus) eine große Baustelle sein. Am Dienstag haben archäologische Untersuchungen begonnen. Eine Fachfirma nimmt dort Ausgrabungen vor. Dabei sollen die Überreste der 1938 zerstörten Synagoge freigelegt werden.

Synagogen-Überreste unter Parkplatz und früherer Werkstatt

Seit Jahrzehnten sind die Ruinen der von den Nationalsozialisten während der Pogromnacht (9./10. November 1938) zerstörten Synagoge begraben unter einem Parkplatz und einer ehemaligen Autowerkstatt, die zuletzt als Box-Club genutzt wurde.

Zunächst wird auf einem Drittel des Platzes die Betondecke entfernt, um zu schauen, was sich darunter befindet. Anja Listmann, die Beauftragte der Stadt Fulda für jüdisches Leben, verfolgte den Start der Ausgrabungen sichtlich begeistert. "Wir sind alle mega gespannt, was bei den Grabungen zutage treten wird. Darauf warte ich seit Jahrzehnten, das lässt mein Herz höher schlagen."

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Ausgrabungen in Fulda: Überreste von zerstörter Synagoge sollen freigelegt werden

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80 Jahre lang seien die Überreste des geschichtsträchtigen Ortes verborgen und die Geschichte der Synagoge verschleiert gewesen, sagt Listmann. Es sei daher ein bedeutsamer Tag.

Hoffnung auf Reste der Innenausstattung im Schutt

Auch der Fuldaer Archäologe Frank Verse verfolgte den Auftakt. "Nun wird ein bedeutender Teil der jüdischen Geschichte wieder freigelegt. Wir gehen fest davon aus, dass wir Überreste der Synagoge finden, vielleicht auch noch Teile der früheren Innenausstattung."

Archäologie Ausgrabungen Synagoge Überreste Fulda

Am Dienstag kamen zum Start der Ausgrabungen unter der Betondecke direkt Hohlräume zum Vorschein. "Wir haben aber noch keinen guten Einblick und können noch nicht sagen, ob es sich dabei womöglich um eine Mikwe, ein jüdisches Ritualbad, handelt", sagte Grabungsleiter Andreas König.

Ob es eine leichte oder komplizierte Grabung werde, sei schwer abzuschätzen. "In Innenstädten erlebt man häufig Überraschungen."

Fulda früher bedeutend für Judentum

Die Synagoge wurde in den Jahren 1857 bis 1859 erbaut und 1927 erweitert. Listmann beschreibt den Sandstein-Bau als imposant: Er sei mit großen bunten, bleiverglasten Fenster und 80 Zentimeter dicken Wänden ausgestattet gewesen, innen habe es hohe Leuchter gegeben.

Der mehrgeschossige Bau bot mehr als 600 Menschen Platz. Zum Vergleich: Der Fuldaer Dom hat eine ähnlich große Kapazität, aber noch etwas mehr Sitzplätze für Gottesdienst-Besucher. Ohnehin sei Fulda nicht nur ein bedeutender Ort für den Katholizismus, sondern auch für das Judentum gewesen, erklärt Listmann.

Synagoge Fulda

Vor der Machtergreifung der Nazis lebten rund 1.200 Menschen jüdischen Glaubens in Fulda. Das waren laut Listmann etwa vier Prozent der Bevölkerung. Nach politischem Druck und Verfolgung verließen zahlreiche Jüdinnen und Juden Fulda.

In den Jahren 1941 und 1942 wurden einige von ihnen auch in drei Deportationszügen in Richtung Osten gebracht, in Vernichtungslager verschleppt und ermordet.

Jüdische Geschichte reicht weit zurück

Die jüdische Gemeinde Fulda hat eine lange Tradition. "Die Geschichte der Juden in Fulda reicht mindestens bis ins 12. Jahrhundert zurück. Die jüdische Gemeinde hat die Geschichte unserer Stadt wesentlich mitgeprägt und verdient es daher, erforscht und für alle zugänglich gemacht zu werden", betont Kulturamtsleiter Thomas Heiler.

Auch zum Ort der früheren Synagoge in der Innenstadt gibt es in der Literatur lange zurückreichende Erwähnungen bis ins 14. Jahrhundert. Erstmalig erwähnt wurde die heute als "Am Stockhaus" bekannte Straße im Jahr 1367 unter dem Namen "Judengasse".

Synagoge Fulda

Während des Zweiten Weltkriegs erwarb die Firma Ludwig Kircher die Baulücke und errichtete dort unter anderem eine Werkstatt, einen Parkplatz und Geschäftsgebäude. Im Jahr 2020 kaufte die Stadt Fulda nach jahrelangen Verhandlungen das Gelände. Damit starteten auch die Überlegungen, wie man an dem Ort wieder an das über viele Jahrhunderte bestehende jüdische Leben in Fulda erinnern kann.

Angst vor Antisemitismus und Vandalismus

Grabungsleiter König freut sich über das Projekt. "Solche Grabungen sind sehr wichtig, weil wir für das jüdische Erbe in Deutschland eine besondere Verantwortung haben." Um die Baustelle in der Innenstadt abzusichern, sind keine besonderen Maßnahmen geplant. "Wir werden alles vorschriftsmäßig mit einem Bauzaun sichern."

Wegen aufwallender antisemitischer Tendenzen, angefacht durch die jüngsten internationalen Konflikte, hält er es aber für nicht ausgeschlossen, dass die Baustelle Ziel von Übergriffen und Vandalismus werden könne. "Das wäre erschütternd", so König. Möglicherweise werde man mit einem Sicherheitsdienst arbeiten müssen, um die Baustellen zu schützen.

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Jüdische Gemeinde Fulda

Die Jüdische Gemeinde in Fulda hat aktuell mehr als 340 Mitglieder. Ihre Synagoge befindet sich in der Von-Schildeck-Straße 13. Ein geschichtlicher Überblick befindet sich hier und ein YouTube-Video zur alten Synagoge hier.

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