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Wahlen in der Türkei - auch in Hessen

Menschen bei einer Wahlveranstaltung in der Türkei schwenken türkische Flaggen in ihren Händen

Deutlich eher als ihre Landsleute in der Heimat dürfen Türkinnen und Türken in Hessen ihre Stimme zur Präsidentschafts- und Parlamentswahl abgeben. Wichtige Fragen und Antworten dazu.

Am 14. Mai finden in der Türkei Wahlen statt. Türkische Staatsbürger, die im Ausland leben, dürfen an ihrem jeweiligen Wohnort ihre Stimme abgeben - auch in Hessen.

Was wird in der Türkei gewählt? 

Am 14. Mai werden gleichzeitig ein neues Parlament und der Präsident der Türkei bestimmt. In die Große Nationalversammlung, wie das Parlament heißt, werden 600 Abgeordnete gewählt. Wer antritt und warum die diesjährigen Wahlen unter besonderen Vorzeichen stehen, lesen Sie weiter unten.

Wer darf in Hessen wählen? 

Wahlberechtigt sind türkische Staatsbürger, die volljährig sind und den türkischen Behörden ihren deutschen Wohnsitz gemeldet haben. Das gilt auch für Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft. Zudem müssen sie beim Hohen Wahlamt (Yüksek Seçim Kurulu) als Wähler registriert sein. 

Ob dies der Fall ist und bei welcher Auslandsvertretung sie registriert sind, können sie über die Internetseite des Hohen Wahlamts abfragen. In der türkischen Vertretung in Hessen, dem Generalkonsulat in Frankfurt, sind knapp 150.000 Wähler registriert. Deutschlandweit sind es knapp 1,5 Millionen. 

Wo und wann können Türken wählen? 

In Deutschland werden in allen 13 türkischen Generalkonsulaten Wahlurnen aufgestellt - eben auch in Frankfurt.

Das Wahllokal in Frankfurt ist vom 27. April bis 9. Mai, jeweils 9 bis 21 Uhr, geöffnet: Generalkonsulat Frankfurt, Kennedyallee 115-117, 60596 Frankfurt

Außerdem gibt es eine Wahlmöglichkeit in Kassel, ebenfalls bis zum 9. Mai täglich von 9 bis 18 Uhr: Niestetalweg 6, 34123 Kassel
 
Die Wählerinnen und Wähler sind nicht an einen Ort gebunden. Ein Wahlberechtigter aus Nordhessen kann zum Beispiel auch in Hannover seine Stimme abgeben. Darüber hinaus können im Ausland lebende Türken an bestimmten Grenzübergängen zur Türkei wählen, zum Beispiel an den beiden großen Flughäfen in Istanbul oder am Flughafen in der Hauptstadt Ankara sowie an mehreren Land- und Seeübergängen. 

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Wie läuft die Türkei-Wahl in Deutschland ab? 

Um an der Wahl teilnehmen zu können, müssen die Wahlberechtigten ihren türkischen Personalausweis vorzeigen. Mitarbeiter des Wahlausschusses überprüfen anhand des Ausweises, ob die jeweilige Person wahlberechtigt und eine Bürgerschaftsnummer hat. Die Nummer wird registriert, um mehrfache Stimmabgaben zu vermeiden. Danach werden die Wahlunterlagen ausgehändigt. 

Nach Ende der zwei Wochen werden die Wahlurnen aus Deutschland in die Türkei gebracht und bis zum eigentlichen Wahltag am 14. Mai aufbewahrt. Bei früheren Wahlen war es so, dass die Stimmzettel aus dem Ausland erst nach Ende der Abstimmung ausgezählt wurden.

Welche Parteien treten zur türkischen Parlamentswahl an?

Nach Auskunft des Hohen Wahlamts (YSK) haben 36 Parteien die Möglichkeit, an der Parlamentswahl teilzunehmen. Um in die Nationalversammlung einzuziehen, muss jede Partei mindestens sieben Prozent der Stimmen erreichen.   

Die Parteien bilden Bündnisse. Präsident Recep Tayyip Erdoğan tritt mit seiner islamisch-konservativen AKP im Wahlbündnis mit der ultranationalistischen MHP, der nationalistisch-religiösen BBP sowie der islamistischen YRP an ("Volksallianz"). Der aussichtsreiche Oppositionskandidat Kemal Kılıçdaroğlu wird vom "Bündnis der Nation" ("Millet Ittifaki", auch "Sechser-Tisch" genannt) unterstützt. Dazu gehören die größte Oppositionspartei CHP, die nationalkonservative Iyi-Partei sowie die Parteien Deva, GP, DP und SP.

