Der einstürzende des AfE-Turm

Es dauerte nur wenige Sekunden – und 950 Kilo Sprengstoff zwangen den Frankfurter Uni-Turm in die Knie. Aus der Ferne erschwerte Nebel die Sicht, den rund 30.000 Zuschauern in der Nähe bot sich ein spektakuläres Bild.

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Uni-Turm erfolgreich gesprengt

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Erstes Sprengsignal. Warten. Zweites Signal. Wieder warten. Countdown. Bumm! Mit ein wenig Verzögerung detonierten am Sonntagmorgen (02.02.2014) um 10.04 Uhr die Pfeiler, kurz darauf explodierte der Kern. Der obere Teil des 116 Meter hohen und rund 50.000 Tonnen schweren AfE-Turms fiel in Richtung Süden, der kürzere untere Teil sackte nach Norden ab. Die Wucht der Detonation war über die Stadtgrenzen hinaus zu hören. Die Sprengung ging innerhalb von zehn Sekunden über die Bühne. Es gab eine große Staubwolke, zurück blieb jede Menge Bauschutt - und ein Rekord: Noch nie zuvor wurde in Europa ein höheres Haus gesprengt. 

Sprengmeister Eduard Reisch hatte fast eine Tonne Sprengstoff in 1.400 Bohrlöchern gezündet. Eigens errichtete Erdwälle, mitgesprengte Wasserkanister sowie eine Wasserwand der Feuerwehr federten die Folgen der Sprengung auf die umstehenden Häuser und Straßen ab. Zwei der 38 Stockwerke des Turms waren eigens mit dickem Vlies verkleidet worden, um beim Einsturz keine Schäden zu verursachen. 
Rund 1.000 Helfer des Technischen Hilfswerks, der Feuerwehr, der Polizei, der Bundeswehr sowie der Abbruchfirmen waren im Einsatz. 

Reisch gab wie geplant wenige Minuten nach der Sprengung Entwarnung. Er sprach von einer "Bilderbuchsprengung". Das Wetter sei optimal gewesen und das Gebäude genauso gefallen wie vorhergesagt, sagte er am Mittag. "Kurzzeitig war der Gebäudekern nackt." Laut Polizei wurden lediglich in einem nahe gelegenen Hotel drei Scheiben beschädigt. "Wir haben heute Geschichte geschrieben", sagte der Chef der städtischen ABG Holding, Frank Junker. "Das war ein chirurgischer Feineingriff. Es war Anspannung bis zum Schluss, aber es hat alles bestens geklappt."

Trotz feucht-kalten Wetters verfolgten nach Polizeiangaben etwa 30.000 Schaulustige die Sprengung. Sie spürten zwei starke, böllerähnliche Schläge, als das Haus in sich zusammenfiel. Einige schützen sich mit Masken und Schals vor dem Staub. Ilmi Viqa, Geschäftsführer der Abbruchfirma AWR, betonte, die Wolke sei ungefährlich. Das Unternehmen hatte das einst Asbest-haltige Gebäude entkernt. "Es war total schadstofffrei", versicherte Viqa.

Schon am frühen Morgen hatte die Polizei die Gegend rund um den Turm zur Hochsicherheitszone gemacht. Senckenberganlage, Ludwig-Erhard-Anlage, Hamburger Allee - alles wurde um 7 Uhr gemäß dem minutiösen Zeitplan der Experten abgesperrt. Um das Gebäude waren zwei Sperrzonen in einem Radius von bis zu 250 Metern eingerichtet worden. Der öffentliche Nahverkehr ruhte im Bereich der Sprengung.

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Ausblick auf Kulturcampus

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Die zwischen den Stationen Festhalle/Messe und Bockenheimer Warte gesperrte Strecke der U4 konnte die Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF) nach eigenen Angaben um 13.25 Uhr wieder freigeben. Auch die Straßenbahnlinien 16 und 17 sowie die Buslinie 50 nahmen ihren Betrieb wieder auf. Der U-Bahn-Tunnel sei durch die Sprengung nicht beschädigt worden, teilte die VGF weiter mit.

In dem 1972 errichteten AfE-Turm (Abteilung für Erziehungswissenschaft) haben Generationen von Geisteswissenschaftlern studiert. Dozenten und Studierende sind im vergangenen Jahr auf den neuen Campus im Stadtteil Westend umgezogen. Der Turm hatte zunächst abgetragen werden sollen. Nach massiven Protesten wegen der Lautstärke der Bauarbeiten aus der Nachbarschaft hatte die ABG dann aber die Machbarkeit der zunächst verworfenen Sprengung prüfen lassen.

Anstelle des Turms sollen zwei neue Büro-Hochhäuser gebaut werden, 100 und 140 Meter hoch. Das Gelände gehört zu dem sogenannten Kulturcampus, einer Mischung aus Büros, Wohnungen, Gewerbe und Kultur, die bis 2019/2020 auf dem alten Uni-Campus entstehen soll.