Hochzeitsfotografie im Wandel Wenn die Drohne über dem Brautpaar aufsteigt
Mit dem Wonnemonat Mai startet die Hochzeitssaison. Wo die Ur-Großeltern noch für ein einziges Hochzeitsbild in ein Fotostudio gingen, werden heute Drohnenbilder gemacht, hunderte Motive geschossen und ganze Reportagen gedreht. Doch eine Sache bleibt immer gleich.
An den Wänden von Saskia und Valentin Lösbrocks Zuhause in Fritzlar (Schwalm-Eder) hängen gerahmte Fotos und Leinwände, zu sehen darauf die beiden in Brautkleid und Hochzeitsanzug.
Sie stehen allerdings nicht in einer Kirche oder sagen "Ja" zueinander in einem konventionellen Standesamt. Sie stehen an einer Felsklippe in Irland – vor ihnen ein Trauredner, hinter ihnen das tosende Meer.
"Wir hatten richtig gutes Wetter an dem Tag", erinnert sich die heute 29-Jährige. "Es war nur total windig. Ich hatte einen Schleier und die ganze Zeit damit zu tun, ihn aus meinem Gesicht zu halten." Sie lacht und fügt hinzu: "Es war total magisch."
Nur die eigenen Wünsche zählen
Saskia und Valentin Lösbrock setzten sich im Mai 2023 in den Camper, um an den Cliffs of Moher in Hags Head, Irland, standesamtlich zu heiraten – nur zu zweit. Sie wollten den Moment der Eheschließung für sich haben, sagen sie. Damit die Trauung rechtskräftig ist, mussten allerdings zwei Trauzeugen anwesend sein. Sie wählten einen Iren, den sie zufällig vor Ort kennengelernt hatten und Dirk Weber, ihren Hochzeitsfotografen.
1.200 Bilder entstanden an diesem Tag - an der Klippe, am Strand, sogar in einem Pub. "Ich glaube, vieles, was heute fotografisch gemacht wird, hängt damit zusammen, dass die Paare heute ihre Hochzeit viel freier gestalten und weniger darauf hören, was sich Eltern oder Schwiegereltern wünschen", analysiert Hochzeitsfotograf Weber.
Früher: Fotos wurden oft nach der Hochzeit gemacht
Die Hochzeit als einen individuell gestalteten Tag der Liebe zu feiern und dieses Fest auch fotografisch zu begleiten, das ist ein Phänomen der Moderne. In den Anfängen der Fotografie, um 1830, war das Heiraten noch vielmehr ein Verwaltungsakt, sagt der Medienwissenschaftler Jens Ruchatz von der Philipps-Universität Marburg.
"Man ging oft auch gar nicht im Zusammenhang der Hochzeitsfeierlichkeiten ins Studio, aber mit der Kleidung, die man bei der Hochzeit getragen hatte, und ließ sich dort dann aufnehmen."
Der Blick war dabei oft ernst, denn es ging darum ein würdevolles Erinnerungsbild zu schaffen. "Das Foto belegte den Statuswechsel vom unverheirateten zum verheirateten Paar", erklärt Ruchatz.
Raus aus dem Studio ab den 1920er-Jahren
Mit der Entwicklung kleinerer Kameras war es ab etwa 1920 möglich, auch auf der Hochzeitsfeier selbst zu fotografieren. Doch mit spontanen Momentaufnahmen hatte das Ganze immer noch wenig zu tun, sagt Medienwissenschaftler Ruchatz.
Das Equipment war schwer und viele Motive mussten gestellt werden. "Das Fotografieren war ein Störfaktor. Häufig wird in Texten beschrieben, dass der Hochzeitsfotograf, die -fotografin die Leute herumgescheucht und rumkommandiert hat.“
Heute: Beobachter mit Kamera, der alles dokumentiert
Heute wollen Paare genau das Gegenteil: Der Fotografierende soll kaum auffallen, viel mehr beobachtend sein. Auch Marija Kesic und Kai Herrmann wollten ihren großen Tag mit Bildern festhalten. "Uns war glasklar, dass wir einen Fotografen dabeihaben wollen", sagt die Frankfurterin.
Sie arbeitet als Projektmanagerin und hatte den Hochzeitstag genau durchgeplant, wie sie sagt. "Wir haben lange nach dem passenden Fotografen gesucht und in einem fast dreistündigen Video-Call dann genau besprochen, welche Art Fotos uns gut gefallen würden."
Trend Hochzeitsreportage
Hochzeitsfotograf Dirk Weber hat das Paar vergangenen Juni vom Ja-Wort im Frankfurter Römer über ein Brautpaarshooting im Palmengarten bis hin zur abendlichen Feier auf einer Rooftop-Bar den ganzen Tag begleitet. Er werde fast nur noch für solche Hochzeitsreportagen gebucht, erzählt er.
"Über 90 Prozent dessen, was auf der Hochzeit so passiert, geht am Paar vorbei." Die Aufgabe von Hochzeitsfotografen und -fotografinnen sei es demnach, all die kleinen Dinge festzuhalten, die dem Paar hinterher einen Eindruck von ihrem Tag als Ganzes gäben.
Oft darf der Fotograf auch emotionale Stütze sein
Und nicht selten ist am großen Tag der Fotograf oder die Fotografin weitaus mehr als nur beobachtende Person mit Kamera, sondern auch eine emotionale Stütze. "Hochzeit ist für alle Beteiligten irgendwas total Unbekanntes und alle sind aufgeregt und man selbst ist im Zweifelsfall der ruhende Pol, der so was schon tausend Mal gesehen hat", schmunzelt Weber. Schon oft habe er aufgelöste Brautpaare überzeugen müssen, dass falscher Blumenschmuck oder ein unrealistischer Zeitplan keinen Weltuntergang bedeuten.
Marija Kesic hat ihren Zeitplan "zu 90 Prozent" einhalten können, erzählt sie und ist glücklich über die tollen Fotos, die an diesem Tag entstanden sind. Mehrere Alben hat sie damit erstellt und diese auch innerhalb der Familie verschenkt. "Es ist so schön, mit den Fotos den Tag immer wieder Revue passieren zu lassen."
Neue Technik, doch der Kern bleibt
Und auch Saskia und Valentin Lösbrock reisen jedes Mal wieder gedanklich zurück nach Irland, wenn sie die Fotos an ihren Wänden ansehen - speziell das eine: "Ganz am Ende des Tages haben wir dann tatsächlich auf dem Camper sitzend in den Sonnenuntergang geguckt und Dirk ist mit der Drohne kreisend über uns geflogen. Es waren vielleicht 12 Grad und wir haben total gefroren, aber es hat sich gelohnt", erzählt Valentin und seine Augen leuchten bei der Erinnerung.
Die Technik mag sich über die Jahrhunderte hinweg stark verändert haben, doch der grundlegende Wunsch, mit Fotos eine Erinnerung zu schaffen, zu der man in der Zukunft immer wieder gedanklich zurückreisen kann, der ist geblieben.