Warum kommt es vor allem auf die Präsidentschaftswahl an?

Der Staatspräsident der Türkei ist Staatsoberhaupt und Regierungschef des Landes. Seit 2014 wählt das Volk den Staatschef direkt, die Amtszeit ist auf fünf Jahre verkürzt. Eine Wiederwahl ist einmalig möglich.
 
Mit dem Verfassungsreferendum von 2017 hat der Staatschef erheblich mehr Rechte erhalten. Der Ministerrat ist entfallen, damit steht dem Staatsoberhaupt kein Ministerpräsident mehr zur Seite. Das parlamentarische Regierungssystem wurde durch ein Präsidialsystem ersetzt. Der Staatspräsident der Türkei hat seitdem umfassende Regierungsbefugnisse, ohne die Zustimmung der Abgeordneten der Türkischen Nationalversammlung zu benötigen. 

Wer sind die Kandidaten bei der türkischen Präsidentschaftswahl? 

Für das höchste Amt in der Türkei gibt es vier Kandidaten. Es sind der amtierende Präsident Erdoğan von der konservativ-islamischen Partei AKP, Kemal Kılıçdaroğlu von der sozialdemokratischen Partei CHP, Muharrem İnce von der republikanisch-demokratischen Partei Memleket Partisi, die er 2021 nach seinem Austritt aus der CHP selbst gegründet hat, und Sinan Oğan vom nationalkonservativen Wahlbündnis Ata.  

Da für keinen der Kandidaten im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit zu erwarten ist, wird es sehr wahrscheinlich zu einer Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen kommen. Sie findet am 28. Mai in der Türkei und ein paar Tage vorher, vom 20. bis 24. Mai, in Deutschland statt. 

Im Prinzip dürfte Erdoğan bei der Präsidentschaftswahl nicht mehr antreten, da laut Verfassung nur zwei Amtszeiten erlaubt sind. Erdoğans Argument ist, dass seine Amtszeiten vor dem Verfassungsreferendum im Jahr 2017 nicht zählen, er daher nur eine Amtszeit habe und noch mal antreten darf. Unter Verfassungsrechtlern ist das umstritten. 

Warum gilt die diesjährige Türkei-Wahl als Richtungswahl?  

Präsident Erdoğan selbst hat die Wahl als Schicksalswahl bezeichnet. Es ist das erste Mal in seiner langen Regierungszeit, dass ein Herausforderer - in diesem Fall Kılıçdaroğlu - eine echte Chance auf das Präsidentenamt hat.  

Hohe Arbeitslosigkeit und die extrem hohe Inflation, die nach Angaben der staatlichen Statistikbehörde TÜIK bei rund 55 Prozent und nach Berechnung einiger Wirtschaftsforscher sogar bei 120 Prozent liegt, machen den Bürgern das Leben schwer. Hinzu kommen fast vier Millionen Flüchtlinge, vor allem aus dem benachbarten Bürgerkriegsland Syrien, die die Türkei versorgen muss.

Außerdem gibt es Korruptionsvorwürfe gegen Präsident Erdoğan. Sollte er die Wahl verlieren, drohen ihm und seiner Familie Klagen. 

Inwiefern könnte das verheerende Erdbeben eine wahlentscheidende Rolle spielen?

Nach dem Erdbeben vom 6. Februar mit fast 60.000 Toten und 125.000 Verletzten ist die Kritik an der Regierung Erdoğans noch lauter geworden. Die Vorwürfe: schlechtes Krisenmanagement, späte Hilfe und erhebliche Baumängel aufgrund von Korruption.

Baufirmen sollen sich seit Jahren über Vorschriften hinweggesetzt haben. Statt erdbebensichere Gebäude zu bauen, haben sie laut Experten minderwertiges Material und günstigen Stahl benutzt und die Böden nicht auf Tauglichkeit überprüft. Die Baubehörde, so die Kritik, habe das ignoriert. 

Hinweis: Das türkische Wahlamt hatte Wahlmöglichkeiten für insgesamt vier hessische Städte beantragt, von denen aber neben Frankfurt nur Kassel vom Bundesinnenministerium genehmigt wurde. Dazu gab es zunächst widersprüchliche Angaben, sodass es verschiedene Stände in vorherigen Versionen dieses Beitrags gab. Wir bitten, dies zu entschuldigen.

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